E-Voting ist in der Schweiz auf dem Vormarsch. Nach zahlreichen erfolgreichen Tests in verschiedenen Kantonen geht der Bundesrat einen Schritt weiter und will das Abstimmen und Wählen per Mausklick flächendeckend ermöglichen. Dazu stösst er Gesetzesänderungen an.
Seit 2004 haben in über 200 Tests insgesamt 14 Kantone (ZH, BE, LU, GL, FR, SO, BS, SG, GR, SH, AG, TG, NE und GE) vorab den stimmberechtigten Auslandschweizern die Möglichkeit zur elektronischen Stimmabgabe geboten. Neuenburg, Genf und Basel-Stadt ermöglichen das E-Voting zudem einem Teil der Stimmberechtigten in der Schweiz.
Bei eidgenössischen Vorlagen können mit den heutigen Systemen maximal 30 Prozent des jeweiligen kantonalen Elektorats oder jeder Zehnte der rund 5,3 Millionen Schweizer Stimmberechtigten die Stimme elektronisch abgeben.
Urnen- und Briefwahl bleiben möglich
Der Bund will das E-Voting nun schrittweise von der Versuchsphase in den ordentlichen Betrieb führen, wie Bundeskanzler Walter Thurnherr am Mittwoch vor den Medien in Bern sagte. «Es ist ein Signal zugunsten der politischen Rechte im 21. Jahrhundert.» Profitieren könnten alle Stimmberechtigten.
Bis 2019 sollen zwei Drittel der Kantone die elektronische Stimmabgabe einsetzen. Dieses Ziel sei realistisch, sagte Thurnherr. Die Kantone hätten positive Signale ausgesendet. Die elektronische Stimmabgabe soll sich neben der Wahl an der Urne und der brieflichen Stimmabgabe als dritter ordentlicher Kanal etablieren.
Bürokratische Hürden abbauen
In der aktuellen Projektphase hat der Bundesrat die Kompetenz, örtlich, zeitlich und sachlich begrenzte Versuche mit der elektronischen Stimmabgabe zuzulassen. Massgebend ist das Bundesgesetz über die politischen Rechte.
Damit ein Kanton die elektronische Stimmabgabe versuchsweise anbieten kann, muss er ein Bewilligungsverfahren durchlaufen. «Dieses Verfahren ist mit administrativem Aufwand für Bund und Kantone verbunden», sagte Thurnherr. Der Bundesrat will das Bewilligungsverfahren verschlanken.
Zuerst erörtere eine Expertengruppe aus Bund und Kantonen die Situation, sagte Thurnherr. Dann erarbeite der Bundesrat eine Vernehmlassungsvorlage. Schliesslich befinde das Parlament und eventuell das Stimmvolk über die Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte.
Keine obligatorische Einführung
Bis dahin können Kantone wie bisher E-Voting-Versuche beim Bund bewilligen lassen. Für den Bundesrat sind die bisherigen Pilotversuche ein Erfolg: Bis zu zwei Drittel der Stimmenden eines Kantons, die den elektronischen Stimmkanal nutzen können, entscheiden sich dafür.
Trotzdem soll die Einführung von E-Voting für die Kantone vorerst freiwillig bleiben. Sie entscheiden, ob, wann und mit welchem System die elektronische Stimmabgabe angeboten wird. «Wir kommen nicht mit dem Hammer», sagte Thurnherr. Bund, Kantone und Gemeinden hätten die elektronische Stimmabgabe im Rahmen der E-Government-Strategie als gemeinsames Ziel definiert.
Langfristiges Ziel ist es, komplett papierlos abstimmen und wählen zu können. Auf die Zustellung physischer Unterlagen (Stimm-/Wahlzettel, Stimmausweis und -couvert sowie Erläuterungen) an die Stimmberechtigten könnte demnach künftig ganz oder teilweise verzichtet werden. Bis dahin müssen laut Thurnherr aber noch zahlreiche technische und rechtliche Fragen geklärt werden.
Quellcodes offenlegen
Die digitale Stimmabgabe birgt auch Risiken, die vor einer Einführung eliminiert werden müssen. «Zahlreiche Fragen sind offen», sagte Thurnherr. Im Fokus stehe die Offenlegung des Quellcodes. Dieser dokumentiert, wie die Stimmen vom System registriert und verarbeitet werden sollen.
Kurz- bis mittelfristig sollten Quellcodes auf dem Internet veröffentlicht werden, sagte Thurnherr. «Das könnte bis Ende 2018 der Fall sein.»
Grund für die Zuversicht: Die beiden heutigen Systemanbieter – der Kanton Genf und die Schweizerische Post – haben kürzlich angekündigt, die sogenannte vollständige Verifizierbarkeit bis zu diesem Zeitpunkt umzusetzen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Stimmen tatsächlich korrekt registriert und verarbeitet wurden.
Kantone tragen den Aufwand
Gestoppt hat der Bundesrat dagegen die Arbeiten im Bereich des sogenannten E-Collecting. Damit könnten eidgenössische Volksinitiativen und fakultative Referenden künftig über das Internet unterzeichnet werden. «Angesichts knapper Ressourcen» werden die Arbeiten aber vorerst nicht weitergeführt.
«Der Bund hat a priori kein Geld mehr», sagte Thurnherr. Deshalb habe er weder die Möglichkeit noch die Absicht, die Kantone im Rahmen des E-Votings mit Subventionen zu unterstützen. «Viele wollen das auch nicht.» Aufgabe des Bundes sei es, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu setzen.