«Als Europäer muss man auf vieles verzichten»

Der Basler Archäologe Bernhard Kolb hat jahrelang in der jordanischen Wüstenstadt Petra gegraben.

Der Basler Archäologe Bernhard Kolb grub in der in der jordanischen Wüstenstadt Petra einen nabatäischen Palast aus. (Bild: DANISH SIDDIQUI)

Der Basler Archäologe Bernhard Kolb hat jahrelang in der jordanischen Wüstenstadt Petra gegraben.

Bernhard Kolb legte mit seinem Team in Petra einen nabatäischen Palast frei; jetzt arbeitet er in Basel an der wissenschaftlichen Auswertung und Publikation der Resultate – Fernziel ist die Habilitation.

Agatha Christie war da und hat Petra in einem Krimi verewigt, und auch Indiana Jones ist durch die rote Wüstenstadt geritten. Ist es für einen Schweizer Archäologen nicht speziell, an einem solchen Ort zu arbeiten?

Doch, natürlich ist es das. Als Europäer muss man auf vieles verzichten, sei das nun im Alltag oder in der archäologischen Arbeit. Unsere Bequemlichkeit wird auf eine harte Probe gestellt – aber es tut gut! Und was Indiana Jones betrifft, so dürfte klar sein, dass das mit der Archäologen­realität nichts zu tun hat.

Wie sieht die Archäologenrealität in Petra denn aus?

Die ganze Grabungsequipe wohnt in einem sehr einfachen Haus, in kleinen Zimmern, dem ehemaligen Hotel übrigens, das Agatha Christie in ihrem Krimi erwähnt hat. Warmes Wasser gibts nur, wenn der Generator läuft. In den ersten Jahren musste man zum Telefonieren eine halbe Stunde ins Dorf fahren, heute, mit den kabellosen Verbindungen, ist das besser. Aber noch immer gilt: Was man in der Schweiz vergessen hat – Toner, Batterien, Papier – kann man nicht einfach kaufen gehen.

Und das Klima?

Die Arbeit draussen ist für uns Schreibtischtäter jedes Mal eine harte Umstellung: die Hitze am Tag, die Kälte in der Nacht. Dann gibts Sandstürme und heftige Gewitterregen. Da die Felsen nackt sind, bilden sich innert weniger Minuten reissende Bäche und Flüsse. Das sind sehr eindrückliche und bisweilen gefährliche Naturerlebnisse. Aber gerade die Nähe und Intensität der Natur hat etwas sehr Schönes, Archaisches.

Haben Sie Arabisch gelernt?

Ein wenig, für den Kontakt mit den einheimischen Beduinen reicht es. Wobei zu sagen ist, dass diese ausserordentlich sprachgewandt sind. Sie müssen ja mit Touristen aus aller Welt kommunizieren, denen sie Pferde oder Kamele vermieten und Souvenirs verkaufen. Neuerdings organisieren sie sogar mehrtägige Trekkings in die Felswüste rund um Petra.

Was haben Sie und Ihr Team in Petra erforscht?

Einen nabatäischen Palast, also das private Wohnhaus einer sehr vermögenden Familie, die im ersten Jahrhundert nach Christus lebte. Das Spannende daran war die Architektur. Besonders die luxuriöse Ausstattung der Innenräume, von der in der Ausstellung im Antikenmuseum einiges zu sehen sein wird, zeigt Einflüsse aus Ägypten und Griechenland.

Sie scheinen die Nabatäer zu bewundern!

Man muss wissen, dass die Nabatäer jahrhundertelang als Nomaden herumzogen und dann eines Tages beschlossen, mitten in der Felswüste eine Stadt zu bauen. Für die Architektur haben sie Elemente aus den umgebenden Kulturen übernommen, daraus aber etwas ganz Eigenes geschaffen. Ich finde das eine ausserordentliche Kulturleistung! Auch in der Töpferei sind sie neue Wege gegangen und haben so dünnwandiges Geschirr produziert, wie es sonst kaum bekannt ist.

Ist Scheich Ibrahim, der Entdecker Petras aus Basel, bei den Einheimischen ein Begriff?

Und wie! Er ist fast ein Lokalheld, aber nicht nur in Petra, auch in Amman, bei den Leuten, die mit dem Tourismus oder der Archäologie zu tun haben. Man rechnet ihm hoch an, dass er fliessend Arabisch sprach, sich wie ein Einheimischer kleidete, einen wallenden Bart trug und den Koran kannte – sich also bemühte, nicht wie ein Fremder aufzutreten. Dass er ein Schweizer war, weiss hingegen kaum jemand, aber das ist ja auch nicht so wichtig.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 12.10.12

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