Herr Burgener, der FCB ist derzeit auf Schlingerkurs.
So betrachte ich das nicht. Der Saisonstart ist uns leider erneut nicht gelungen, da mussten wir einschreiten und haben uns entschieden, den Trainer zu wechseln. Mit Marcel Koller haben wir einen ruhigen Pol gefunden, einen Trainer, der die Aufgabe gut angegangen ist…
…bis zum niederschmetternden 1:7 in Bern.
Das analysiere ich auf zwei Arten. Einerseits war es für mein rotblaues Herz eine riesige Enttäuschung. Wie wir verloren haben, war in den Augen der Fans und für uns alle mehr als beschämend. Andererseits haben wir nüchtern betrachtet einfach drei Punkte verloren.
Was stimmt Sie in punkto Meisterschaft noch zuversichtlich?
Im Sport gibt es Hochs und Tiefs. Und Verlieren gehört auch dazu. Wir haben eine starke Mannschaft mit erfahrenen und jungen Spielern. Zurzeit sind leider in der Defensive mit Marek Suchy, Carlos Zambrano und Jonas Omlin drei erfahrene Spieler verletzt und werden uns noch einige Wochen fehlen. Zusätzlich war aufgrund einer roten Karte Taulant Xhaka gesperrt und zu guter Letzt wurde auch noch Eder Balanta vom Platz gestellt. Die Verletzungen und die roten Karten haben dazu geführt, dass die Mannschaft immer wieder umgestellt werden musste. Da ist der Trainer eingeengt. Wir hätten gerne in der Verteidigung den einen oder anderen erfahrenen Spieler mehr auf dem Platz.
Seit Sie am Ruder sind, ist schon einiges schiefgegangen. Jetzt ist die Qualifikation zum Europacup misslungen, und die Meisterschaft ist auch schon wieder futsch. Aber Sie sagen: Wir dürfen uns nicht aus der Ruhe bringen lassen. Woher nehmen Sie diese Gelassenheit?
Das stimmt so nicht. Wir wurden letzte Saison Zweiter und spielten die bisher erfolgreichste Champions-League-Saison. Wir haben aber unser Ziel, europäisch dabei zu sein, für diese Saison leider verpasst. Jetzt müssen wir einen kühlen Kopf bewahren, uns konzentrieren und sehr hart arbeiten. Das habe ich in mehr als 35 Jahren als Unternehmer gelernt.
Aber ein Fussballklub ist etwas anderes als ein Unternehmen, mit dem man langfristig planen kann.
Früher konnte man über viele Jahre planen. Mit der Globalisierung und der Digitalisierung ist das vorbei. Die Geschäftsmodelle wandeln sich immer schneller. Für mich zählt: Wenn ein Schiff in Seenot gerät, gehört der Kapitän auf die Brücke. Und wenn es jetzt beim FCB nicht so gut läuft, dann braucht es keinen Aktionismus, sondern, ich wiederhole mich, einen kühlen Kopf und Marcel Koller und sein Team, das die Mannschaft wieder auf Kurs bringt.
Aber die Trennung von Raphael Wicky nach gerade einmal zwei Spielen war doch purer Aktionismus.
Nein! Zum wiederholten Male. Das war eine kühle und überlegte Entscheidung. Ich habe eine grosse Geduld, aber es war das dritte Mal, dass nach unserer Vorbereitung der Start ungenügend war. Fünf verlorene Spiele in Serie inklusive drei Testspiele. Eines unserer zentralen Ziele war, für die Champions-League-Qualifikation parat zu sein. Das waren wir aber nicht und dafür wurden wir bestraft.
Ging der Impuls für den Trainerwechsel von Ihnen aus?
Nein, wir haben eine technische Kommission, in der wir alle Aspekte berücksichtigen und kritisch besprechen.
Wenn Sie das Bild vom Schiff in Not bemühen: Sie selbst haben in Bern das Stadion vor dem Abpfiff verlassen. Dabei geht der Kapitän doch immer als Letzter von Bord – und im Fussball-Business stellt er sich vorher auch noch den Medien.
Ich bin kurz vor Spielschluss gegangen und habe mich mit Führungskräften des FCB verabredet, um mit ihnen die Situation vertraulich zu besprechen.
«Manchmal muss man auch leiden und jetzt haben wir einen solchen unschönen Moment.»
Die aktuelle Klubführung ist in schwierigen Momenten selten in der Öffentlichkeit präsent.
