Am 30. November stimmt die Schweiz über die Ecopop-Initiative ab. Ein Ja hätte verheerende Folgen für die Integration der Schweiz in Europa und der Welt.
Am letzten Tag des Novembers schlägt die Stunde der Wahrheit. Wird sich die Schweiz weiter abschotten von Europa und der Welt? Die Umfragen deuten bislang nicht auf eine Annahme der Ecopop-Initiative hin. Aber das war vor der Abstimmung zur Masseneinwanderungsinitative im Februar nicht anders. Auszuschliessen, das weiss man seit dem 9. Februar, ist ein Ja auch diesmal nicht.
Klar ist: Mit rationalen Argumenten ist dem Bauchgefühl, aus dem eine Annahme resultieren könnte, nicht beizukommen. Der Verstand würde Problemen wie Zersiedelung und Verbauung mit einer konsequenten Raum- und Siedlungsplanung begegnen. Der Bauch sagt: «Das Boot ist voll!» Das waren exakt die Worte, die ein Mitglied der Baselbieter SVP in die «10vor10»-Kamera geiferte, nachdem seine Sektion entgegen der Losung der nationalen Partei die Ja-Parole zu Ecopop beschlossen hatte.
Was die Ecopop-Initianten bewahren wollen, ist weniger die Natur als das, was sie unter Heimat verstehen. Das hat viel mit Erinnerung zu tun. Mit der Erinnerung an die Schweiz, wie sie einmal war: beschaulich, behäbig. Jeder kannte jeden, und jeder hat den anderen verstanden.
Das Problem dabei ist, dass wir die Vergangenheit in unserer Erinnerung gerne verklären. «Wir erinnern uns, wie wir uns erinnern wollen», sagt der Schweizer Schriftsteller Charles Lewinsky. Deshalb erinnern wir uns lieber an grüne Wiesen und Fachwerkhäuser als an die grauenhafte Spiessigkeit der Schweiz von früher. Und deshalb erinnert sich der Baselbieter SVPler offenbar nicht daran, woher der Ausspruch «Das Boot ist voll!» stammt.
Apropos Erinnerung: Dieser Tage jährt sich der Fall der Berliner Mauer zum 25. Mal. Für uns blickt Gregor Gysi zurück auf den 9. November 1989. Der Vorsitzende der Linksfraktion und Oppositionsführer im Deutschen Bundestag wird künftig regelmässig für die TagesWoche schreiben. Herzlich willkommen!