Alexandra Dill: «Der Job in der Markthalle ist wie mein viertes Kind»

Alexandra Dill haucht der Markthalle mit ihrem unerdmüdlichen Engagement neues Leben ein. Im Interview verrät die 35-Jährige, wo sie die Markthalle hinführen möchte, warum Barbara Buser eine Inspiration für sie ist und wieso ihr Grossratsmandat derzeit zu kurz kommt.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Alexandra Dill haucht der Markthalle mit ihrem unerdmüdlichen Engagement neues Leben ein. Im Interview verrät die 35-Jährige, wo sie die Markthalle hinführen möchte, warum Barbara Buser eine Inspiration für sie ist und wieso ihr Grossratsmandat derzeit zu kurz kommt.

Geschäftsführerin der Markthalle, Mutter von drei kleinen Kindern und SP-Grossrätin – der Alltag von Alexandra Dill ist hektisch. Doch anmerken lässt sich die 35-Jährige nichts, im Gegenteil: Wann immer man Dill antrifft, ist sie entspannt und locker. Ein Gespräch.

Alexandra Dill, die Markthalle scheint rund vier Jahre nach ihrer Eröffnung zu florieren. Täuscht der Eindruck?

Es läuft sehr gut. Es ist aber nicht so, dass wir schon glücklich mit dem Erreichten sind oder unser Ziel erreicht hätten. Vielmehr sind wir erst am Anfang. Es ist jedoch viel passiert seit der Eröffnung am 15. Oktober 2013. Damals hatten wir einfach ein paar Tische aufgestellt, es gab in der Mitte der Halle ein paar Essensstände. Mittlerweile sind es 29 und sieben Geschäfte. Das ist eine schöne Entwicklung.

Offensichtlich haben Sie mit einem simplen Konzept den Nerv der Zeit getroffen.

Die Foodstände haben von Anfang an gut funktioniert, weil es rundherum viele Arbeitsplätze gibt. Die Leute sind also vom ersten Tag an hierher geströmt – deshalb kamen auch immer mehr neue Stände dazu. Für uns war immer klar, dass wir auch das Thema Lebensmittelproduktion und Frischwaren bei uns ansiedeln möchten – und das war alles andere als einfach.

Wieso?

Da wir am Anfang nur einen Vierjahres-Mietvertrag hatten, konnten wir auch nur kurzfristige Verträge anbieten – für Investitionen absolut risikoreich. Wer einen Laden oder gar eine Produktionsstätte aufbaut, braucht eine längere Perspektive. Deshalb war für uns schnell mal klar, dass wir einen längerfristigen Mietvertrag brauchen und dies nur mit einem Vermieterwechsel gelingen kann. Wir gingen auf die Edith Maryon AG zu, eine hundertprozentige Tochter der Edith Maryon Stiftung, der es ein Anliegen ist, Liegenschaften der Spekulation zu entziehen.

Mit Erfolg. Seit knapp einem Jahr befindet sich die Markthalle nicht mehr im Besitz der Credit Suisse, sondern gehört der Edith Maryon AG. Der Druck auf Sie dürfte wohl kleiner geworden sein.

Wir arbeiten wunderbar produktiv zusammen. Es ist ein Geben und Nehmen, uns sind dieselben Werte wichtig, und wir ziehen am selben Strick. Die Edith Maryon AG hat aber kein verbrieftes Mitspracherecht bei uns, wir auch nicht bei ihr. Wir werden auch nicht von der Stiftung subventioniert. Wir müssen eine Staffelmiete bezahlen. Deshalb müssen wir wachsen. Das ist schon ein stressiges Gefühl, zumal wir hinter den Kulissen mittlerweile 50 Mitarbeitende respektive 20 Vollzeitstellen haben.

Ist das ein Grund, weshalb die Miete für die Essensstände bis zu 4000 Franken im Monat kosten können? Das ist ziemlich viel, wenn man bedenkt, dass die Stände ja nicht so gross sind.

Die Stände nutzen ja nicht nur die Standfläche, sondern auch die riesige Restaurationsfläche für ihre Gäste. Dafür bezahlen sie keine zusätzliche Miete. Und sie müssen keine Tische und Stühle anschaffen, aufstellen, flicken und reinigen. Auch keine Toiletten und kein Geschirr – das erledigen wir mit unserem Team für sie. Zudem organisieren wir ein reichhaltiges Veranstaltungsprogramm und machen Werbung. Standbetreibende erhalten einen umfassenden Service und können sich dadurch voll auf ihre Küche konzentrieren. Die finanziellen Lasten versuchen wir möglichst fair auf alle Schultern zu verteilen.

Was für Feedbacks erhalten Sie von den Mietern?

