Adil Koller: «Nett zu sein, bringt nichts»

Wie schlagfertig ist der neue Präsident der Baselbieter SP? Wir haben den 22-jährigen Adil Koller auf der Minigolfanlage auf die Probe gestellt.

Adil Koller probierte sich während dem Interview beim Minigolf-Spielen. Rhetorisch traf er dabei besser als mit dem Schläger.

(Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Wie schlagfertig ist der neue Präsident der Baselbieter SP? Wir haben den 22-jährigen Adil Koller auf der Minigolfanlage auf die Probe gestellt.

Wir treffen uns am Mittelpunkt von Adil Kollers bisherigem Leben, auf dem Minigolfplatz in der Grün 80. Er wuchs in einem Sozialdemokratenblock gleich hinter dem Park auf, ging in den kleinen Kindergarten an der Tramhaltestelle Neue Welt, in die Primarschule nebenan, später aufs angrenzende Gymnasium. Auch seine heutige WG liegt ganz in der Nähe.

22 Jahre ist Koller alt und weit weg vom 18-Loch-Platz in Münchenstein hat ihn das Leben noch nicht geführt – zumindest geographisch. Am Samstag wählten ihn die SP-Delegierten zum alleinigen Präsidenten. Bisher führte der Soziologie- und Wirtschaftsstudent die Partei im Co-Präsidium zusammen mit der 63-jährigen Landrätin Regula Meschberger. 

Jetzt ist auch sie weg. Koller muss die abgewirtschaftete Partei alleine zurück auf die Spur bringen. Die Baselbieter Sozialdemokraten setzen ein Jahr nach dem Verlust ihres Sitzes im Regierungsrat alles auf eine Karte: jung, unerschrocken, unversöhnlich.

Pink ist nicht rot genug: Adil Koller wechselt den Ball, bevor er anfängt. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Koller will in seiner Jugend nicht allzu viel Zeit auf der Minigolfanlage verbracht haben. Sagt er zumindest. Seine Schlagfertigkeit in Interviews sagt etwas anderes. Koller weiss, wo sich das Loch befindet. Noch nicht beantwortet ist, ob er seine Schläge auch richtig dosieren kann. Ob er weiss, wann er abziehen, wann sich taktisch annähern muss. Bislang hat Adil Koller vor allem draufgehalten.

Wir bitten Koller, das Interview zu seinem Amtsantritt während einer Partie Minigolf zu führen. Er ist skeptisch, wechselt dann als Erstes den Ball aus. Pink ist ihm nicht rot genug. Ist jede seiner Antworten ein Treffer? Wann verlässt Koller die Bahn? Wo muss er nochmals ansetzen?

Ein Gespräch von Loch 1 bis 18.

Adil Koller, erklären Sie uns möglichst in einem Schlag: Wie wollen Sie die SP auf Erfolgskurs trimmen?

Mit einer klaren, verständlichen Politik und deutlichen Positionen.

Zweiter Schlag: mit welchen Positionen?

Mit dem Schwerpunktprogramm «Zukunft statt Abbau» zeigen wir klare Alternativen zur Abbaupolitik beim öffentlichen Verkehr, in der Bildung, beim Staatspersonal. Wir glauben nicht, dass es sinnvoll ist, überall abzubauen und zu kürzen. Das schadet der Bevölkerung.

Wie wollen Sie diese Politik in die Köpfe der Bevölkerung bringen?

So wie ich es im vergangenen Jahr als Co-Präsident gemacht habe. Ich habe versucht, so zu reden, dass es die Leute verstehen. Daran hat die SP in den letzten Jahren gekrankt. Man hat nicht so geredet, dass man es versteht, man meldete sich zu wenig zu Wort, war zu wenig offensiv. Das ist das, was unter anderem die junge Generation in der SP kann. Und das ist das, was ich weiter in die SP einbringen möchte.

Sagen wir: Frage in drei Anläufen versenkt. Gehen wir zum nächsten Loch. Was ist Ihr Ziel als SP-Präsident?

