Es war einmal ein Spind. Er stand an der Strassburgerallee, Ecke Hegenheimerstrasse. Sein Gäggeligääl strahlte freundlich durchs Quartier. In ihm steckte eine nicht minder freundliche Absicht: Seine vier Fächer waren dazu da, eigene Gebrauchsgegenstände hineinzutun. Intakte, versteht sich. Dinge, die man selber nicht mehr brauchen konnte, aber andere vielleicht schon. Und wenn man ein fremdes Ding darin fand, das man haben wollte: zugreifen!
Der Spind war ein sogenannter Bring-und-Nimm-Kasten. Eine Mischung aus «Wir haben nur eine Erde»-Mentalität und Nachbarschafts-Bonding. Und ein bisschen Urvertrauen in die Menschheit.
Für einige Jahre ging es dem Spind ganz gut. Wer beim Vorbeispazieren einen Blick hineinwarf, sah vor allem Buchrücken. Das Angebot reichte von Kopfzerbrechern wie Niklas Luhmanns «Systemtheorie der Gesellschaft» zu Herzerwärmern wie «Pippi Langstrumpf». Flankiert waren die Bücher von Tassen, Tontöpfen und an besonderen Tagen auch mal einem Strohhut oder einem Kinder-Kassettenrekorder.
Dann begann der Zerfall. Eine der zwei Spind-Türen wurde aus der Angel gerissen und verschwand spurlos. Das Nehmen war auf ein neues Level gehoben. (Dazu die Frage: Was macht man eigentlich mit so einer Tür? Im Ernst: Was?)
Beim Bringen war die Sache noch gravierender: Der Kasten wurde vollgestopft mit Plastiktaschen, Elektro-Schrott, abgeranzten Schuhen, löchrigen Veloschläuchen. Der gelbe Spind wurde zur Signalsäule: keine Lust, ihren Müll ordnungsgemäss zu entsorgen? Dann kommen Sie, kommen Sie!
Vor wenigen Tagen zogen die Initianten die Notbremse:
Der gelbe Freund war mutiert. Er zeigte eine Fratze, die selbst die Ämter nicht mehr ertragen konnten. Die menschliche Zerstörungswut nahm dem Kasten die Tür, die Faulheit und der Egoismus nahmen ihm den Sinn. Wieso gibt es Krieg? Warum hungern so viele Menschen? Weshalb ist Donald Trump Präsident? Der Kasten barg die Antworten. Ein nettes Nachbarschaftsprojekt verkam zum Spiegelbild von allem Schlechten in uns.
Leider ist dieser Spind kein Einzelfall. Auch im Gundeli spriessen zurzeit die menschlichen Abgründe aus dem Kleinen. Dort wurde eine Strasse mit Pflanzen versehen, betreut und bezahlt von Anwohnern und deren Kindern. Und dann das:
#basel #gundeli Ich nerve mich: unsere Strasse ist neu, neue Pflanzkübel werden von den anwohnenden Familien mit den Kindern betreut und bezahlt!! Und nun ist schon wieder eine Pflanze gestohlen worden. Gopf! Es ist einfach eine Sauerei! pic.twitter.com/wVNaAax1Qf
— Beatrice Isler (@beatrice_isler) 5. Oktober 2018
Was geht in so einem Pflanzendieb wohl vor? Stellt er sich den Kübel auf den Balkon, fläzt sich in den Liegestuhl und denkt: «Da hast du, kleine Melinda!»?
Gib es den Menschen gratis, und sie bezahlen trotzdem – und zwar mit dem Dunkelsten, das sie haben. Sind wir wirklich so drauf?
Nein. Also reisst euch mal zusammen, Mensch!
(Und gebt Melinda ihre Pflanze zurück, gopf!)