«Bossa ist durch und durch brasilianisch!»

Er ist der erfolgreichste Musiker Brasiliens, hat mit dem Bossa-Hit «Mas Que Nada» die Welt erobert und den Easy Listening zur Perfektion gebracht. Heute Abend eröffnet Sergio Mendes das Zeltmusikfestival in Freiburg (D).

Blüht im Alter nochmals auf: Sergio Mendes eröffnet das Zeltmusikfestival in Freiburg. (Bild: zVg)

Sergio Mendes, der Altstar des Easy Listening, eröffnet das Zeltmusikfestival in Freiburg (D). Seit er seine alten Gassenhauer mit Rappern wie Will.i.am neu einspielte, ist der Brasilianer wieder in aller Ohren. Im Interview erinnert er sich zurück an seine Anfänge als Musiker, seine Flucht vor dem Militärregime – und an seine grössten Erfolge.

Er ist der erfolgreichste Musiker Brasiliens, hat mit dem Bossa Nova-Hit «Mas Que Nada» die Welt erobert und mit seiner Band Brasil ’66 das Genre Easy Listening zur Perfektion gebracht. Er spielte mit Frank Sinatra und Tom Jobim, trat für US-Präsidenten und Könige auf. In den Neunzigern entdeckte er in der Wahlheimat L.A. seine afro-brasilianischen Wurzeln, und vor sieben Jahren startete er sein Comeback mit Will.i.am von den Black Eyed Peas. Der 72-jährige Sergio Mendes hat sich immer wieder neu erfunden, jetzt eröffnet er mit dem Sambapop-Programm «Bom Tempo» das Zeltmusikfestival in Freiburg.

Mr. Mendes, wenn man von Ihnen redet, fallen oft Wörter wie Easy Listening oder Cocktail Bar-Musik. Mögen Sie diese Bezeichnungen?

Die Leute haben überall auf der Welt eine vorgefasste Meinung von dem, was du tust und versuchen dir ein Etikett aufzupappen. Musik ist heute so global geworden – Will I Am von den Black Eyed Peas und John Legend singen jetzt meine Songs. Wie willst du das einordnen? Sie nennen das jetzt Samba Hop, aber ich habe mich um Labels nie geschert, sondern immer die Musik gemacht, die ich im Herzen trage. Und die wurde halt auf der ganzen Welt erfolgreich.

Während der Bossa Nova-Zeit haben Sie sich auch immer für amerikanischen Jazz interessiert. Wie stehen Sie zur These, dass Bossa Nova erst durch den Jazz entstehen konnte?

Nein, Bossa ist eine durch und durch brasilianische Eigenheit, hat sich aus dem Samba herausentwickelt. Diese fantastischen Melodien, die ganz besondere Rhythmik, das hat Amerikaner wie Stan Getz und Charlie Byrd verzaubert und sie zu neuen, frischen Sachen inspiriert. Ich bin ein Sonderfall, denn neben Jobim sind meine grossen Idole Bud Powell, Horace Silver, Oscar Peterson gewesen, also gibt es in meiner Musik eine Menge Jazz. Aber wenn man über ein brasilianisches Lied wie über «The Girl From Ipanema» improvisiert, dann muss das noch lange kein Jazz sein.

Sie sind 1964 nach L.A. gegangen und nie wieder nach Brasilien zurückgekehrt – warum haben Sie sich damals fürs Auswandern entschieden?

Im April 1964 gab es in Brasilien den Militärstreich und das Land begann durch eine dunkle Zeit zu gehen. Das machte mir Angst und ich bat einen Freund, der Botschafter war, mir ein paar Flugtickets und ein wenig Geld zu besorgen. Mein Vorhaben war es, in L.A. ein Trio zu gründen. Niemand kannte uns da, wir mussten in den Clubs regelrecht vorspielen. Aber zurück unter die Militärherrschaft wollte ich nicht, ich war schon verheiratet und hatte einen kleinen Sohn. Als ich dann die Sängerin Lani Hall und ein brasilianisches Mädchen in der Stadt traf und merkte wie wunderbar ihre Stimmen zusammenpassten, hatte ich die Idee, von Instrumentalmusik auf Gesang umzusteigen. Zuvor hatte ich eine Band mit zwei Posaunen, und jetzt hatte ich eben zwei Sängerinnen – so einfach ist das! Das war die Geburtsstunde von Brasil ’66.

Dieser Sound mit dem eleganten Chor wurde Ihr Markenzeichen in den Sechzigern, allerdings vor allem mit Coverversionen anglo-amerikanischer Pophits …

Mein grösster Hit war «Mas Que Nada», bis heute die einzige portugiesischsprachige Nummer, die um die Welt ging. Er hat für die Leute die Tür zu diesem Sound geöffnet. Und dann sagte ich mir: Warum soll ich nicht auch englische Titel mit einem brasilianischen Flavour spielen? Diese Rhythmik ist so attraktiv für die Leute, dass auch Bacharachs «The Look Of Love» oder «Fool On The Hill» (Clip unten) von den Beatles damit gespielt werden können. Eine gute Melodie bleibt eine gute Melodie.

Ab den Siebzigern bis in die Neunziger hinein wurden Sie folkloristischer, haben afro-brasilianische Rhythmen aufgegriffen – fühlten Sie, dass Ihre Musik eine neue Verwurzelung nötig hatte?

Meine Neugier war es, die mich dazu gebracht hat, andere Sounds, Texturen, Rhythmen auszuprobieren. Es war für mich damals sehr aufregend, mit viel Percussion zu arbeiten und deshalb habe ich mir Carlinhos Brown aus Bahia geschnappt, mit dem ich «Brasileiro» aufgenommen habe. Und siehe da, das gab einen Grammy. Danach habe ich eine Menge Baião gespielt, Forró, Rhythmen aus Bahia und Pernambuco, die immer unter den Tisch fallen, weil alle nur von Bossa Nova reden. Aber das ist der eigentliche Reichtum der brasilianischen Musik, zu dem man auch tanzen kann – im Gegensatz zur Bossa!

Heute allerdings ist die Bossa Nova ein Stück DJ-Kultur geworden. Auch Sie selbst haben sich mit Ihren neuen CDs Richtung poppige Clubmusik orientiert…

Ich entschloss mich, mit Will.i.am die alten Songs wie «Mas Que Nada» mit Rap und Breakbeats zu servieren, um eine ganz neue Generation dafür gewinnen. Ich sagte mir, der Typ ist sehr jung, von dem kannst du eine Menge lernen. Also genau umgekehrt zu früher, als ich bei Cannonball Adderley in die Schule ging. Jetzt bin ich der alte Mann, der mit einem Kid arbeitet (lacht). Beide Erfahrungen waren und sind wichtig für mich, sind wie zwei Seiten der Medaille auf meinem langen Weg.

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