Cro: «Ich mach nur Begleitmusik»

Ein schwäbisches Wunder an Effizienz: Carlo Waibel alias Cro ist der Liebling der Radiowellen. Und sieht sich dennoch als Rebell. Ein Mann mit Widersprüchen, wie dieses Interview offenbart.

Cro: «Warum die Maske? Weil ich damit immer ziemlich fresh aussehe.»

Ein schwäbisches Wunder an Effizienz: Carlo Waibel alias Cro ist der Liebling der Radiowellen. Und sieht sich dennoch als Rebell. Ein Mann mit Widersprüchen, wie dieses Interview offenbart.

Seine Musik läuft im Supermarkt, seine Musik läuft im Radio, seine Musik läuft überall. Die Rap-Pop-Stücke von Carlo Waibel alias Cro sind ein Segen für Formatradiomacher: Sie kommen ohne Obszönitäten aus, kratzen nicht im Ohr, haben wesentlich mehr Melodie als der Hip-Hop-Durchschnitt. 

Cro im deutschsprachigen Raum zu entgehen, war in den letzten Jahren schlicht unmöglich.

Basierend auf dem Stück «Sunny» von Bobby Hebb spannte er ein paar Wortspielereien rund um das Wort «easy» und landete einen ersten Hit. Seither hat er sein Gespür für Massentauglichkeit und geschliffene Reimfolgen dutzendfach unter Beweis gestellt: «Du», «Einmal um die Welt», «Whatever», «Traum» und «Bye Bye» hiessen weitere seiner Singles.

Seine beiden Studioalben und die letztes Jahr erschienene «MTV Unplugged»-Aufnahme verkauften sich hunderttausendfach. Da erstaunt es nicht, dass sein Basler Konzert (Donnerstag, 14. Juli, «Summerstage») bereits ausverkauft ist. 

Cro, geht es Ihnen gut? Fühlen Sie sich wohl?


Ja, danke. Wieso meinen Sie?



In Interviews wirken Sie oft niedergeschlagen, fixieren den Boden. Hassen Sie Medienarbeit?

Nein, Quatsch. Ich neige den Kopf nur nach unten, damit man das Kinn und den Mund nicht so gut sieht.

Gefallen Sie sich eigentlich mit der Maske?

Ja, besser als ohne (lacht).

Was löst das bei Ihnen aus, wenn Sie Bilder von sich mit Maske sehen?

Freude (lacht)! Ich sehe damit eigentlich immer ziemlich fresh aus, fotogener auch. Die meisten Bilder ohne Maske finde ich hingegen voll Kacke.


Cro
Carlo Waibel alias Cro, 26 Jahre alt, aus Mutlangen bei Stuttgart, feierte Anfang 2012 mit der Single «Easy» seinen Durchbruch. Das darauf folgende Debütalbum «Raop» (2012) verkaufte sich 535’000-mal. Auch mit seinem Zweitling «Melodie» (2014) und dem im letzten Jahr veröffentlichten «MTV Unplugged»-Album schaffte er umgehend den Sprung an die Spitze der Charts. Er steht beim Stuttgarter Independent Label Chimperator unter Vertrag. Neben der Musik ist Cro auch als Designer tätig. Unter dem Markennamen Vio Vio entwirft er vor allem T-Shirts.

Im Stück «King of Raop» sprechen Sie davon, nicht gross zu überlegen, sondern einfach nur zu machen. Ist das mittlerweile überhaupt noch möglich?

Eher weniger. Aber ich habe mir auch schon damals überlegt, was ich mache. Es geht einfach darum, schnell zu entscheiden.

Wer entscheidet?

Hauptsächlich ich. Zumindest was die Musik betrifft. Erst danach stelle ich das Resultat den Jungs meines Labels Chimperator vor. Bei Videos oder grösseren Projekten kommen dann immer mehr Leute dazu.

Die Figur Cro ist also entstanden, ohne dass jemand seinen Senf dazu gegeben hat?

Das mit der Maske und dem Ganzen war die Idee von Basti von Chimperator. Aber den Namen und die Musik hatte ich schon.

Wann fing das an mit der Musik?

So mit 14. Ich habe das immer nebenher gemacht. Neben der Schule, später neben meiner Arbeit (Waibel war Mediengestalter bei der «Stuttgarter Zeitung», die Red.). Ich war immer der, der zu Hause sass. Der verzichtet hat, aufs Ausgehen und Rumhängen, weil ich Mucke machen wollte. War aber nicht schlimm für mich. Auch heute kann ich ohne Probleme zwei Wochen lang nur Musik machen, ohne mich zu langweilen.

