In der Türkei reissen die Zusammenstösse zwischen Polizei und Demonstranten inmitten des Präsidentschaftswahlkampfs nicht ab. Zwei Todesfälle bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Istanbul heizten die Proteste weiter an.
Bei den Protesten ging es um das Grubenunglück im westtürkischen Soma mit mehr als 300 Toten und den Beginn der Aktionen zur Rettung des Gezi-Parks Ende Mai 2013.
Zu den blutigen Auseinandersetzungen kam es im Istanbuler Arbeiterviertel Okmeydani. Dort hatte am Donnerstag zunächst eine kleine Gruppe von Demonstranten ihren Unmut über das Grubenunglück von Soma sowie den Tod eines 15-Jährigen nach den Gezi-Unruhen im vergangenen Jahr kundgetan.
Die Proteste in Okmeydani eskalierten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Ein unbeteiligter Teilnehmer einer Trauerfeier wurde vor einem alewitischen Gebetshaus von einer Kugel getroffen und starb am Donnerstagabend. Ermittlungen zu den Todesumständen und zur Herkunft der Kugel sind im Gange.
Laut dem stellvertretenden Regierungschef Bülent Arinc ging die Polizei in der Nähe der Trauerfeier mit Tränengas gegen Demonstranten vor und gab Warnschüsse in die Luft ab. Der unbeteiligte Mann sei offenbar von einer verirrten Kugel getroffen worden. Augenzeugen berichteten hingegen der Nachrichtenagentur AFP, die Polizisten hätten mit scharfer Munition in die Menschenmenge geschossen.
Polizei laut Erdogan zu geduldig
Die Proteste in Istanbul hielten in der Nacht zum Freitag an. Demonstranten warfen Brandsätze, errichteten Strassensperren und setzten Autoreifen in Brand. Rund 400 Menschen versammelten sich vor dem Spital, in dem der angeschossene 30-jährige Mann starb, und riefen: «Ihr seid Mörder!»
Beim zweiten Todesfall handelte es sich um einen Mann, der nach Angaben des Istanbuler Gouverneurs Hüseyin Avni Mutlu nach der Explosion eines Sprengsatzes in der Nacht zum Freitag seinen schweren Verletzungen erlag. Bei den Ausschreitungen wurden nach Behördenangaben zehn weitere Menschen verletzt, darunter acht Polizisten.
Regierungschef Recep Tayyip Erdogan bezeichnete die Demonstranten in einer Rede am Freitag als «Terroristen», die «wie in der Ukraine das Land spalten» wollten. Er könne die Geduld der Polizeikräfte «nicht verstehen», sagte er. Bei der Präsidentschaftswahl im August gilt Erdogan als Favorit, auch wenn er seine Kandidatur noch nicht offiziell erklärte.