Achtung Kosovo

Kosovo Seit 2008 ist das Land unabhängig. Ein Blick ins Innere – und Ansichten aus der Schweiz.

Urs Buess

Kosovo Seit 2008 ist das Land unabhängig. Ein Blick ins Innere – und Ansichten aus der Schweiz.

Spontan brechen wir nicht in Begeisterungs- stürme aus, wenn das Wort «Kosovo» fällt. Über das junge Land im Balkan wissen wir wenig, und das Wenige ist nicht immer berau- schend. Und wenn der «Kosovo», der «Koso- vare» oder der «Albaner» hierzulande auffallen, dann nicht immer erfreulich. Darüber ereifern sich dann rechtschaffene Schweizer – beson- ders, wenn ein Wahlkampf ansteht. Jene Me- dien, die gern die Empörung gegen Fremde
in unserem Land bewirtschaften, packen dann die fetten Schlagzeilen aus.
Heute ist es genau vier Jahre her, seit der Kosovo seine Unabhängigkeit ausgerufen hat. Das weckte im Land viele Hoffnungen. Davon ist heute nicht mehr viel übrig geblieben – die Kluft zwischen Politikern und Volk ist gewachsen. Die Menschen im Kosovo sind teils konsterniert und desillusioniert, teils wütend – doch es entstehen auch neue Bewegungen. Ist das erfreulich?
Julian Schmidli ist nach Pristina gereist, hat mit allen möglichen Leuten gesprochen und ein eindrückliches Bild gezeichnet. Es ermöglicht kein abschliessendes Urteil über die Zukunft des Landes, es zeigt aber, dass der Kosovo weiterhin auf Hilfe von aussen angewiesen ist.
Ein Teil dieser Hilfe kommt aus der Schweiz. Einerseits von der offiziellen Schweiz, vom Auswärtigen Departement (Seite 12). Zum weitaus grösseren Teil aber von den rund 200 000 Exil-Kosovaren, von denen die meisten in den 1990er-Jahren in die Schweiz emigriert sind, hier eine Existenz aufgebaut haben und nach wie vor ihre Verwandten in der alten Heimat unterstützen. Man muss nicht immer den Fussballer Xherdan Shaqiri bemühen, um zu zeigen, dass es einige aus dem Kosovo «ge- schafft» haben. Geschafft hat es die überwie- gende Mehrheit der albanischen Gemeinschaft aus dem Kosovo – als Angestellte, Gewerbler, als Akademiker. Sie haben sich integriert, viele liessen sich einbürgern. Viele engagieren sich – wie etwa der Kardiologe Florim Cuculi (Seite 13) – dafür, dass weitere ihrem Beispiel folgen. Wenn etwas erfreulich ist an den Men- schen aus dem Kosovo, dann ist es sicher ihre Fähigkeit, sich in einer anderen Gesellschaft einzuleben.

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