Zielen Sie damit auf die Frage, ob wir wieder in die Regierung wollen?

Zum Beispiel.

Wichtig ist, dass wir mitgestalten können. Wenn das in der Regierung geht, ist das gut. Das Viertel der Bevölkerung, der SP wählt, hat es auch verdient, in der Regierung vertreten zu sein. Aber es ist nicht unser einziges Ziel, wieder in die Regierung zu kommen.

Woran wollen Sie sich messen lassen?

Am Erfolg bei Volksabstimmungen, die wir mit Referenden und Initiativen lancieren. Der einzige Messpunkt den wir in dieser Hinsicht hatten, haben wir mit 61 Prozent gewonnen.

Sie gründen Ihre Politik auf dem einmaligen Erfolg bei der Elba-Abstimmung, der vermutlich wenig mit dem SP-Engagement zu tun hatte.

Die SP hat ja das Referendum ergriffen. Elba war nicht irgendein Projekt, das die Regierung mal so machen wollte. Die Regierung hat sich katastrophal verschätzt und wir haben einen historischen Sieg errungen. Kaum ein Strassenbauprojekt wurde derart abgeschmettert. So, jetzt will ich aber schlagen.

Koller schlägt, der Ball landet neben der Bahn.

Hoppla, das war etwas zu fest.

Jetzt sagen Sie sicher: symbolisch. Der junge Parteipräsident hat zu viel gewollt, landet aber im Abseits (lacht).

Haben Sie sich mit den lauten Tönen Ihrer Oppositionspolitik bereits ins Abseits befördert?

Manche sagen, es sei zu viel Opposition, andere finden, es sei zu wenig. Ich finde, wir liegen mit unserem Kurs genau richtig. Mit dem Programm «Zukunft statt Abbau» haben wir etwas vom Schärfsten vorgelegt, was die SP in den letzten zehn Jahren gemacht hat. Die Rechten haben es alle gelesen. Der Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser zitiert es, wenn er irgendetwas schreibt und spricht über die unsägliche linke Oppositionspolitik. Offensichtlich haben wir also wunde Punkte getroffen.

Reicht es, nur laut zu sein?

Wir haben auch politisch etwas bewirkt. Zum Beispiel in der Wohnungsbaupolitik. Wir haben alle Vorstösse durchgebracht, die zahlbaren Wohnraum fordern. Es soll mehr genossenschaftlichen Wohnraum geben. Bei dieser Abstimmung haben einige Rechtskonservative im Landrat geschlafen oder sind früher nach Hause gegangen. Deshalb konnten wir gewinnen. In vielen anderen Fragen konnten wir nicht gewinnen, weil die Rechten eine Mehrheit im Landrat haben. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung weiss, dass es eine Alternative gibt. Und deshalb müssen wir auch laut sein.

Koller schlägt an der Bahn vier, die eine Kurve nimmt. Der Ball bleibt an den Steinen am rechten Rand hängen.

Sie können den rechten Rand offensichtlich nicht überwinden.

Das war jetzt vielleicht noch die alte SP (lacht).

Die SP spielte während der Budgetdebatte Jenga.

Damit haben wir symbolisiert, was die Rechte mit dem Abbau tut. Umverteilen von unten nach oben. Wir haben aber vor allem Anträge gestellt, sie begründet – und die andere Seite schwieg und drückte auf ihre Knöpfchen. Das ist Machtarroganz. Das ist das, was isoliert. Nett sein zu ihnen, bringt nichts. Sie sind dann deshalb nicht netter.

Allianzen schmieden heisst auch, Bürgerliche bei bestimmten Anliegen ins Boot zu holen. Das tut die SP aber nicht.

Seit es die bürgerliche Mitte nicht mehr gibt, geht das nicht. Wir stellten auch pragmatische Anträge, zum Beispiel, zusätzliche Steuerinspektoren einzusetzen, um die Einnahmen zu erhöhen ohne die Steuern zu erhöhen – ein simpler Vorschlag. Er wurde kommentarlos abgeschmettert. Es sind nicht wir, die kompromisslos agieren.

