«Am Shift Festival werde ich festhalten»

Sabine Himmelsbach, die neue Leiterin des Hauses für elektronische Künste, startet trotz schiefem Hausfrieden optimistisch in ihren neuen Job.

Auf Tuchfühlung mit der hiesigen Kultur: Die Neu-Baslerin Sabine Himmelsbach. (Bild: Michael Würtenberg)

Am 1. März hat Sabine Himmelsbach ihren ersten offiziellen Arbeitstag als künstlerische Leiterin des Hauses für elektronische Künste (HeK) hinter sich gebracht. Im Einsatz ist sie jedoch bereits seit Februar, denn es gibt viel zu tun. Weil kommende Woche die erste Ausstellung des Jahres eröffnet wird, aber auch, weil im Haus in den letzten Monaten viel Unruhe herrschte. Ein Gespräch über Absichten und Hoffnungen.

Im September wurde bekannt, dass Sie ans Haus für elektronische Künste wechseln. Seither hat der Kurator das Haus verlassen und ein Teil des Shift-Festival-Teams seinen Rücktritt bekanntgegeben. Fangen Sie mit einem guten Gefühl an?

Mit einem sehr positiven Gefühl. Das Haus soll ein Kompetenzzentrum für Medienkunst in der Schweiz werden, und ich empfinde es als grossartige Chance, diese Entwicklung mitgestalten zu können. Dazu gehört vieles: das Jahresprogramm, die Vermittlungsarbeit, der Aufbau einer Sammlung und natürlich das Shift-Festival. Es tat mir sehr leid, dass das Team zurückgetreten ist. Mir wurde aber kommuniziert, dass bei einigen noch Bereitschaft vorhanden ist, weiterzumachen. Ich werde darum jetzt mit allen nochmals Gespräche führen.

Das nächste Shift-Festival findet nicht wie gewohnt im Herbst, sondern im Mai 2013 statt …

Diese Verschiebung hat verschiedene Gründe. Das Team hat schon im Herbst an mich herangetragen, dass der Oktober kein guter Zeitpunkt ist, weil viele Musiker dann ausgebucht sind und man manche Topacts gar nicht bekommt. Es gibt aber auch pragmatische Gründe, etwa die extrem hohen Heizkosten für die Hallen.

Am Festival aber halten Sie fest?

Ja, selbstverständlich.

Soll es weiter jährlich stattfinden?

Wir müssen sehen, was die finanzielle Lage zulässt. Es ist in der Tat schwierig, ein Jahresprogramm plus ein jährliches Festival auf die Beine zu stellen. Doch ich sehe es auch als meine Aufgabe an, zusätzliche Drittmittel aufzutreiben. Da sind sicher noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Das Shift-Festival hat immer auch über die Grenzen eines «Medien­kunst-Ghettos» hinausgeblickt. Soll das so bleiben?

Absolut. Ein Festival ist gerade deshalb wichtig, weil es das Mehrspartenprogramm der Medienkunst auch transparent macht.

Seit das HeK existiert, also seit ­Januar 2011, war das Programm unter dem Jahr mager bestückt. Wie geht es weiter?

Das HeK ist mehr als nur das Shift-­Festival. Ich finde es wichtig, dass das Haus ein Ort ist, an dem permanent etwas passiert. Seien das Ausstellungen, Vermittlungsangebote oder eine Veranstaltungsreihe, die ans Shift andockt, vor allem im Musikbereich. Ein Format, das regelmässig stattfindet und den Funken lebendig hält. Ich möchte auch gerne Neuproduktionen in Auftrag geben und so neue Akzente setzen.

Wird das HeK auch aus seinen vier Wänden ausbrechen?

Sicher, ich möchte das Dreispitz-Areal bewusst bespielen – die erwähnten Auftragsarbeiten sind ein Beispiel dafür – mit ortsbezogenen Arbeiten, die auch über die Dauer des Festivals hinaus zu sehen sein werden. Einen ersten Ansatz dazu wird die Herbstausstellung mit dem Arbeitstitel «Sensing Place» bieten, in der es um die veränderte Wahrnehmung des urbanen Raums gehen wird, den wir zunehmend vermittelt über unsere mobilen digitalen Medien erfahren.

Was halten Sie denn von der Lage am Dreispitz?

Die periphere Lage ist sicher nicht ganz einfach. Es sind zwar schon interessante Partner vor Ort, aber die grosse Entwicklung des Quartiers wird erst in den kommenden Jahren stattfinden.

Der ehemalige Kurator, Raffael Dörig, hat das Haus Anfang Jahr verlassen. Machen Sie nun alles alleine?

Bislang sind wir ein kleines Team, aber ich habe auch jetzt schon eine grossartige Unterstützung im organisatorischen sowie kuratorischen Bereich. Ich möchte erst mal ein paar Monate lang die Stadt und die Kultur­szene kennenlernen, bevor neue Stellen ausgeschrieben werden. Im ersten Jahr werde ich deshalb eigene inhalt­liche Akzente setzen und mit Gast­kuratoren zusammenarbeiten.

Welche Inhalte interessieren Sie?

Mich interessiert Kunst, die sich mit gesellschaftlichen und medialen Veränderungen beschäftigt; Kunst, die sich auch kritisch in gesellschaftliche Prozesse einmischt und konkret Position bezieht. Dazu gehören auch Projekte, die neue Wahrnehmungserfahrungen bieten und die eine grosse visuelle Kraft besitzen.

Trotzdem ist vieles für manche Leute nicht sehr zugänglich. Wie gehen Sie damit um?

Der Aspekt der Vermittlung ist hier sehr wichtig. Das HeK zieht sicher ein junges Publikum an, weil junge Leute ihre Lebenswelt in den Arbeiten reflektiert finden. Wir möchten aber ein Haus für alle sein, und durch Vermittlungsarbeit – in Führungen und Workshops – können hier sicher Schwellenängste abgebaut werden.

Das HeK soll laut Konzept über Basel hinausstrahlen. Wie soll das gelingen?

Neben der Einbindung der lokalen Szene möchte ich das Haus mit nationalen und internationalen Partnern vernetzen. Bislang ist mein Netzwerk in der Schweiz zwar noch begrenzt, aber das soll und wird sich hoffentlich bald ändern.

Sie wurden neben Ihrer Arbeit beim HeK noch als Expertin für Medienkunst bei der Pro Helvetia eingesetzt. Besteht zwischen den beiden Jobs eine Verbindung?

Nur insofern, dass ich Marianne Burki, die mich dafür angefragt hat, vom HeK her kenne. Sie ist dort Mitglied des Stiftungsrats. Zudem kennt sie meine kuratorische Arbeit seit Jahren. Ich bin sehr froh über diese Chance, weil ich in diesem Gremium viel über die Schweizer Medienkunstszene erfahren und ein gutes Netzwerk ausbilden kann.

  • Vernissage «Collect the WWWorld» am Do, 8.3., 18.30 Uhr. Ausstellung bis 20.5. www.haus-ek.org

    Im September 2011 wurde Sabine Himmelsbach als künstlerische Leiterin des Hauses für elektronische Künste vorgestellt. Sie soll das Haus zu einem nationalen Kompetenzzentrum ausgestalten. Die letzten fünf Jahre leitete Sabine Himmelsbach das Edith-Russ-Haus für Medienkunst in Oldenburg. Frühere Stationen der 45-jährigen Kunsthistorikerin waren das Festival Steirischer Herbst in Graz und das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karslruhe.

     

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.03.12

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