Dass der Präsident nach einer solchen demütigenden Niederlage gefragt ist, kann ich verstehen. Und wer mich angefragt hat, dem habe ich am Tag danach selbstverständlich Auskunft gegeben. Grundsätzlich sehe ich das unmittelbar nach einem Spiel, am selben Abend, nicht als meine Aufgabe an. Bei anderen Persönlichkeiten aus der Unternehmenswelt sind die Medien froh, wenn es ein-, zweimal im Jahr ein Interview gibt. Beim FC Basel stehen für mich die Mannschaft und der Trainer im Vordergrund. Ich als Präsident des Verwaltungsrates und meine Verwaltungsratskollegen verhalten uns zurückhaltender diesbezüglich. Wir stellen uns bewusst nicht in den Vordergrund. Wenn uns aber jemand fragt, stehen wir zur Verfügung.
Ist es nicht wichtig, in schwierigen Momenten Präsenz zu zeigen und Rückendeckung zu geben, für Mannschaft, Trainer, für alle im Klub, für die Fans, die Mitglieder und die Beschäftigten?
Ich finde es völlig falsch, auch gegenüber den Spielern, wenn nach einem solchen Spiel der Präsident im Kabinengang rumrennt und irgendwelche Kommentare abgibt. Das mache ich nicht. Ein solches Spiel muss man einfach sacken lassen. Mit Marcel Koller habe ich aber später ausführlich telefoniert.
Welche Reaktionen sind nach dieser vernichtenden Niederlage bis zu Ihnen gelangt?
Was soll ich sagen? Es war ein Tsunami. Und ich war nicht der Einzige, bei dem das rotblaue Herz blutete. Es gab die ganze Bandbreite an Reaktionen: Enttäuschung, Frust, die Leute fanden es fürchterlich und andere haben gesagt, durchhalten, aufstehen, das kommt schon wieder gut. Unsere Aufgabe ist es, den Fall so schnell wie möglich abzuhaken und nach vorne zu schauen.
Haben Sie ein dickes Fell, wenn es Kritik hagelt?
Kritik ist auch Teil der Unterhaltungswelt. Seit rund 35 Jahren bin ich in der Sport-, Film- und Musikwelt tätig. Das Leben schreibt seine eigenen Drehbücher, manchmal muss man auch leiden und jetzt haben wir einen solchen unschönen Moment. Aber auf ein Gewitter folgt auch immer die Sonne. Ich habe Vertrauen in unsere Mannschaft und in unseren Trainer.
«Mir macht es Freude, mit dieser Führung zu arbeiten.»
Der «Blick» hat beschrieben, wie Ihr Sportdirektor Marco Streller unter der Situation leidet, und dass es Momente gebe, in denen er sich beim FCB im Stich gelassen fühle.
Ich kommentiere das nicht.
Sie sind wiederholt gefragt worden, ob Sie an der sportlichen Führung festhalten. Und Sie haben stets Ihr Vertrauen ausgesprochen. Kann es denn sein, dass Marco Streller von sich aus hinschmeisst?
Da müssen Sie ihn fragen. Ich diskutiere doch nicht über unsere Mitarbeiter in der Öffentlichkeit. Das ist nicht mein Stil.
Sie sind zufrieden mit der Crew, die Sie zusammengestellt haben?
Ja. Mir macht es Freude, mit dieser Führung zu arbeiten. Die alte Klubleitung, die einen grossen Anteil an der glorreichsten Zeit des FCB hatte, musste komplett ersetzt werden, da sie einstimmig beschlossen hatte, dass alle gemeinsam den Verein verlassen. Es war eine grosse Herausforderung, jeden Posten neu zu besetzen. Das benötigt eine gewisse Zeit, und das wäre auch in jedem anderen Unternehmen nicht einfach. Als ich mein Konzept den Vereinsmitgliedern vorstellte, habe ich klar betont: Es handelt sich um einen Umbruch, und es wird nichts mehr sein, wie es war. Wichtig ist, dass ich ein Team habe, das sich in der Fussballwelt bestens auskennt und dass wir unsere Strategie 2017 bis 2020 weiterverfolgen.
Vor der Saison hielten Sie und die sportliche Leitung die Champions League und die Rückeroberung des Meistertitels für möglich. Im Nachhinein sagen wir: Das war eine Fehleinschätzung, das Kader reicht für diese Ansprüche nicht.
Dem widerspreche ich. Wir waren wie bereits erwähnt nicht bereit. Es liegt aus unserer Sicht auch nicht am Kader. Leider haben wir, wie ebenfalls bereits erwähnt, in der Defensive zu viele Verletzte.
