Armee-Einsätze wie im Baselbiet könnten bald schweizweit zum Normalfall werden. Das ist gefährlich.
Soldaten in Wohnquartieren? Seit einer Woche erhitzt die gemeinsame Offensive der Baselbieter Kantons- und der Militärpolizei gegen sogenannte «Kriminaltouristen» die Gemüter. Wohin steuert die Armee? Dürfen WK-Soldaten für den polizeilichen Ordnungsdienst aufgeboten werden, Strassen abriegeln, durch Dörfer patrouillieren, in Trams Personen kontrollieren?
Die TagesWoche hat diesen Einsatz von Beginn weg kritisiert. Zunächst aus praktischen Gründen: Den WK-Soldaten fehlen Ausbildung und Routine für Polizeiaktionen gegen Zivilpersonen. Aber auch verfassungsrechtliche Erwägungen sprechen dagegen. «Die Armee dient der Kriegsverhinderung und trägt bei zur Erhaltung des Friedens», heisst es in Artikel 58 der Bundesverfassung. «Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit und bei der Bewältigung anderer ausserordentlicher Lagen.»
Die Armee befindet sich in einer Sinnkrise.
Befindet sich die Baselbieter Polizei in einer solchen «ausserordentlichen Lage», die sie aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen kann?
Wohl kaum. Sonst hätte Sicherheitsdirektor Isaac Reber versagt. Auf jeden Fall hätte er zunächst beim Polizeikonkordat Nordwestschweiz Hilfe anfordern müssen. So will es die Vereinbarung über die kantonalen Polizeieinsätze. Ausserdem gilt: Nur wenn auch die anderen Kantone nicht helfen können, darf die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren beim Bund eine Unterstützung durch die Armee beantragen.
Das alles war in diesem Fall nicht nötig, da sich die Armee selber andiente – und Reber dankbar zugriff. Damit setzte er sich nicht nur der Kritik der üblichen Verdächtigen aus dem linken Lager aus, vehementer Protest gegen diese Offensive ist auch aus Armeekreisen zu hören.
Nicht ohne Grund, wie das neuste Armeereformprojekt des Bundes zeigt. Künftig sollen «subsidiäre» Armee-Einsätze, wie sie im Baselbiet trainiert und als «militärische Übungen» bagatellisiert werden, zum Normalfall werden. Das ist gefährlich. Und das falsche Rezept gegen die Sinnkrise, unter der die Armee leidet.
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 18.10.13