Seit zwölf Jahren ist der Basler Regenwaldaktivist Bruno Manser in Sarawak spurlos verschwunden. Doch der von ihm gegründete Bruno- Manser-Fonds führt die Arbeit weiter. Verantwortlich für die Projekte in Sarawak ist der 32-jährige Jurassier Simon Kälin*.
Herr Kälin, Sie führen die Arbeit von Bruno Manser in der Provinz Sarawak weiter. Sie sind schon oft zu den Penan gereist und haben auch deren Sprache gelernt. Wie geht es dem Urwaldvolk heute?
Die Penan sind nur eines von vielen Völkern auf Borneo. Aber sie gehören zu den allerletzten Jägern und Sammlern. Allerdings ist jetzt auch ein Teil von ihnen sesshaft geworden und baut Reis an. Einige arbeiten auch für die Holzfirmen. Trotzdem sind diese Menschen oft in den Wäldern unterwegs. Sie nutzen den Wald für alles Mögliche: für Medizin, Nahrung, Erholung. Ohne die Wälder könnten sie nicht überleben.
Wie steht es denn um den Wald der Penan konkret?
Auf dem Stammesgebiet gibt es nur noch ganz wenig ursprünglichen Urwald. Vieles ist durchforsteter Sekundärwald (durch Rodung veränderter Wald; Sekundärwald zeichnet sich durch lichten Baumbewuchs und starkes Buschwerk aus – Anm. d. Redaktion) – aber dieser ist für die Penan auch wichtig. Das ist kein «degradiertes» Land, das man einfach abholzen kann, wie es die Holz- und Palmölkonzerne immer wieder behaupten. Hier leben auch viele Tiere.
Auch in anderen Wäldern der Region leben indigene Völker. Setzt sich der Bruno-Manser-Fonds gegen jegliche landwirtschaftliche Entwicklung auf Sarawak ein?
Wir sind nicht gegen jede Entwicklung. Wir wollen auch nicht überall nur Nationalparks. Wenn man den Waldschutz auf reinen Naturschutz reduziert, blendet man vieles aus: seien dies Menschenrechtsverletzungen, sei es die Korruption. Ein Modell für eine nachhaltige Entwicklung wären Biosphärenreservate – also Gebiete, in denen der Mensch die Natur nachhaltig nutzen kann. So etwas schwebt uns mit dem Projekt des «Penan Peace Park» vor, den wir einrichten möchten. Das Gegenteil davon sind die Palmölplantagen: Hier hat die lokale Bevölkerung nichts zu sagen, das Geld fliesst ab, und die Natur wird vergiftet und zerstört.
Das tönt so, als ob es in Malaysia keine Gesetze gäbe.
Es gibt sehr viele Gesetze in Malaysia. Die Plantagenbetreiber müssen sogar Umweltverträglichkeitsprüfungen vorlegen. Aber in diesen Dokumenten steht immer dasselbe: dass die Plantagen keine negativen Auswirkungen auf die Natur hätten. Dann müssen Sie auch wissen, dass in diesem Land ein ausgeklügeltes Korruptionssystem herrscht: Die Regierung besteht aus einer Familie und vergibt die Holzschlag- und Plantagenkonzessionen an Verwandte und Freunde. Und es fliessen Bestechungsgelder.
Gerieten auch Sie schon in heikle Situationen wie einst Manser?
Bis jetzt nicht. Aber wir müssen uns vor den Betreibern der Holzfirmen verstecken. Wir sind auch effektiver, wenn wir im Untergrund arbeiten. Dass die Konzerne uns Aktivisten gar nicht lieben, ist klar. Derzeit laufen in Sarawak über 200 Landrechtsfälle – Fälle, in denen die Ureinwohner ihre Landrechte geltend machen. Die indigenen Völker lernen langsam, sich zu wehren – und wir helfen ihnen dabei.
Was ist Ihre Kritik am RSPO-Label für nachhaltiges Palmöl?
Das RSPO-Label erlaubt Palmöl-Plantagen auf degradierten Waldflächen. Von Seiten der Firmen wird behauptet, da wohne niemand mehr. Doch das stimmt nicht. Uns geht es darum, die Sekundärwälder zu renaturieren, damit die indigenen Völker wieder die Chance haben, ihre Wälder zu nutzen.
*Aus Sicherheitsgründen arbeitet Simon Kälin unter einem Pseudonym. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13.04.12