Die Feedbacks der Standbetreiber sind relativ gut – der Mittag hat sich hervorragend etabliert. Ich denke, die Essensstände sind auch der einfachere Teil als der Warenverkauf oder die Produktion. Trotzdem würde ich mal behaupten: Wirklich reich wird niemand mit den Essensständen, aber so ist das nun mal in der Gastronomie.

Und Sie selber werden auch nicht reich mit der Markthalle?  

Wir auch nicht, nein (lacht).

Schreibt die Markthalle denn noch Verluste?

Wir haben viel investiert und schreiben jetzt langsam schwarze Zahlen. Wir hoffen, dass wir unsere Investitionen mit der Zeit zurückzahlen können.

Wie und wo soll die Markthalle denn noch wachsen?

Anfangs hatten wir nur über Mittag offen, nun gilt das auch fünfmal die Woche abends. Am Dienstag und Mittwoch sind aber erst wenige Foodstände da. Es gibt noch Luft nach oben. Unser Ziel ist es, sechs- oder siebenmal in der Woche abends Vollbetrieb zu haben. Wir wollen, dass man in der Markthalle auch Lebensmittel einkauft und täglich ein regionales Vollsortiment findet. Und dass noch mehr Lebensmittel gleich vor Ort produziert werden. Viel Potenzial sehen wir deshalb bei der Vermietung der Lokale, auch wenn seit der neuen Eigentümerschaft der Markthalle diesbezüglich einiges passiert ist. So gibt es seit Kurzem eine Käserei bei uns – und eine Bäckerei wird momentan gerade eingebaut. Was uns noch fehlt, ist ein Fleisch- und Fischsortiment. Wir hoffen, dass sich in diesem Bereich noch etwas tut, zumal wir gerade Flächen dafür schaffen. Grandios wäre es, wenn noch viel mehr der in der Markthalle verkauften Gerichte auch mit Waren gekocht würden, die in der Markthalle produziert oder verkauft werden. Wenn alle Stände das Gemüse in unserem Hofladen beziehen würden, Teig in der Markthallen-Bäckerei, Käse aus unserer Käserei und Fleisch und Fisch von den Anbietern unseres Juramarktes. Dadurch könnten wir uns gegenseitig stärken und die Qualität weiter erhöhen. Das Ganze würde noch lokaler funktionieren. Wie früher.

Stehen sonstige Umbauten in der Markthalle an?

Im Sommer wird der grosse Raum, der bisher als Lager genutzt wurde, umgebaut. Hier entstehen Shop-Einbauten und Produktionsstätten. Ende Juni werden auch die Essensstände neu platziert – statt wie bisher zwei werden es neu vier Blöcke sein. Mit der Terrasse an der Markthallenkreuzung haben wir die Aussensitzplätze erweitern können, nun sollen sie noch hübscher werden. Überhaupt gibt es bei der Aufenthaltsqualität noch einiges zu tun. So sind weitere Verbesserungen bei der Lüftung geplant. Und irgendwann würden wir auch gerne dreidimensionaler werden und in die Höhe wachsen. Denn dadurch würden das Markttreiben und die imposante Kuppel noch besser erlebbar werden.

Im September wird im Kleinbasel mit Klara ein neue Markthalle eröffnet. Auch dort sind Sie involviert. Wie kam es dazu?

«Denkstatt» hat eine Anfrage von Immobilien Basel-Stadt erhalten. Aber auch wenn wir im Kleinbasel noch so gerne ein neues Projekt aufgleisen wollen: Es ist noch viel zu früh dafür, zumal wir hier erst am Anfang stehen. Das wäre, wie wenn man drei Monate nach der Geburt wieder schwanger würde. Deshalb haben wir eine neue Firma mit neuen Kräften mitgegründet, unter anderem mit den Leuten vom Hinterhof. Die Markthalle ist an der neuen Firma beteiligt und unser Gründungsmitglied Valentin Ismail setzt seine Energie und sein Know-how jetzt in der Klara ein.

Haben Sie nicht das Gefühl, dass die Klara die Markthalle konkurrenzieren könnte?

Das war ein Thema, ja. Aber vor Konkurrenz darf man sich nicht fürchten, denn sie befruchtet ungemein. Vielmehr wollten wir uns bei der Markthalle Klara involvieren und die Entwicklungen mitgestalten. Es soll nicht dasselbe werden – einfach im Kleinbasel. Es muss etwas anderes werden. Allein schon die Ausgangslage ist eine ganz andere bei der Klara: Wenn man von Anfang an weiss, dass man zehn Jahre Zeit hat, kann man richtig professionell an die Sache rangehen – und zum Beispiel Lüftungen und Küchen fest einbauen. Auch die Kreditsuche ist einfacher.

