Christopher Lee hat den Umhang abgegeben

Man kannte ihn als Filmbösewicht, sei es in «Star Wars», «Lord of the Rings» oder als Graf Dracula: Jetzt ist Sir Christopher Lee im Alter von 93 Jahren gestorben. Wir erinnern an seine grosse Karriere – und an sein letztes Gastspiel in der Schweiz, als er das Publikum in Locarno mit einer Verdi-Oper betörte.

Conversation with Sir Christopher Lee - Excellence Award Moët & Chandon. Hosted by Emmanuel Burdeau

(Bild: Massimo Pedrazzini)

Man kannte ihn als Filmbösewicht, sei es in «Star Wars», «Lord of the Rings» oder als Graf Dracula: Jetzt ist Sir Christopher Lee im Alter von 93 Jahren gestorben. Wir erinnern an seine grosse Karriere – und an sein letztes Gastspiel in der Schweiz, als er das Publikum in Locarno mit einer Verdi-Oper betörte.

Er gehörte zu jenen Schauspielern, die dauernd für Filmprojekte angefragt wurden: Christopher Lee. Durch seine Rollen in «Lord of the Rings» und «Hobbit» stand er noch im hohen Alter vor der Kamera – und begeisterte nunmehr vier Generationen Kinofans. Wie passend, dass ihn Prince Charles im Buckingham Palast zum Ritter schlug. Denn ein Ritter unter den Schauspielern war Lee tatsächlich. Höflich. Distinguiert. Ein Brite. Und zugleich ein Nachkomme des alten italienischen Adelsgeschlechts Carandini. 

Von den 300 Filmrollen, in die er schlüpfte, bleibt der Brite primär als Bösewicht in Erinnerung: Sei es als Dracula, als Bond-Gegenspieler Scaramanga oder als Count Dooku (in «Star Wars»). «Der Kampf mit Yoda: Den habe ich geführt – und nicht etwa ein Double!», betonte er vor zwei Jahren in Locarno stolz und schelmisch, als ihm am Filmfestival ein «Excellence Award» verliehen wurde.

Er war eine Licht(schwert)gestalt, auch im hohen Alter. Zwar musste er sich bei seinem letzten grossen Auftritt in der Schweiz auf einem Stock abstützen, zeigte aber dennoch wahre Grösse – und einen wachen Geist. So überraschte er das Piazza-Publikum mit einer Ansprache in lupenreinem Italienisch und betörte mit Anekdoten aus seinem langen Leben als Schauspieler.

  • Der beste Film, an dem er je beteiligt war, war für ihn «The Wicker Man», 1973.
  • Seine wichtigste Rolle: Als pakistanischer Staatsgründer Muhammed Ali «Jinnah». 
  • Sein grösstes Comeback, «Lord of the Rings»: «Ende der 90er-Jahre erhielt ich einen Anruf meines Agenten. Peter Jackson sei in der Stadt, also in London, und würde mich gerne für einen Film casten. In einer Kirche. Ich ging hin und erhielt zwei Seiten, die ich vorlesen sollte. Es war Gandalf. Mein Traum! Ich hatte ‹Lord Of The Rings› schon 1955 gelesen und mir damals gewünscht, dass diese Geschichten verfilmt würden. Also versetzte ich mich in Gandalf und las Peter Jackson vor, obschon ich ahnte, dass ich für diese Rolle zu alt wäre.» Einige Tage später habe er einen Anruf erhalten – und Jackson bot ihm die Rolle von Saruman an. «Ich dachte: Oh. Fantastisch! Eine grossartige Rolle in einem genialen Film!»

«Ich erhielt zwei Seiten, die ich vorlesen sollte. Es war Gandalf. Mein Traum!»

Christopher Lee über die Begegnung mit Peter Jackson.

Lee spielte zu Beginn seiner Karriere mit Leuten wie Boris Karloff zusammen (der als Frankensteins Monster unsterblich wurde). Wie Karloff hat er sich bemüht, nicht für den Rest seines Lebens in die Horror-Schublade gesteckt zu werden. «Wir waren befreundet, Nachbarn in London, liebten beide Comedy.» Nur ein weiterer Kollege, Bela Lugosi, habe leider nicht mehr rausgefunden aus dem Genre. «Ich aber zog eine Zeit lang einen Schlussstrich unter Horrorfilme, um nicht in dieser Nische steckenzubleiben», sagte Lee.

Regisseur Billy Wilder half ihm bei der Flucht aus der Nische. «Er sagte mir, dass ich das Publikum überraschen müsse – und versprach, mir dabei zu helfen, mein Erscheinungsbild zu ändern. Was ihm mit ‹The Private Life of Sherlock Holmes› 1970 gelang. Er lockte mich auch in die USA, wo ich in den 70er-Jahren hinzog. Dort konnte ich meine Liebe fürs Komödiantische ein bisschen stärker ausleben.»

Kompliment von John Belushi

Comedy habe ihn immer besonders gereizt – gerade weil es das schwierigste Genre für einen Schauspieler sei – zumindest im Film. «Im Theater hat man immerhin die Reaktion des Publikums, auf einem Filmset hingegen spielt man ins Blaue hinaus – ohne diese Rückversicherung, ob und was ankommt.»

Lee bedauerte bis zuletzt, dass ihm die Filmstudios kaum komödiantische Rollen angeboten haben. Dabei, sagte er ganz unbescheiden, sei er dafür am talentiertesten gewesen. In den späten 70er-Jahren etwa erhielt er eine Carte Blanche in der amerikanischen Kultsendung «Saturday Night Live», bei der zu dieser Zeit auch Bill Murray und die späteren Blues Brothers angestellt waren. «Man animierte mich, zu improvisieren. Nach dem Auftritt sagte mir der Produzent, dass 35 Millionen Amerikaner eingeschaltet hätten. Und ein Mitglied des Cast schenkte mir eine Widmung, worauf stand: ‹You are the best in the biz!› Signiert von: John Belushi, 2nd best.»

Heavy Metal und Giuseppe Verdi

Das Publikum überraschte Lee auch am Ende der Masterclass. Er erzählte, dass ihm in Schweden mal eine Opernausbildung angeboten worden sei: Von Jussi Björling, dem «Caruso des Nordens». «Er traf mich in Stockholm, war beeindruckt von meiner Stimme und wollte aus mir einen Sänger machen. Aber ich hätte alles dafür aufgeben müssen. Also lehnte ich ab.»

Dennoch hat Lee einige Musikalben veröffentlicht, zuletzt im Heavy-Metal-Bereich. Er konnte auch Klassik, Giuseppe Verdis «Don Carlos» etwa auswendig. Um es zu beweisen, gab er in Locarno eine Kostprobe als singender Inquisitor (siehe Video). Sagenhaft war er, dieser alte Mann. Wir werden ihn vermissen!

Nächster Artikel