Jenische werden in der Schweiz als Menschen zweiter Klasse behandelt – obwohl sie das Bürgerrecht haben und Steuern zahlen.
Menschen werden von Uniformierten eingekesselt, mit Identifikationsnummern versehen und in eine Turnhalle gekarrt…
Solche Massnahmen erinnern an die Methoden autoritärer Polizeistaaten. Sie ereigneten sich aber vor Wochenfrist in der Schweiz, nachdem ein paar Dutzend Jenische auf der Berner Allmend ein Protestlager errichtet hatten, um für schweizweit mehr Stand- und Durchgangsplätze zu demonstrieren.
Entwürdigende Polizeimassnahme
Die auch in einigen Medien geäusserte Haltung, dass die Polizeiaktion gerechtfertigt war, da die Fahrenden widerrechtlich einen Platz besetzt hätten, ist zynisch und entwürdigend. Zehntausende von Fahrenden starben im Zweiten Weltkrieg in den Konzentrationslagern der Nazis. Bis zu Beginn der 1970er-Jahre trennte die schweizerische Stiftung Pro Juventute jenische Kinder gewaltsam von ihren Eltern, kasernierte sie in Erziehungsheimen oder verschacherte sie als «Verdingkinder» an Bauern, die sie als Billigarbeitskräfte missbrauchten.
All diese Menschenrechtsverletzungen sind bis heute im kollektiven Gedächtnis der Fahrenden präsent, wie Venanz Nobel, selber ein Jenischer, in unserer Titelgeschichte eindrücklich beschreibt.
Seit Jahren steht der Staat in der Pflicht, mehr Standplätze für Fahrende bereitzustellen – doch es passiert wenig.
Auch heute noch werden die rund 30’000 Schweizer Jenischen als Menschen zweiter Klasse behandelt. Obwohl sie das Bürgerrecht haben, Steuern zahlen und Militärdienst leisten – und obwohl sich unser Land 1998 verpflichtet hat, das Rahmenabkommen des Europarats zum Schutz der nationalen Minderheiten umzusetzen. So stehen etwa Bund, Kantone und Gemeinden in der Pflicht, mehr Standplätze für die Fahrenden bereitzustellen.
Auch Basel-Stadt. Doch seit über zehn Jahren schlägt der Kanton ein Bundesgerichtsurteil in den Wind, wonach er mindestens zehn Plätze anbieten müsste. Eine bedenkliche Verschleppungstaktik.