Und wie sieht das Konzept für die Klara konkret aus?

Die Klara wird noch gastronomischer ausgerichtet sein als die Markthalle. Geplant sind acht Essensstände und eine Bar.

Gibt es auch Stände, die von der Markthalle wegziehen möchten?

Für die Klara läuft ein Bewerbungsprozess, für den sich auch Stände aus der Markthalle interessiert haben – als zweites Standbein. Wir wollen in der Klara eigentlich nicht noch einmal die gleichen Angebote. Aber wenn wir mit den Partnern hier gute Erfahrungen gemacht haben, wieso sollten sie nicht auch dort eine Chance erhalten? Wir wollen ja nicht alles bei uns monopolisieren, sondern vielmehr eine urbane Entwicklung vorantreiben. Dann ist es uns recht, wenn etwas Ähnliches im Kleinbasel geschieht.

Die Idee für die Bespielung der Markthalle als Markt stammt unter anderem von Ihnen und der Architektin Barbara Buser. Hat Buser, die Sie von der Zusammenarbeit in der Textilpiazza in Liestal kennen, grossen Einfluss auf Ihre Person?

Ich würde sagen, ja. Sie ist eine unglaubliche Inspiration.

Inwiefern?

Sie ist eine sehr gute Kommunikatorin. Es ist bemerkenswert, wie sie Menschen miteinander vernetzt. Sie hat einen guten Stil, und ich mag die Art, wie sie arbeitet. Sie stellt sich immer die Fragen: Wie kann man es möglichst einfach machen? Wie kann man mit dem arbeiten, was vorhanden ist? Das ist, finde ich, sehr sinnvoll auf allen Ebenen.

Sehen Sie sich als Barbara Buser der jüngeren Generation?

Es wäre mir eine Ehre. Aber ich habe einen anderen Fokus als sie. Sie ist vom Background her Architektin, ich bin Soziologin und Philosophin. Sie ist mehr Macherin, ich mehr Denkerin.

Sie machen ja auch extrem viel – und neuerdings auch Politik. Letzten Herbst kandidierten Sie bei den Grossratswahlen das erste Mal für die SP. Wieso auch noch Politik?

Das hat sich einfach so ergeben. Ich wurde von der Wahlkampfleitung angefragt, ob ich kandidieren wolle. Ich war vorher nicht Mitglied der SP. Aber ich dachte: Wieso nicht? Ich finde die SP schliesslich super. Zudem wollte ich mich auch noch gesellschaftlich engagieren – also kandidierte ich. In erster Linie, um die SP im Wahlkampf zu unterstützen. Ich habe nie damit gerechnet, dass ich so gut abschneiden würde.

Ihr Resultat war in der Tat bemerkenswert. Sie wurden Erstnachrückende und sitzen seit Legislaturbeginn im Februar anstelle von Daniel Goepfert im Grossen Rat.

Keine Ahnung, weshalb ich ein solches Resultat erzielte, zumal ich weder in Basel zur Schule gegangen, noch Mitglied einer Clique oder dergleichen bin. Ich bin wie eine Jungfrau zum Kind gekommen und sitze nun ohne viel politische Vorbildung im Grossen Rat. Das Ganze ist surreal für mich. Kommt hinzu, dass ich in der ersten Grossratssitzung noch im Mutterschaftsurlaub war.

Und Ihr Baby haben Sie zum Stillen in den Grossen Rat mitgenommen.

Ja (lacht). Seit Kurzem arbeite ich auch wieder voll. Ich fühle mich gerade etwas überrumpelt und habe noch gar keine Zeit gefunden, mich in die Politik einzuarbeiten.

Sie haben wohl deshalb auch noch keine Vorstösse eingereicht.

Genau. Das mache ich lieber, wenn ich wieder mehr Ruhe habe. Ich habe es nicht eilig damit. Ich lasse mir lieber Zeit, dafür wirds fundiert.

Wo wollen Sie denn Ihre Schwerpunkte setzen?

Stadtentwicklung, öffentlicher Raum und Kultur interessieren mich sehr. Ebenso die Themen Sozialpolitik, offene Gesellschaft, Elternschaft. Es ist mir ein grosses Anliegen, dass Väter und Mütter bei der Kinderbetreuung die gleichen Möglichkeiten und Rechte haben. Das ist auch etwas, das mir privat sehr wichtig ist – mein Mann und ich leben das sehr. So macht er derzeit einen unbezahlten Vaterschaftsurlaub von zwei Monaten. Das haben wir uns so eingerichtet. Aber eigentlich muss jedes Kind das Recht haben, von beiden Eltern betreut zu werden, insbesondere wenn es noch ganz jung ist. Ich finde es wichtig für die Entwicklung des Kindes und auch für die Gleichstellung der Geschlechter. Ein weiteres meiner Anliegen ist die Bekämpfung der häuslichen Gewalt. Immer wenn es um dieses Thema geht, berührt es mich sehr.

