Es ist wirklich wahr: Ab Fahrplanwechsel, also ab 1. Februar 2018, herrscht im ganzen Bahnhof Basel SBB ein striktes Rauchverbot. Nicht nur in der Halle, nicht nur auf der Passerelle, nein, im ganzen Bahnhof. Auch Glimmstängel bei den Geleisen, an der frischen Zugluft, werden dann streng verboten sein. Ausgerechnet hier, wo schon der Widerstand gegen rauchfreie Restaurants am grössten war.
Schuld an dieser Misere sind die SBB. Ohne Not – in der ganzen 125-jährigen Geschichte der Bundesbahnen ist kein einziger Fall eines Nichtrauchers bekannt, der wegen einer Zigarette auf dem Perron zu Schaden gekommen wäre – führen sie ihre «Tests» durch. Dies unter der fadenscheinigen Begründung, dass Raucher auf dem Bahnhof «ein konstantes Thema bei den Kundenanfragen» sei.
Schall und Rauch. Das konstanteste Thema bei den Kundenanfragen sind Verspätungen, Zugausfälle und Billetpreise. Aber da ist weit und breit kein «Test» mit striktem Verspätungsverbot in Sicht.
Ein Schuss in den Ofen
Mit Rauchern kann man es ja machen. Und ja: Raucher lassen auch einiges mit sich machen. Aber allzu viele Rauchverbote sind schädlicher als das Rauchen selbst – nicht zuletzt für Nichtraucher.
Denn der Bahnhof Basel SBB ist schon baulich dem Körper eines starken Rauchers nachempfunden. Die Eingänge zum Herz, der früheren Schalterhalle (heute: Konsum-Tempel), und dann wieder auf der Passerelle mit ihren schmalen Treppen sind eng und rasch verstopft.
Man stelle sich nun vor, jeder Raucher – das sind fast ein Viertel der Bevölkerung über 15 Jahre – muss jeweils vor den schmalen Ausgängen noch kurz stehenbleiben, weil Rauchverbot, grosses Schild, uh-oh, Busse droht, Aschenbecher wo? Der Infarkt des täglichen Pendler-Stroms ist programmiert.
Wenig zur Entspannung der Situation beitragen werden die Raucher, die es nicht ganz so eilig haben. Sie werden in gemütlichen Grüppchen vor den Eingängen herumstehen, um ihre Zigarette bis zum letzten Zug zu geniessen.
Gefahr für Nichtraucher am Bahnhof
Ebenfalls bedenkenswert: Raucher, die nicht rauchen dürfen. Die sich nicht einmal beim Auf-den-Zug-warten-auf-dem-Perron eine anzünden dürfen! Die sind nicht entspannt. Denn entgegen der von Lungenliga und anderen hyperventilierenden Präventiönlern verbreiteten Behauptung, dass Rauchen in Wirklichkeit stresse (befriedigt werde nur die Sucht, aber Obacht, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, ergo Stress) – ist die Zigarette für den Raucher die wichtigste Quelle der Entspannung.
Beim Joggen, möchte man den Gesundheitsaposteln antworten, schlägt das Herz ebenfalls schneller, und der systolische Blutdruck steigt gerne über 200. Auf die Idee eines Jogging-Verbots käme trotzdem niemand. So gesehen könnte man genau so gut argumentieren, die Zigarette sei, rein vom Stressbewältigungsfaktor her, Sportausrüstung genug.
Nichts ist so unberechenbar wie ein halber Zug voll Raucher auf unfreiwilligem Entzug.
Im Gehirn werden dank Nikotin die Botenstoffe Adrenalin, Dopamin und Serotonin freigesetzt. Reines Glück, Zug um Zug. Nikotin sorgt für ein (noch lange nicht vollständig erforschtes) Feuerwerk der Synapsen, verstärkt die Bildung positiver Erinnerungen, soll gar Wirkung gegen Alzheimer und Parkinson zeigen.
Damit sich nichtrauchende Pendlerinnen und Pendler darauf vorbereiten können, was mit ihren rauchenden Mitfahrerinnen und Mitfahrern geschieht, wenn sie nicht rauchen dürfen, hier die Symptome des Nikotinentzugs: Angst, Unruhe, Nervosität, Reizbarkeit, gereizte und/oder depressive Stimmung – und Aggressivität.
Das Pendeln ist schon hart und deprimierend genug. Es sollte nicht noch durch zusätzliche Verbote härter und deprimierender werden. Und gefährlicher, gerade für Nichtraucher: Nichts ist so unberechenbar wie ein halber Zug voll Raucher auf unfreiwilligem Entzug.
Der «Test»: Eine Nebelpetarde
Die SBB geben an, während zwölf Monaten drei verschiedene Rauch-Stopp-Testszenarien durchzuführen. Anlage Nummer eins: komplett rauchfreie Bahnhöfe (Basel, Nyon und Zürich Stadelhofen). Nummer zwei: Raucherzonen auf den Perrons (Bellinzona). Und Nummer drei: Raucherlounges in Zusammenarbeit mit Swiss Cigarette (Neuenburg).
Test Nummer eins ist bereits abgehandelt. Zu Test Nummer zwei lässt sich sagen: Typisch, dass man das nur in Bellinzona, nicht aber in Basel probiert. Die Raucherzonen auf dem Perron funktionieren nicht nur im warmen Tessin, sondern auch im kalten Berlin bestens – sie sind in Deutschland Standard. Ein Test erübrigt sich eigentlich. Es wäre eine Kompromisslösung, mit der sowohl Nichtraucher als auch Raucher leben könnten.
Von eigentümlicher schweizerischer Absurdität ist Variante 3: So tun, als würde man etwas gegen das Rauchen tun, die Süchtigen in stinkende Kästen verbannen – und gleichzeitig diese Massnahme zum Schutz der Nichtraucher gut sichtbar von der Tabaklobby sponsern lassen. «Swiss Cigarette» ist der Verband aus British American Tobacco Switzerland, JT International und Philip Morris. Die drei teilen sich über 95 Prozent des Zigarettenmarktes. Und der Zigaretten-Export aus der Schweiz ist fast so viel Wert wie der von Schweizer Käse.
Mit Rauchern kann man auch das machen. Mit Schweizer Rauchern sowieso. Die bezahlen pro Zigarette 0,13 Rappen an einen Fonds, mit dem der Tabak von Schweizer Tabakbauern weit über dem Marktpreis gekauft wird – anschliessend bezahlen die drei genannten Firmen wiederum den (rund fünf Mal tieferen) Marktpreis für den Tabak. So will es die Verordnung über die Tabakbesteuerung. Man unterstützt also die einheimischen Bauern und die internationalen Grosskonzerne gleich mit. Ob man will oder nicht.
Gleichzeitig gehen mit jeder Zigarette 0,13 Rappen an den Tabakpräventionsfonds. Zum Beispiel für Nichtraucherkampagnen. Um solche Widersprüche auszuhalten – die gleichzeitige Finanzierung von Schweizer Tabakbauern, Tabaklobby und Anti-Tabak-Aktionen – hat schon manch einer zur beruhigenden Zigarette gegriffen.