Indem Sie Stellung beziehen, machen Sie auch mehr daraus.

Wir haben Stellung bezogen, wenn Journalisten anfragten. Aber wir haben kein Communiqué herausgegeben. Wir haben auch keine Vorstösse lanciert, wie es andere Parteien taten. Wir klärten bei der Bildungsdirektion ab, was bereits besteht. Es gibt bereits einen Leitfaden für interkulturelle Konflikte an Schulen. Die Empörungsbewirtschaftung von rechts ist verlogen. Es gibt alles schon. Regierungsrätin Monica Gschwind wusste das einfach nicht. Sie gab ein Gutachten in Auftrag, statt selbst Klartext zu reden. Damit wäre die Sache eigentlich erledigt gewesen. Man muss nicht zwei Wochen lang Doppelseiten in den Printmedien füllen.

Jetzt instrumentalisieren Sie den Fall, um Monica Gschwind zu kritisieren.

Der Fall zeigt exemplarisch, wie Gschwind Politik macht. Als es darum ging, das Amt des Kulturbeauftragten neu zu besetzen, stellte sie lieber als Erstes eine Mediensprecherin ein. Überall will sie sich als Erstes absichern lassen statt zu agieren. Das ist nicht die Art, wie man regieren sollte.

Vier von 21 SP-Landräten sind jünger als 50. Liegt es am Alter, dass der Landratsfraktion der Schwung fehlt?

Die Qualität der Politiker misst sich nicht am Alter. Sie hängt von den Personen und Persönlichkeiten ab. Letztlich sind es die nackten Zahlen, die unsere Wirkung beschränken. Und diese wurden am 8. Februar 2015 für die nächsten vier Jahre festgeschrieben. Das ist unser Problem.

Sie sind der Vorzeigejunge, weil alle anderen alt sind.

Schauen Sie die Juso an, sie hat mehr Mitglieder als die Grünliberalen. Samira Marti ist zweite Nachrückende für den Nationalrat. Die 33-jährige Mirjam Locher ist Fraktionschefin, Diego Stoll mit einem Glanzresultat in den Landrat gewählt worden. Die Jungen haben starke Resultate eingefahren bei den letzten Wahlen. Andere Parteien haben gar keine Jungen.

«Ich würde im Landrat aufzeigen, wie schamlos die Regierung ihre Prioritäten setzt.»

Wann werden Sie den Landrat nicht mehr nur von der Tribüne aus kennen?

Da müssen Sie eher Hanni Huggel fragen. Wir haben eine Vereinbarung. Sobald sie geht, rücke ich natürlich für sie nach. Aber wann sie geht, entscheidet sie alleine und das ist auch gut so.

Wie wollen Sie den Landrat aufmischen?

Ich bin nicht im Landrat. Auf hypothetische Fragen kann ich keine Hole-in-One-Antwort geben.

Auf dieser Bahn – es ist die letzte – zählt nur ein Hole-in-One.

Gut, ich würde weiter konsequent die Gegensätze zwischen den Rechtskonservativen und uns herausarbeiten. Aufzeigen, wie schamlos die Regierung ihre Prioritäten setzt, etwa nur auf die Strasse setzt statt auf den ÖV. Ich würde zeigen, dass Sparen in Wirklichkeit Abbau heisst.

Beck (am Schläger) scheitert wie Koller kläglich am Tunnelloch, Schulthess schaffts im ersten Anlauf: Politiker-Interview unter erschwerten Bedingungen. (Bild: ALEXANDER PREOBRAJENSKI)

Adil Koller (22) studiert Wirtschaft und Soziologie an der Universität Basel. Seit April 2014 leitete er die SP Baselland im Co-Präsidium zusammen mit der Landrätin Regula Meschberger (63). Zuvor war Koller Vizepräsident und im Vorstand der Juso Baselland, der er 2008 beitrat. Sein leiblicher Vater ist Pakistani, Koller wuchs bei seiner Mutter in Münchenstein auf.

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