Wenn die «heiligen» Tiere zur Bedrohung werden

Das mongolische Hochgebirge ist einer der letzten Orte, wo noch Schneeleoparden leben. Weil natürliche Beutetiere immer seltener werden, werden die Raubtiere nun zur Bedrohung für die Herden der Nomadenhirten.

Das Altai Gebirge im Westen der Mongolei erhebt sich über die weiten, trockenen Steppen. Im Winter sind die Steppen karg und die Hirten führen ihr Vieh in die Bergregionen.

(Bild: Marten van Dijl)

Ein Hirte wirft Steine auf seine Herde, um sie zusammen zu halten. Die, die den Winter in den Bergen verbringen, werden immer häufiger mit Angriffen der Schneeleoparden konfrontiert. (Bild: Marten van Dijl)

Eine Hirtenfamilie wärmt sich am Feuer und bereitet in der Mitte des Ger Essen zu. (Bild: Marten van Dijl)

Das Altai Gebirge ist das Zuhause des geheimnisvollen Schneeleoparden. Diese Aufnahme wurde mit einer Infrarotkamera gemacht. Zur Beobachtung der Tiere wurde sie mit grossem Aufwand an einer strategisch wichtigen Stelle aufgestellt. (Bild: WWF Mongolië)

Ein Hirte trägt Zweige und Äste in sein Ger. Er muss viele Kilometer durch das Gebirge gehen, um Feuerholz für seinen Ofen zu sammeln.

(Bild: Marten van Dijl)


Ein Schild signalisiert den Eingang in das Schutzgebiet der Leoparden. Dahinter lässt sich der Viehbestand die spärliche Vegetation schmecken.

(Bild: Marten van Dijl)


Der Schwanz eines Schneeleoparden hängt über einem Holzstuhl in einer Replika-Ger in einem Museum der mongolischen Haupstadt Ulaanbaatar. In Russland und China ist die Nachfrage nach Fellen gross. Doch Anfang 2000 wurde ein striktes Gesetz erlassen und es wird nur noch sehr selten gewildert. (Bild: Marten van Dijl)

Ein WWF Biologe steht neben einem toten Schaf – die jüngste Beute eines Schneeleoparden. Die Zahl der natürlichen Beutetiere – wie der Steinbock – ist drastisch geschrumpft. (Bild: Marten van Dijl)

Ein Hirte beobachtet seine Herde aus sicherer Entfernung mit dem Fernglas. Tagsüber kommt es allerding nur selten zu Zwischenfällen. Vor allem Nachts schleichen sich die Schneeleoparden an die Herde heran und schnappen sich ein Schaf oder eine Ziege.

(Bild: Marten van Dijl)


Heimische Schafe und Ziegen im Altai Gebirge. (Bild: Marten van Dijl)

«Sie greifen immer häufiger an. Früher liefen sie davon, als wir sie anschrien. Aber jetzt lassen sie sich nicht mehr einschüchtern.» In einen wohligen Wollmantel gekleidet und die kalten Hände reibend über dem warmen Ofen, spricht ein Hirte in seinem Ger – der einfachen Behausung der mongolischen Nomaden – von Angriffen der Schneeleoparden auf sein Vieh.

Das Hochland der westlichen Mongolei ist im Winter unerbittlich. Die Steppen sind unfruchtbar und zwingen die nomadischen Hirten, in die kalten Bergregionen vorzustossen, um Weideplätze für ihre Tiere zu finden. Immer häufiger werden dabei die Grenzen zu Territorien der mystischen Schneeleoparden überschritten. Für diese gerissenen Jäger ist das Vieh der Hirten natürlich leichte Beute.

Das Altai-Gebirge reicht bis an die russischen, mongolischen und chinesischen Grenzen und ist die Hochburg der weltweit vom Aussterben bedrohten Schneeleoparden. WWF schätzt den weltweiten Bestand auf gerade einmal 5000 Tiere. Als Folge der Zerstörung von Lebensräumen und dem Verlust der natürlichen Beutetiere, werden es von Jahr zu Jahr weniger. Naturschützer fürchten, dass sich die Hirten, die ihr Vieh durch Angriffe der Schneeleoparden verlieren, rächen, und so zu einer zusätzlichen Bedrohung der gefleckten Raubkatze werden.

«Der Schneeleopard ist ein heiliges Tier», sagen die Hirten. Aber weil sie jede Saison zwanzig bis dreissig Ziegen, Schafe und Pferde an das Raubtier verlieren, beginnen sie, den Schneeleoparden als Schädling wahrzunehmen. Gleichzeitig deuten die Hirten jegliche Misshandlung der Tiere als ein sehr schlechtes Omen. «Er ist der König der Berge. Wenn man einen Schneeleoparden tötet, wird man von seinem Geist heimgesucht. Es bringt Unglück.»

Während die einen Hirten die mystischen Kräfte, die sie den Tieren zusprechen, fürchten, behandeln andere die Raubkatzen nicht gerade zimperlich. Flüsternd sagt ein Hirte: «Wenn ich nicht ins Gefängnis gehen müsste, würde ich die Leoparden töten. Das Überleben ist hier schon schwer genug, auch ohne sie.»

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