«Peak Oil» war gestern – oder vielleicht doch nicht?

Es gibt derzeit noch kein Erdöl-Problem, sondern lediglich ein Erdöl-Förder-Problem. Und das wird mit aufwändigeren Techniken mittelfristig gelöst. Die haben allerdings ihren Preis.

(Bild: Nils Fisch)

Es gibt derzeit noch kein Erdöl-Problem, sondern lediglich ein Erdöl-Förder-Problem. Und das wird mit aufwändigeren Techniken mittelfristig gelöst. Die haben allerdings ihren Preis.

Wenn nicht mehr jedes Jahr immer noch mehr Öl aus der Erde schiesst, dann ist «Peak Oil» erreicht. Ab dann wird «das schwarze Gold» nur noch knapper, besagt die Theorie. Wann es so weit sein wird, dass zwar die Quellen noch munter sprudeln, aber der Boden auch mit den ausgefeiltesten Fördermethoden definitiv keine neuen, zusätzlichen Mengen mehr hergibt, weiss niemand genau.

Die Internationale Energieagentur (IEA) in Paris rechnet in ihrem im November 2012 erschienenen «World Energy Outlook» damit, dass der globale tägliche Ölverbrauch von derzeit rund 90 Millionen Fass à 119 Liter (Barrel) bis 2035 auf knapp 100 Millionen Fass ansteigen wird. Und ansteigen kann, weil die Produktion noch mitkommt.

Ist «Peak Oil» also auf Jahrzehnte hinaus kein Thema mehr? Jein! Vor zwei Jahren schrieb die IEA in ihrem «Outlook» dazu: «Die Rohölproduktion (crude oil) wird sich 2020 einpendeln bei rund 69 Millionen Fass pro Tag, aber nie mehr ihr Allzeithoch von gut 70 Millionen im Jahr 2006 erreichen.» In einem Nebensatz räumte die IEA damit 2010 ein, dass «Peak Oil» für die leicht zugänglichen Lagerstätten 2006 erreicht war.

Die Industrie holt jedoch mit riskanteren und kostspieligeren Methoden immer noch mehr aus dem Boden. Ein Ölpreis von über 100 Dollar pro Fass, wie seit zwei Jahren fast andauernd, macht für sie bisher unrentable Lagerstätten in der Tiefsee oder der Arktis attraktiv.

Jetzt wird es plötzlich zum Geschäft, die Athabasca-Teersande in Zentralkanada im Tagebau zu schürfen. Auf 140 000 Quadratkilometern Fläche steckt dort pechschwarzes, klebriges Bitumen mit der Zähflüssigkeit von kalter Melasse im Sandstein. Daraus Rohmaterial für Raffinerien zu gewinnen, ist umständlich, zertört die Umwelt massiv – aber lohnt sich finanziell für die Konzerne.

Christof Rühl, Chefökonom von BP, winkte 2009 in einem Interview ab, als er auf «Peak Oil» angesprochen wurde: «Es gibt in Sachen Öl derzeit kein Mengenproblem. Nur ein Zugangsproblem.» Und dessen Lösung sei eine Frage des Preises. Die neue Rentabilität von sogenannten unkonventionellen Quellen hat dramatische Folgen für die globalen Ölflüsse: Die IEA rechnet heute damit, dass die USA bis 2020 weltgrösster Ölproduzent und ab 2035 netto Ölexporteur sein werden.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11.01.13

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