Jede Krise gebiert ihre Helden. In den Zeiten der Schuldenkrise ist der tschechische Ökonom Tomáš Sedláček zum Superstar geworden. Rastlos reist der Autor des Bestsellers «Die Ökonomie von Gut und Böse» durch Europa, seziert an Podien, Symposien und sogar auf Theaterbühnen wortgewaltig die Mechanismen des «Wachstumsfetischismus», geisselt die «realitätsfernen Modelle» der Wirtschaftswissenschaft und erntet dafür jeweils den begeisterten Applaus der Globalisierungskritiker.
Wer laut und frech in den Wald ruft, erntet auch Spott und Häme. Gegner bezichtigen den jungen Wilden unter den Ökonomen der Unwissenschaftlichkeit und taxieren ihn als Krisenprofiteur. Kritik, die dem Werk und Wirken des 35-Jährigen nicht gerecht wird und wohl auch dem Umstand geschuldet ist, dass er ein heiliges Axiom der Ökonomie radikal infrage stellt: die Notwendigkeit des Wachstums.
Damit steht Sedláček jedoch nicht allein, wie unsere Titelgeschichte zeigt. Immer mehr Ökonomen warnen davor, dass das bis anhin als Allheilmittel gepriesene Konzept der Produktivitätssteigerung an seine Grenzen stösst. Die Rohstoffe werden knapp, die Umweltverschmutzung nimmt zu: Um die künftigen Konsumbedürfnisse der wachsenden Weltbevölkerung zu decken, ist unser Planet zu klein.
Nicht nur ökologisch stossen wir an Grenzen. Auch technologisch sind in naher Zukunft keine Wunder zu erwarten, die weiteres Wachstum garantieren, glauben Forscher wie Robert J. Gordon. Einen mit den bisherigen industriellen Revolutionen vergleichbaren Innovationsschub könne uns die nächste Revolution, die digitale, nicht bescheren, meint der Sozialwissenschaftler. Wir werden den Gürtel wohl enger schnallen müssen.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11.01.13