Herr Wehrli, wie steht die Schweiz bezüglich der Digitalisierung da?
Die Schweiz ist grundsätzlich gut aufgestellt. Sie hat beste Voraussetzungen, zu den Gewinnern der Digitalisierung zu gehören. Unser sehr innovatives Land ist bisher aus Zeiten grossen technologischen Wandels immer als Sieger hervorgegangen.
Steht dem auch jetzt nichts im Weg?
Doch. Es besteht eine gewisse Tendenz der Politik, Einzelfallregulierung zu betreiben oder Vorhaben voranzutreiben, die zu protektionistischer Abschottung führen. Das ist – gelinde gesagt – keine gute Entwicklung.
Haben Sie Beispiele dafür?
Ein Beispiel ist die Netzsperre, die man im Geldspielgesetz untergebracht hat – ein Unterfangen, das der Schweizer Wirtschaft nichts bringt und das technisch auf einfache Art und Weise umgangen werden kann. Ein anderes Beispiel ist die Robotersteuer.
Eine Idee, die von Bill Gates, Elon Musk und Stephen Hawking befürwortet wird.
Aber es ist keine gute Idee. Da will man etwas aufhalten, das sowieso kommt – nur macht man das unnötig teurer. Durch diese Verteuerung werden Investitionen in die produktivsten und effizientesten Technologien aufgehalten und man handelt sich Nachteile ein gegenüber der internationalen Konkurrenz. Das Kapital wird ja sowieso schon besteuert. Man muss nicht auch noch die Roboter besteuern, da diese nichts anderes als Kapital sind. Es fangen dann ganz schwierige Diskussionen an: Ist ein Bankautomat schon ein Roboter?
Ist die Lösung, die Sie vertreten: Ja nichts machen, dann kommt es sicher gut? Es ist doch die Aufgabe der Politik, die Sachen so zu lenken, dass es gut kommt für die Menschen und die Volkswirtschaft – egal, wie komplex und neu sie sind.
Sicher soll man nicht nichts machen. Wir glauben immer noch, dass das Wichtigste ist, dass wir die besten Rahmenbedingungen schaffen. Unser gutes Bildungssystem ist so gesehen das beste Sozialsystem. Über 90 Prozent der 25-Jährigen haben einen Abschluss. Die wichtigen Fragen sind: Stellen wir sicher, dass die Leute gut und richtig ausgebildet sind und bleiben? Und stimmt das Angebot der Weiterbildungen – sprich, sorgen wir für ideale Rahmenbedingungen?
Auch das ist einfacher gesagt als getan.
Ja, da haben wir es mit Fragen zu tun wie: Wie schaffen wir es, dass wir in der Grundlagenforschung und im Wissenserwerb weiterhin stark bleiben? Wie schaffen wir es, das Bildungssystem auf die neuen Anforderungen auszurichten?
Sie sprechen die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) an, von denen man derzeit viel hört.
Richtig, und da haben wir ein Manko. Es ist zwar erfreulich, dass mit dem Lehrplan 21 in der obligatorischen Schule «Medien und Informatik» jetzt obligatorisch drin sind. Zudem wurde erst kürzlich beschlossen, dass im Gymnasiums-Stoff neu Informatik obligatorisch ist. Aber sehen Sie: Ich hatte an meinem Gymi schon vor 25 Jahren Informatikkurse. Wir müssten da schon viel weiter sein, es geht einfach zu langsam. Es geht ja nicht unbedingt für jede und jeden um das Programmieren an sich. Aber um Fragen wie: Wie funktioniert ein Algorithmus? Warum sehe ich auf Facebook nur die eine Hälfte der Meinungen? All das ist Wissen, das man heute als mündiger Bürger braucht. Computational Thinking nennt man das oder auf Deutsch informatisches Denken.
Sehen Sie da schwarz, wenn Sie sagen, es gehe zu langsam?
Nein, schwarz nicht gerade, aber wir müssen achtgeben. Wir müssen möglichst viele Angebote in diese Richtung schaffen. Gesamtwirtschaftlich gibt es keinen Grund, schwarzzusehen: Wir können den Bedarf an Fachkräften bisher mehrheitlich abdecken. Dabei half uns auch die Migration. Aber wenn wir mehr über den inländischen Arbeitspool abdecken wollen, müssen wir bei der Bildung in diesem Bereich vorwärtsmachen.
Das wird ja teilweise schon gemacht.
Ja, zum Glück, und es braucht mehr davon. Auch ich beobachte, dass es vorwärtsgeht. So haben zum Beispiel in Zumikon die Kinder im Handarbeits-Unterricht ein Putzroböterli gebaut. Es ist ein Gerät mit Besen dran, das einen Tisch putzt – simpel programmiert, aber effektiv. Und genau so muss man das machen.
Basel Economic Forum 2017 (BEF)
«Niemand weiss wirklich, wie die Arbeitswelt in Zukunft aussehen wird. Sicher ist aber, dass sie sich mit der Digitalisierung massiv verändern wird», schreibt Regula Ruetz, Direktorin von Metrobasel, im Vorwort zum BEF 2017. Das «Wirtschaftsforum für die trinationale Metropolitanregion Basel und die Nordwestschweiz» richtet sich mit Referenten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an Entscheidungsträger und an Interessierte aus der Bevölkerung.
BEF 2017: «Veränderungen in der Arbeitswelt: Digitalisierung, Aging, Fachkräftemangel …»
Freitag, 17. November, Hyperion Hotel, Basel.
Die TagesWoche ist Medienpartnerin des Basel Economic Forum.