Ihr Rapstil ist sehr unverkrampft und stark auf Melodien ausgelegt. Wie ist das entstanden?

Schwer zu sagen. Die Melodien fliegen mir zu. Und im Deutsch, im Ausdenken von Geschichten, war ich schon immer ganz gut. Bei Aufsätzen und so hab ich ohne Probleme immer coole Sachen rausgehauen. Ich habe mir dann überlegt, was die Menschen hören wollen. Das sind ja oft sehr einfach Themen: Es geht um Geld, um Liebe, um einen selbst, Probleme und Gefühle, die jeder mal hat. Dazu muss man dann Reime suchen.

Also haben Sie sich auf die Suche gemacht.

Ja, ich habe zum Beispiel ein Skizzenbuch, das ich komplett mit Reimen vollgesudelt habe. Teilweise eine ganze Seite Reime auf ein Wort. Wenn ich Texte schreibe, muss ich da nur mal kurz durchblättern. Und dann markiere ich mit Rot: Welche Reime passen vom Sinn her zusammen oder gehören zum gleichen Themenfeld? Wenn man über einen sonnigen Tag im Freibad rappt, darf da nichts mit Regenwetter rein. Und dann muss man nur noch zusammenpuzzlen, was man hat.

«Ich will immer besser werden. Deswegen wird es auch immer schwieriger. Aber ich bin sicher noch nicht auf dem Höhepunkt angekommen.»

Sie wenden das Baukastenprinzip an?

Ja, aber nicht immer. Manchmal drücke ich einfach «Aufnahme» und schaue, was dabei herauskommt. Einfach mal Quatsch machen, einfach rauslassen. Oft finde ich so den Flow und muss dann eigentlich nur noch die richtigen Wörter finden.

Gibts auch Reime, die Ihnen zu platt sind?

Eigentlich ist es egal. Wenn es sich fett anhört, dann kann man auch mal «Haus» auf «raus» und «Maus» reimen. Aber jetzt, so mit der Zeit, habe ich da schon ein bisschen höhere Ansprüche an mich selber. Dreifach-Reime und so.

Sie wollen die Komplexität steigern?

Ja, ich will immer besser werden. Deswegen wird es auch immer schwieriger. Aber noch funktionierts. Ich bin sicher noch nicht auf dem Höhepunkt angekommen.

Was wollen Sie aussagen?

Ich will gar nicht immer so viel aussagen. Ich will niemandem eine Meinung aufzwingen. Ich bin da tolerant: Jeder soll das cool finden, was er cool findet. Ich mach nur Begleitmusik. Sonst hätte ich schon längst zu irgendwas Stellung bezogen.




«Die Älteren können es feiern, die Zehnjährigen können es feiern – ich habe alles abgedeckt.»

In einem Kommentar auf Youtube war sinngemäss zu lesen: Cro ist ein Typ aus der Stuttgarter Provinz, macht Musik für Zehnjährige, absolut harmlos. Sind Sie in der heilen Provinz aufgewachsen?

Na ja. Stuttgart ist halt trotzdem irgendwo eine Grossstadt. Hier trifft man auch die normalen Stadtkids. Das ist nicht anders als in Berlin.

Und der Vorwurf «Musik für Zehnjährige», trifft Sie der?

Nein. Das würde ich zwar selbst nicht so sagen. Aber eigentlich ist das doch perfekt! Die Älteren können es feiern, die Zehnjährigen können es feiern – ich habe alles abgedeckt.

Wo ist das Rebellische? Gabs das je bei Ihnen?

Ich bin voll der Rebell. Schauen Sie sich mal meine Schullaufbahn an oder lesen Sie meine Klassenbucheinträge.

Was stand denn da so?

Oh Mann, das will man gar nicht alles wissen. Ich war echt ein kleiner Lausbub. Aber alles im Rahmen. Nett war ich schon.


Sie sind erst 26. Was den Erfolg angeht, liegt fast keine Steigerung mehr drin. Hören Sie mit 27 auf?

Ich weiss es noch nicht. Ich habe ja immer noch die Möglichkeit, eine andere Maske aufzusetzen, andere Projekte zu verfolgen, in andere Länder zu gehen.



_
Live am «Summerstage», Basel: 14. Juli, Park im Grünen. Das Konzert ist ausverkauft. 

Nächster Artikel