Wo sehen Sie in Basel noch Verbesserungspotenzial?

Bei der Nutzung des öffentlichen Raumes: Hier dürften wir noch liberaler werden. Es müsste einfacher werden, auf Plätzen temporäre Sachen zu veranstalten – kulturelle Projekte und Initiativen mehr in den öffentllichen Raum zu tragen. Es ist nicht sehr niederschwellig, wie wir Kultur in dieser Stadt einflechten. Oft sperren wir sie in klobige Bauten, bei denen man den Eingang nicht findet und erstmal zur Kasse gebeten wird.

Hört man sich in Ihrer Partei um, heisst es, dass man Sie nicht politisch einordnen könne, da man Sie noch zu wenig kenne. Zählen Sie sich selber eher zum linken oder zum moderaten Flügel der SP?

Ich weiss nicht so recht. In sozialpolitischen Fragen bin ich sehr links. Andererseits bin ich auch Arbeitgeberin und Unternehmerin. Ich finde, dass der Arbeitnehmerschutz sehr stark ausgebaut ist. Bei grossen Firmen, die weltweit agieren, ist das auch völlig sinnvoll. Bei Start-ups und KMUs kann dies hinderlich sein. Hier bin ich eher auf der moderaten Seite.

Sie sind eine Macherin. Ist Politik nicht frustrierend für Sie, weil alles so langsam vorwärts geht?

Manchmal staune ich, wie aktuell die Themen im Grossen Rat sind, beispielsweise bei Interpellationen. Ich habe mir das Ganze noch langsamer vorgestellt. Zudem habe ich mit dem Job in der Markthalle den idealen Ausgleich. Hier kann ich machen – und im Grossen Rat schwatzen.

Sie scheinen Ihren Job in der Markthalle zu lieben.

In der Tat! Es ist Selbstverwirklichung pur – mein Herzblut. Der Job ist wie mein viertes Kind. Ich habe ihn mir auch selbst geschaffen.

Apropos Kind – eine Frage, die man einem Mann nicht stellen würde, sich bei Ihrem Engagement aber aufdrängt: Wie schaffen Sie all das mit drei kleinen Kindern?

Ich habe einen Mann, der extrem viel macht. Er ist ein leidenschaftlicher Vater. Wir funktionieren sehr gut und auf Augenhöhe miteinander – auch bei der Arbeit reissen wir gerne Dinge miteinander an und ergänzen uns gut. Gregor macht gleich viel im Haushalt wie ich. Ich sehe keinen Grund, wieso eine Frau die Geschirrmaschine mehr ein- oder ausräumen muss. Bei uns ist alles gleich verteilt. Zudem nehme ich meine Kinder gerne mit in die Markthalle. Ich bin nicht der Ansicht, dass sie immer ein Extraprogramm haben müssen. Vielmehr sind sie Teil von mir, ich will Ihnen eine Inspiration sein und Nähe geben – also habe ich sie auch gerne mit dabei. Und ich glaube, wenn man sich bei der Arbeit verwirklichen kann und seine Gestaltungsmöglichkeiten hat, dann hat man viel Energie.

Und das haben Sie?

Ja, unendlich viel. Natürlich bin ich abends total erschöpft und rufe auch ab und zu aus, wie anstrengend es sei, drei so kleine Kinder zu haben. Aber dann ist es raus. Ausserdem haben wir ein Stück Land in Pratteln – dort kann ich Gemüse anbauen, Tannenbäume anpflanzen und die Kinder können sich dort richtig austoben. Das ist auch Gestaltungsraum.

Alexandra Dill (35) ist in Seltisberg aufgewachsen und hat an den Universitäten Basel und Heidelberg Medienwissenschaften, Soziologie und Philosophie studiert. Seit 2013 ist sie Geschäftsführerin und Verwaltungsrätin der Markthallen AG. Bis Mai 2016 war sie zudem Museumsleiterin des Sportmuseums Schweiz, wo sie heute als Stiftungsrätin amtet. Seit Februar sitzt Dill für die SP im Grossen Rat und ist Mitglied der Bau- und Raumplanungs- und Disziplinarkommission. Sie ist mit Gregor Dill verheiratet und hat mit ihm drei kleine Söhne (0, 2 und 4) sowie drei Stiefkinder (11,13 und 16). Die Familie lebt in der St. Johanns-Vorstadt.

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