Erst lange nach dem gravierenden Zwischenfall im AKW Fessenheim wurden die Basler Behörden und der Bund über die Ereignisse informiert. Das erklärt das Basler Gesundheitsdepartement – und fordert die Stilllegung des Reaktors.
Die Basler Regierung fordert einmal mehr das Abschalten des störungsanfälligen französischen Atommeilers Fessenheim. Bis Ende Jahr müsse ein Stilllegungsbeschluss vorliegen, verlangt Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger. Dies werde in einem Schreiben an Energieministerin Doris Leuthard zum Ausdruck gebracht. «Das KKW stellt für die Bevölkerung Basels ein Sicherheitsrisiko und eine mögliche Gefährdung der Gesundheit dar», sagt Engelberger.
Anlass für die Forderung sind die jüngsten Enthüllungen der «Süddeutschen Zeitung», die publik machte, dass nach einem Wasserschaden am 9. April 2014 minutenlang die Kontrolle über die Brennstäbe verloren gegangen war. Steuer- und Sicherheitsmechanismen sollen durch das eindringende Wasser funktionsuntüchtig gemacht worden sein. Erst das Einlassen von Bor in den Reaktorbehälter habe den Spaltprozess gestoppt, an dessen Ende es zur Kernschmelze hätte kommen können.
Nie gesehener Vorgang
Das Blatt stützte sich auf Informationen der französischen Atomaufsicht und zitierte den deutschen AKW-Fachmann Manfred Mertens, der von einem in Westeuropa nie gesehenen Vorgang sprach und eine akute Gefährdung der Bevölkerung feststellte.
In Basel, 35 Kilometer flussaufwärts von Fessenheim, wusste man von all dem: nichts. Eine Informationspflicht besteht gemäss einem Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich erst bei Störfällen, die radiologische Auswirkungen haben oder haben können. Dann wird die Einsatzzentrale der Kantonspolizei Basel-Stadt direkt informiert.
«Bei der Nationalen Alarmzentrale ging keine Meldung ein.»
Weil die französischen Behörden den Zwischenfall nur als Kleinereignis auf Level 1 der siebenstufigen Ines-Skala klassifizierten, erfuhr Basel lange nichts davon. Aber auch der Bund tappte erst mal im Dunkeln. Das bestätigt zumindest das Gesundheitsdepartement: «Im vorliegenden Fall ging gemäss den uns vorliegenden Informationen bei der Nationalen Alarmzentrale (NAZ) weder eine Zustandsmeldung noch eine Pressemitteilung zum Ereignis vom 9. April 2014 ein. Die Gründe dafür sind Gegenstand laufender Abklärungen.»
Doch genau dazu wären die Franzosen verpflichtet gewesen. Kleinere Ereignisse müssen der Nationalen Alarmzentrale in Zürich übermittelt werden, diese leitet die Informationen dann an interessierte Kantone weiter. Die Kriterien für die Meldung von «Kleinereignissen ohne radiologische Auswirkungen» seien zu offen formuliert, sagt Anne Tschudin, Sprecherin des Gesundheitsdepartements: «Es besteht Bedarf für eine Konkretisierung.»
Hartnäckig nachgefragt
Das Bundesamt für Energie (BfE) hatte dagegen versichert, der Bund sei von der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN informiert worden. Eine Schnellabschaltung sei nicht erfolgt, die Einleitung von Bor zulässig und der Reaktor nie unkontrolliert gewesen, sagte das BfE weiter und sieht sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, die Gefährdung herunterzuspielen.
Erst am 23. Juni 2014 erfuhr Basel-Stadt vom sogenannten «Kleinereignis ohne radiologische Auswirkungen» in einem gemeinsamen Fachgremium, das drei bis vier Mal jährlich tagt. Was vorgefallen sei, habe hartnäckig erfragt werden müssen, sagt Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger. Das vollständige Bild ergaben dann erst die Medienberichte. «Der Kanton Basel-Stadt wird die Informationspolitik der französischen Behörden in diesem Gremium erneut thematisieren», sagt Sprecherin Tschudin.
Vor allem hoffen die Basler, dass Frankreichs Präsident François Hollande sein Versprechen wahr macht und den 1978 ans Netz gegangenen Meiler abschaltet. Aber auch dazu waren zuletzt widersprüchliche Signale aus Frankreich zu empfangen.