«Das Verhalten von Baumgartner ist eine Riesenschweinerei»

Der BVB-Direktor Jürg Baumgartner stolpert über anzügliche SMS und Handy-Fotos. Er wurde per sofort entlassen. Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels ist erschüttert. Er sagt, er habe ihm schon zuvor zur Kündigung geraten.

Hans Peter Wessels: «Ich finde es billig, wenn gewisse Parteien nun versuchen, aus der ganzen Situation der BVB Kapital zu schlagen.» (Bild: Hans-Jörg Walter)

Der BVB-Direktor Jürg Baumgartner stolpert über anzügliche SMS und Handy-Fotos. Er wurde per sofort entlassen. Bau- und Verkehrsdirektor Hans-Peter Wessels ist erschüttert. Er sagt, er habe ihm schon zuvor zur Kündigung geraten.

Bei den Basler Verkehrs-Betrieben geht es seit Tagen drunter und drüber. Neustes Drama: Der 48-jährige Direktor Jürg Baumgartner muss wegen anzüglichen Handy-Fotos und SMS per sofort gehen. Der BVB-Chef schickte Fotos mit nacktem Oberkörper, Armen und Beinen sowie in Macho-Pose im Sessel herum. Im Interview nimmt der für die BVB zuständige Regierungsrat Hans-Peter Wessels Stellung zum neusten Vorfall und äussert sich zur Kritik an seine Person.

Herr Wessels, der BVB-Direktor Jürg Baumgartner hat anzügliche Bilder und SMS herumgeschickt. Der Verwaltungsrat hat sich mit sofortiger Wirkung von ihm getrennt. Was meinen Sie dazu?

Ich bin überrascht und erschüttert. Es ist grauenhaft, was sich Jürg Baumgartner offensichtlich geleistet hat. Die fristlose Entlassung ist selbstverständlich. Sein Verhalten ist eine Riesenschweinerei. Sexuelle Belästigung an sich ist eine grauenhafte Geschichte. Noch schlimmer wird es aber, wenn ein Chef seine Position ausnützt. Viel schwerwiegender geht es gar nicht mehr.

Wie konnte es so weit kommen?

Wenn ein repressives Betriebsklima herrscht, kommen solche unappetitlichen Vorfälle eher vor. Und der Bericht der Finanzkontrolle deutet darauf hin, dass unter Jürg Baumgartner ein solches Klima geherrscht hat.

Sie haben den Entwurf des Berichtes der Finanzkontrolle vor rund drei Wochen gelesen. Wie haben Sie damals reagiert?

Ich habe Verwaltungsratspräsident Martin Gudenrath nahe gelegt, dass er nicht mehr antreten soll.

Das muss Ihnen schwer gefallen sein, zumal Sie ihn lange in Schutz genommen haben.

Nein, nachdem ich den Berichtsentwurf gelesen hatte, nicht. Solange noch nichts Konkretes vorlag, war es meine Aufgabe, ihm den Rücken zu stärken, damit er seine Funktion wahrnehmen kann. 

«Ich habe Jürg Baumgartner vor drei Wochen geraten, selber zu kündigen.»

Und was haben Sie Jürg Baumgartner vor rund drei Wochen gesagt?

Ich habe ihm geraten, selber zu kündigen.

Wie hat Baumgartner reagiert?

Er hat meinen Vorschlag zur Kenntnis genommen, wollte ihn aber nicht beherzigen.

Sie sind als Regierungsrat verantwortlich für die BVB. Sie haben Ihren Job offensichtlich nicht im Griff, wie in den letzten Tagen immer deutlicher wurde.

Das Aufsichtsorgan der BVB ist der Verwaltungsrat. Ich habe sofort die Finanzkontrolle kontaktiert, als ich von den Vorwürfen bezüglich Vetternwirtschaft gehört habe.

Wann war dies der Fall?

Von den Vorwürfen habe ich mündlich erstmals am 31. Juli 2013 gehört. Nachdem ich den Fragekatalog am 2. August schriftlich bekommen hatte, habe ich den Leiter der Finanzkontrolle  gleichentags informiert, dass ich eine Untersuchung in Auftrag geben will, zuerst aber den Verwaltungsrat darüber informieren möchte. Das ist an der Verwaltungsratssitzung vom 8. August dann auch geschehen, zu der ich eingeladen war.

Sie haben also alles richtig gemacht?

Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt.

Und?

Rückblickend wäre es möglicherweise besser gewesen, wenn ich mich vor vier Jahren dazu entschieden hätte, selber im BVB-Verwaltungsrat Einsitz zu nehmen. Dies wäre allerdings heikel gewesen, zumal Regierungsräte eigentlich nicht selber Einsitz in solchen Gremien nehmen sollten.