Vor eineinhalb Jahren sind Sie mit grossem Vertrauensvorschuss gestartet. Haben Sie das Gefühl, dass dieses Vertrauen gelitten hat?
Ich kann verstehen, wenn Fans und Mitglieder momentan enttäuscht oder verärgert sind. Ich bin ja auch enttäuscht. Aber ich kann die Resultate nicht ändern, nur die Zukunft beeinflussen.
Dem Protest aus den Fankreisen zum Trotz zieht der FCB sein Engagement im E-Sport ungerührt durch, wie die jüngste Verpflichtung eines argentinischen Stargamers nahelegt.
Wir machen das nicht aus Trotz. Die ganze Welt verändert sich, wir stehen vor einer digitalen Revolution. Andere Klubs machen das auch, eine eigene Liga wird sehr wahrscheinlich auch in der Schweiz kommen, und dem können wir uns nicht verschliessen.
Mitglieder und Fans würden sich wohl noch mehr darüber freuen, wenn der FCB eine namhafte Verstärkung für die erste Mannschaft vermelden würde.
Sie meinen einen Ronaldo? Da bin ich der falsche Ansprechpartner.
Es geht ja auch ein paar Nummern kleiner.
Im Ernst: Diese Fragen müssen Sie der sportlichen Leitung stellen. Aber das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Für die Zukunft ist E-Sport wichtig, und deshalb müssen wir dabei sein. Auch wenn nicht alle damit einverstanden sind. Das war schon immer so, bei der Videokassette oder aktuell bei den Smartphones.
Wie wird der FCB auf dem Rasen zum Saisonende dastehen?
Wir halten an unseren Zielen fest. Der Meistertitel war und ist in Basel das oberste Gebot. Hart ist, dass wir die Europa League verpasst haben. Das schmerzt richtig. Wir müssen alles dafür tun, dass wir nächstes Jahr europäisch wieder dabei sind.
Wie wird das Geschäftsjahr des FC Basel aussehen?
Ziel ist eine ausgeglichene Rechnung. Das werden wir schaffen.
«Momente des Misserfolgs schweissen zusammen. Und auch Helden müssen leiden.»
Wir gehen nach den Spielerverkäufen davon aus, dass es einen Gewinn gibt – trotz der verpassten Millionen aus dem Europacup.
So weit bin ich nicht. Ich bin lieber vorsichtig und erwarte eine ausgeglichene Rechnung. Für mich ist der Weitblick wichtig. Bis zum Rückrundenstart sollten wir die Mannschaft so zusammenstellen, dass wir im Sommer dann für die Qualifikationsspiele parat sind und anders performen als in diesem Sommer. Das ist mein Fokus als Verwaltungsrat.
Falls es einen Gewinn gibt: Werden Sie sich eine Dividende auszahlen?
Sollte der FC Basel eines Tages einen Gewinn ausweisen, habe ich anlässlich meiner Präsentation bei der Mitgliederversammlung darauf hingewiesen, dass ich bis zu 50 Prozent des Jahresgewinnes ausschütten könnte. Zum Beispiel: Wenn der Gewinn eine Million Franken beträgt, würde ich mit 500’000 Franken das Eigenkapital festigen und 500’000 als Dividende ausschütten, wovon ja auch noch 25 Prozent an den Verein gehen.
Die Fans machen sich allerdings grosse Sorgen um den jetzigen Zustand des FC Basel.
Vielleicht hat es den Weckruf gebraucht. Man hat jahrelang in Serie alles gewonnen, und klar würden wir auch gerne den Titel gewinnen. Aber ich war nach dem verlorenen YB-Match gespannt auf die Reaktion der Fans beim Heimspiel gegen Luzern. Da habe ich gelesen, dass die Fans aus Mitleid ins Stadion kamen, aus Neugier oder warum auch immer. Aber sie kamen. Das ist für mich entscheidend. Momente des Misserfolgs schweissen zusammen. Und auch Helden müssen leiden.
Müssen Sie nicht befürchten, dass der Jahreskartenverkauf markant zurückgeht?
Es ist alles möglich, wir hoffen es natürlich nicht. Aber das werden wir dann sehen.
Wenn man Ihnen die jüngere Geschichte des FC Basel als Drehbuch anbieten würde, welchen Titel würden Sie dem Film geben?
Da habe ich mir keine Gedanken gemacht.