Es gibt sachliche Argumente gegen die Windkraft. Diese soll man ernst nehmen. Das heisst aber nicht, dass wir Projekte streichen müssen.
Als vor 150 Jahren die ersten Züge mit 30 Kilometern pro Stunde durch die Landschaft tuckerten, regte sich ein dumpfes Unbehagen in der Bevölkerung. Menschen klagten über Erschöpfung, Stress und Schlaflosigkeit. Ähnliche Symptome beklagen manche Leute, die in der Nähe von Windkraftanlagen wohnen. Und dort, wo eine Anlage geplant ist, juckt und ziept es einige Menschen bereits, bevor die Anlage gebaut ist.
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Zugegeben: Das ist leicht übertrieben. Nicht alle Argumente von Windkraft-Gegnern basieren auf Befindlichkeitsstörungen wie im 19. Jahrhundert. Es gibt gute Gründe, Windkraft zu hinterfragen. Zum Beispiel die Wirtschaftlichkeit oder das Landschaftsbild.
Möglich und auch sinnvoll
Wer gegen Windräder ist, sollte sich jedoch die Zahlen vor Augen führen: Bis 2050 sollen in der Schweiz rund 1000 Windräder gebaut werden. Im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz, das halb so gross ist wie die Schweiz, stehen bereits heute 1500 Windräder – und die Zahl steigt weiter.
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Der Ausbau von Windkraftanlagen ist möglich – und ein Bevölkerungsaufstand nicht zwingend. Denn eine Befragung der Universität St. Gallen zeigt, dass die Akzeptanz von Windanlagen steigt, wenn ein Windrad erst einmal steht.
Mit Windkraft-Gegnern ist es wie mit Ausländerfeinden. Wir sollten sie ernst nehmen. Aber ernst nehmen heisst nicht, ihnen schon präventiv entgegenzukommen und Projekte aufzugeben. Ernst nehmen heisst, Vorbehalten sachlich zu begegnen – und dort, wo die Sachlichkeit aufhört, ein Projekt auch gegen den Widerstand einer Minderheit durchzusetzen.
Die Schweiz könnte noch einige Windräder verkraften. Die Windkraft löst nicht alle unsere Energieprobleme, aber sie ist Teil einer erfolgreichen Energiewende.