Es wäre aber trotzdem besser gewesen.

Ja, im Nachhinein gesehen wäre es wohl gescheiter gewesen.

Mit welchen Problemen hatte der BVB-Verwaltungsrat in den letzten Jahren denn zu kämpfen?

Anspruchsvoll beim BVB-Verwaltungsrat ist sicherlich, dass das achtköpfige Gremium von vier verschiedenen Wahlkörpern gewählt wird. So wählen der Regierungsrat und der Grosse Rat je drei Vertreter, Baselland und das Personal je eine Person. Dies macht es schwierig, ein Gremium zusammenzustellen, das unterschiedliche Kompetenzen einbringt, sich gegenseitig ergänzt und als Team funktioniert.

«Es kann nicht sein, dass man den dynamischen Manager raushängt und vergisst, in welchen Umfeld man sich bewegt und Fingerspitzengefühl vermissen lässt.»

Und welche Lehren ziehen Sie daraus?

Es wäre wohl besser, wenn wir es künftig so machen, wie es derzeit bei den BKB diskutiert wird: Die Regierung schlägt die Mitglieder vor, die dann vom Grossen Rat gewählt werden müssen.

Sie planen also eine Änderung des Wahlverfahrens?

Das ist schon länger meine Absicht. Die Vorfälle zeigen, dass es angebracht ist, diesbezüglich etwas zu ändern.

Somit sprechen Sie dem neuen Verwaltungsrat, der ab Januar 2014 von Paul Blumenthal geführt wird, bereits Ihr Misstrauen aus.

Nein, gar nicht. In der gegenwärtigen Situation ist es positiv, dass der BVB-Verwaltungsart personell weitgehend erneuert wird. Von den acht Mitgliedern sind ab 2014 nur noch drei Bisherige dabei. Eine Änderung des Wahlverfahrens halte ich dennoch für die nächsten Wahlen in vier Jahren für prüfenswert.

Das reicht aber wohl nicht. Werden Sie auch als Regierungsrat künftig besser hinschauen?

Es ist wichtig, dass der neue Verwaltungsratspräsident Paul Blumenthal sorgfältig darauf schaut, dass sich ein Team bilden kann im Verwaltungsrat und alle am gleichen Strick ziehen. Denn im alten Verwaltungsrat war dies nicht der Fall, man war auch intern zerstritten. Ich werde selbstverständlich mit Paul Blumenthal im engen Austausch stehen.  

Nochmals: Reicht das?

Mit Paul Blumenthal haben wir einen Verwaltungsratspräsidenten gewählt, der sehr viel Erfahrung hat. Er bringt beste Voraussetzungen mit, damit wieder Ruhe einkehrt bei den BVB.

Trotzdem: Sie stehen in der Kritik.

Ich finde es billig, wenn gewisse Parteien nun versuchen, aus der ganzen Situation der BVB Kapital zu schlagen. Aber mit dem muss man leben.

Sie meinen die SVP?

Von dieser Partei ist man sich nichts anderes gewohnt.

«Als zuständiger Regierungsamt wird man immer verantwortlich gemacht. Das ist Teil vom Job.»

Sie haben also keine Fehler gemacht?

Als zuständiger Regierungsamt wird man immer verantwortlich gemacht. Das ist Teil vom Job.

Sie nehmen es schon sehr gelassen.

Das würde würde ich so nicht sagen.

Wie lautet denn Ihr Fazit nach dieser ganzen Geschichte?

Man muss gerade bei Unternehmen, die aus dem staatlichen Kontext herausgelöst und verselbstständigt werden, sehr darauf achten, was für Führungspersonen hinkommen. Es kann nicht sein, dass man den dynamischen Manager raushängt und vergisst, in welchem Umfeld man sich bewegt und Fingerspitzengefühl vermissen lässt. Es ist deshalb die wichtigste Aufgabe des neuen Verwaltungsrates, eine neue Direktorin oder einen neuen Direktor mit der nötigen Kompetenz und Sensibilität zu suchen.

Ab 2014 nicht mehr im Verwaltungsrat dabei ist Dominik Egli, der sich laut der BaZ immer wieder kritisch gegen Sie geäussert hat. Er hat offenbar erst am Montag überraschend erfahren, dass Sie ihn nicht mehr wollen und hat die Sitzung verlassen.

Das habe ich so nicht wahrgenommen. Ich habe mit Dominik Egli schon vor den Sommerferien darüber geredet. Er hat mir damals von sich aus gesagt, dass er das Amt zur Verfügung stellt, wenn ich das wolle. Es ist nicht so, dass ich nicht mit ihm darüber diskutiert hätte.

Aber wusste er am Montag, dass er gehen muss?

Nein. Aber er hat den Entscheid zuvor mir überlassen.

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