«Möglich, dass Ihre Pensionskasse den Bau von Atomwaffen unterstützt»

In Davos versammelt sich die Wirtschafts- und Finanzelite, aber auch prominente Vertreter ihrer schärfsten Kritiker kommen ans WEF. Beatrice Fihn, die sich als Direktorin von Ican für eine Welt ohne Atomwaffen einsetzt, hat auch mit den Gastgebern ein Wörtchen zu reden.

«Irgendwann wird es wieder passieren.» Beatrice Fihn, Direktorin von Ican, setzt sich am WEF in Davos für den Atomwaffen-Verbotsvertrag ein.

Beatrice Fihn ist Direktorin der letztes Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen Ican. Ihre Mission: eine Welt ohne Kernwaffen. Sie hofft am WEF in Davos auf möglichst viele wichtige Gespräche.

Auch wenn Präsident Donald Trump mit seiner Rhetorik keine unbedeutende Rolle in der Verschärfung der nuklearen Gefahr spiele, wie Fihn im Interview mit der TagesWoche sagt, will sie nicht nur mit den Amerikanern reden. Sie hat auch eine Botschaft an das Gastgeberland: Denn unter den 120 Ländern, die den Atomwaffen-Verbotsvertrag von Ican bereits unterschrieben haben, fehlt die Schweiz.

Beatrice Fihn, was haben Sie in Davos vor?

Ich bin hier, um etwas gegen die erhöhte nukleare Gefahr zu tun. Am Mittwoch nehme ich an einem Diskussionsforum zum Thema teil. Aber ich möchte auch sonst die Abschaffung der Atomwaffen möglichst weit voranbringen.

Nach dem Ende des Kalten Krieges hat sich das Thema Atomwaffen etwas abgekühlt. Heute scheint es wieder präsenter.

Falls es diese Entspannung gegeben hat, war sie fehl am Platz: Die Gefahr, die von diesen Waffen ausgeht, ist nie verschwunden. Das tut sie erst, wenn die Weltgemeinschaft sämtliche A-Waffen vernichtet. Solange das nicht geschieht, ist sicher: Eines Tages werden sie eingesetzt.

Gibt es kein Entrinnen?

Nein. Das ist reine Statistik. Irgendwann wird es wieder passieren, wir zählen bloss die Tage bis dann. Die Mächtigen kommen und gehen, aber so lange diese Waffen bleiben, wird irgendwann wieder eine eingesetzt werden.

«Atomwaffen sind eine Bedrohung wie keine andere. Es gibt keinen legitimen Grund, diese Waffen zu dulden.»

Was müsste man dagegen unternehmen?

Die Weltgemeinschaft muss sich daran erinnern, dass diese Gefahr nur verschwindet, wenn auch die letzte Atomwaffe verschwunden ist. Es ist eine Bedrohung wie keine andere. Ein Einsatz kann Hunderttausende, ja Millionen von Zivilisten töten. Das verstösst gegen jedes Völkerrecht. Es gibt keinen legitimen Grund, diese Waffen zu dulden.

Das mag sein. In den Security-Studies, einer Unterdisziplin der Internationalen Beziehungen, ist aber nach wie vor die Theorie der «Balance of Power» verbreitet: So lange kein Gegner die Übermacht hat, erhöhe sich die Sicherheit. Wenn man von rationalen Akteuren ausgeht.

Das ist im Fall von Atomwaffen eine falsche Sicherheit, weil die Atomwaffen an sich die Bedrohung für die Menschen erhöhen – ihre Abwesenheit erhöht die Sicherheit hingegen massiv. Diese Waffen können Millionen Leben wahllos auslöschen. Ein Maximum an Zivilisten. Und ihr Vorhandensein heizt manchen Konflikt zusätzlich an. Die Welt wird nicht sicherer, wenn ein Land wie Nordkorea ebenfalls Atomraketen hat. Im Gegenteil.

Sprechen wir vom sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen: Donald Trump ist ebenfalls am WEF präsent. Wie viel Anteil hat er an der von Ihnen erwähnten Erhöhung der Gefahr?

Nun, es ist natürlich nervenaufreibend, wenn ein gewählter Präsident eines demokratischen Landes mit solch rohen Drohungen um sich wirft. Er droht Millionen von Zivilisten mit dem Tod. Allerdings setzt Trump damit nur die offizielle Politik aller Nuklearstaaten um. Wer diese Waffen hat, muss auch bereit sein, sie einzusetzen. Trump droht einfach in ungewohnt aggressiver Art und Weise. Dies wiederum führt dazu, dass die Militärs weltweit ihre Bedrohungsstufen erhöhen. Und das ist sehr gefährlich.

Warum?

Es erhöht die nukleare Gefahr. Wenn höchste Alarmstufe herrscht, und es kommt ein Fehlalarm wie kürzlich in Hawaii: Was würde Präsident Trump entscheiden, wenn es heisst, ein Atomschlag steht kurz bevor? Die Gefahr, dass etwas unerhört Schreckliches passiert, ist riesig. Ich habe mit traumatisierten Menschen auf Hawaii gesprochen. Der Tenor lautete: «So etwas will ich nie mehr erleben. Schluss mit diesen Waffen.»

Welche Schritte unternehmen Sie konkret, um dieses Ziel zu erreichen?

Ican ist es gelungen, schon 120 Länder dazu zu bringen, den Atomwaffen-Verbotsvertrag zu unterschreiben. Diesen Druck darf man nicht unterschätzen. Am WEF in Davos werden meine Kollegen und ich versuchen, weitere Kontakte zu knüpfen. Es geht darum, mit so vielen Leuten wie möglich zu sprechen.

«Gut möglich, dass Ihre Bank den Bau von Atomwaffen unterstützt. Aber das kann man mit genügend Druck ändern.»

Auch mit Schweizern?

Auf jeden Fall. Die Schweiz hat den Verbotsvertrag bisher nicht unterschrieben. Sie zögert. Ihr Land zögert, die mögliche Abschlachtung von Hunderttausenden von Zivilisten zu verbieten.

Was kann man denn dagegen tun?

Es gibt durchaus Grund zur Hoffnung: Die Sensibilität für das Thema nimmt tatsächlich zu. Vielleicht sehen wir heute nicht mehr, wie Millionen Menschen in den Strassen demonstrieren. Das heisst aber nicht, dass sie nicht aktiv sind und auf anderem Weg aktiv ein Verbot von Nuklearwaffen fordern. ICAN Schweiz hat regen Zulauf. Mittlerweile ist Ican ein Bündnis von 450 Organisationen in 100 Ländern.

Aber wenn die Nuklearmächte selbst nicht abrüsten wollen, dann wird so ein Vertrag kaum je etwas bringen.

Wenn der Druck gross genug wird, auch in diesen Ländern selbst… Und vergessen Sie die wirtschaftliche Dimension nicht. Die letzte Firma für Streumunition musste zumachen, nicht weil die USA den Vertrag gegen Streumunition unterschrieben hätten, sondern weil das Stigma zu gross wurde. Dasselbe ist bei der Produktion von nuklearen Sprengkörpern durchaus denkbar: Es ist gut möglich, dass Ihre Bank, Ihre Pensionskasse den Bau von solchen Waffen unterstützt. Aber auch das kann man mit genügend Druck ändern.

Nächster Artikel