«Für Spontaneität hat es keinen Platz»

Sebastian Kölliker beklagt die Hilflosigkeit des Staates im Umgang mit Freiraum-Aktionen.

Sebastian Kölliker: «Es gibt wieder eine Tendenz, Veranstaltern das Leben schwer zu machen.» (Bild: Nils Fisch)

Sebastian Kölliker beklagt die Hilflosigkeit des Staates im Umgang mit Freiraum-Aktionen.

Der 23-jährige Sebastian Kölliker, Mitglied des Vereins Kulturstadt Jetzt und Präsident des Jugendkulturfestivals, kritisiert im Interview, dass der Staat bei Partys im öffentlichen Raum immer öfter mit Repres­sion reagiert. Das Thema Freiraum werde von der Regierung stiefmütterlich behandelt, sagt er.

Wie beurteilen Sie die Geschehnisse auf dem Messeplatz vom letzten Freitag?

Der unglückliche Vorfall auf dem Messeplatz zeigt, dass Staat und ­Politik überhaupt nicht wissen, wie sie mit dem Bedürfnis der Jugend­lichen nach mehr Freiraum umgehen müssen. Der Staat toleriert es nicht, wenn sich Jugendliche auf einem ­öffentlichen Platz aufhalten und sich dort artikulieren. Er agiert hilflos und ist nicht lernfähig.

Warum? Die jungen Leute ­handelten doch illegal.

Solche Vorfälle gab es in den letzten Jahren in der Stadt doch immer wieder. Trotzdem hat man noch keine Methode gefunden, damit umzugehen. Es muss bei einer illegalen Besetzung oder Party immer zur Eskalation kommen. Der Staat kennt kein Vorgehen, das nicht in Gewalt und Gegengewalt endet.

Dann war das Eingreifen auf dem Messeplatz aus Ihrer Sicht also falsch?

Die Videos, die den Eingriff zeigen, hinterlassen ein mulmiges Gefühl bei mir. Ich bin erstaunt über die Härte dieses Einsatzes – auch wenn ich weiss, dass mehrere Ultimaten bis dahin verstrichen waren. Störend finde ich aber auch, dass jetzt nur über die Verhältnismässigkeit des Polizeieinsatzes gesprochen wird. Weshalb aber die Favela-Installation der Art Basel besetzt und erweitert wurde, geht in der Diskussion völlig unter. Es ging doch darum, auf die ursprüngliche Bedeutung von Favelas aufmerksam zu machen – und auch um das Thema Freiraum. 

Ist der Vorfall kontraproduktiv für die ganze Freiraum-Diskussion, die sich Kulturstadt Jetzt auf die Fahne geschrieben hat?

Ja. Die Verwaltung zeigt damit, dass sich über Freiraum nicht dis­kutieren lässt.

Ist das nicht ein bisschen übertrieben? Die Regierung hat doch die Zwischennutzungen am ­Hafen ermöglicht.

Dass sie das gemacht hat, schätzen wir sehr. Aber wir haben nicht den Eindruck, dass das Thema Freiraum der Regierung wirklich ein grosses Anliegen ist – auch wenn sie das immer wieder behauptet. Sie behandelt das Thema sehr stiefmütterlich. Es scheint immer 100 andere wichtigere Dinge zu geben. Wenn ich lese, dass auf dem ehemaligen Areal der Villa Rosenau ein Gewerbegebiet entsteht, dann muss ich lachen. Die Regierung scheint für das Thema Freiraum kein Gehör zu haben. Das zeigt auch die Tatsache, dass es in letzter Zeit vermehrt wieder Besetzungen gibt, neuerdings am Petersgraben

Ist es so schwierig in Basel, ­etwas auf die Beine zu stellen?

Wenn man den Weg über Bewilligungen geht, dann geht es schon irgendwie. Aber für Sponta­neität hat es hier keinen Raum. Die Verwaltung ist mit solchen ­Aktionen überfordert. Ich verstehe das nicht, zumal wir in einer derart ­kleinen Stadt leben. 

Ist die Verwaltung strenger als früher?

Der Ton ist härter geworden. In letzter Zeit stellen wir fest, dass man schneller für Schallemissionen im öffentlichen Raum und anderswo abgemahnt wird. Es wird strenger gemessen, und die Polizei kommt rascher als auch schon. Es gibt wieder die Tendenz, Veranstaltern das Leben schwer zu machen. Teile unserer Verwaltung scheinen die Stadt in Watte packen zu wollen. 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 21.06.13

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