«Ich bewundere seinen Sinn für Rock ’n’ Roll» – Matthias Willis Filmporträt über Lombego-Tony

In «Tony, You Rock» begleitet Matthias Willi die Basler Rockband Lombego Surfers auf Tour. Im Mittelpunkt seiner Hommage: Sänger und Songwriter Anthony Thomas, der seit über 30 Jahren für seine Musik lebt. Porträt eines Frührentners der besonderen Art.

Die Leidenschaft für Rock'n'Roll lässt ihn nicht los: Anthony Thomas.

In «Tony, You Rock» begleitet Matthias Willi die Basler Rockband Lombego Surfers auf Tour. Im Mittelpunkt seiner Hommage: Sänger und Songwriter Anthony Thomas, der seit über 30 Jahren für seine Musik lebt. Porträt eines Frührentners der besonderen Art.

Der Film «Tony, You Rock» wirft den Blick auf eine Band, die seit 30 Jahren rockt und rollt: die Lombego Surfers aus Basel. Sänger Anthony Thomas, gebürtiger Amerikaner, ist auch mit 63 Jahren unermüdlich auf Tour und gewillt, Opfer zu bringen für seine Leidenschaft. Denn er kann die Finger nicht von der Gitarre lassen, wie der Film auf respektvolle und berührende Weise vor Augen führt. 

Im Unterschied zu klassischen Rock-Dokumentationen legt dieser Film keinen Wert auf Vollständigkeit: Man erfährt nichts über die Songtexte, über den beruflichen Alltag oder das Familienleben abseits der Bühne. Es ist vielmehr eine Momentaufnahme aus dem Tourleben, zwischen Punkclub, VW-Bus und Schlafsack.

Die Abenteuerlust, die Unbeirrbarkeit hat Matthias Willi mit seinen Kameras festgehalten. Den Fotografen und Filmemacher kennt man in der Basler Musikszene noch von früher, war Willi doch in den 1990er-Jahren selber mal Sänger bei der Punkrockband Toxic Guineapigs. Am Schlagzeug sass damals Olivier Joliat, heute Drummer bei den Lombego Surfers. Ist dieser Film eine «family affair»?

«Er hat sich mit Haut und Haar seiner Musik verschrieben.» 

Matthias Willi, wie haben Sie Anthony Thomas von den Lombego Surfers kennengelernt?

Über eine Ausstellung, die er mit seiner Frau Sue jeweils während der Art-Woche mitorganisiert: «PingPong». Ich habe mehrmals daran teilgenommen. Erstmals vor zehn Jahren. Aber ich kenne ihn auch als Musiker, bewundere seinen Sinn für Rock ’n‘ Roll. Und finde, dass diese Arbeit mehr Respekt verdient hat. Deshalb entschloss ich mich, diesen Film zu drehen. 

Was ist dieser Film für Sie: Eine Hommage oder ein Freundschaftsdienst?

Eher eine Hommage, auch wenn ich dieses Wort selber nicht verwenden würde. Mit Tony verbinde ich Musikgeschichte: Er wuchs in den 1960er-Jahren in Boston auf, hat stilprägende Musiker wie Jimi Hendrix oder Led Zeppelin live gesehen. Und lebt mit den Lombego Surfers seit 30 Jahren vor, was Rock ’n‘ Roll bedeutet. Er hat sich mit Haut und Haar seiner Musik verschrieben, kompromisslos, egal, wie viele Leute seine Platten kaufen und an Konzerte kommen. Diese Haltung finde ich faszinierend, wie er seine Leidenschaft lebt, völlig egal, ob das zu Ruhm führt oder nicht. 

Eine der berührenden Szenen ist jene, in der Tony nach einem Konzert seinen alten Schlafsack auspackt und ihn über ein abgewetztes Sofa legt. Man fragt sich voller Bewunderung: Warum tut sich der Mann das an, würden wir das mit 60 noch machen? 

Würden wir das mit 40 noch machen? Ich ziehe wirklich meinen Hut vor einem Menschen wie ihm, der für seine Leidenschaft lebt. Ich war für diesen Film zehn Tage mit der Band auf Tour und staunte darüber, wie irrelevant solche Aspekte wie «Haben wir ein Bett oder nicht» für ihn sind. Er nimmt viele Tourstrapazen hin, so scheint es, weil er am Ende alles dem grossen Ganzen unterordnet: seiner Musik. 

Nichts übertrifft das Glücksgefühl eines Livekonzertes?

Ja. Für ihn spielt es auch keine Rolle, wie viele Leute vor der Bühne stehen, ob 20 oder 200 ist egal. Er kniet sich jedes Mal rein. Und die Fans sind ebenso loyal zu ihm. In einer Dorfkneipe im Erzgebirge, nahe der tschechischen Grenze, habe ich Musikfans getroffen, für die die Lombego Surfers die beste Band der Welt sind. Und sie sind keine Ausnahmen: So treue Fans findet man über ganz Europa verteilt. 

Das Leben abseits des Tourbusses zeigen Sie nicht, das heisst, das Porträt macht Halt vor dem familiären Alltag. Warum?

Tony ging es um sein Wirken als Musiker. Ich hätte ihn gerne auch bei einer privaten Gitarrenstunde gezeigt, er gibt ja noch immer Unterricht. Aber das wollte er nicht. 

«Tony ist jetzt 63 – aber ein dermassen atypischer Rentner, dass man ihn für seine Attitude bewundern muss.»

Ein bisschen irritierend ist, dass der langjährige Lombego-Bassist Pascal Sandrin nicht zu Wort kommt.

Als ich den Film  im Herbst 2015 drehte, konnte Pascal aus gesundheitlichen Gründen nicht auf Tour gehen. An seiner Stelle sprang Luc Montini ein, den ich dann im Film reden liess, weil mich die Optik seiner Generation – die auch meine ist – besonders interessierte. Als Kontrast zum alternden Rockmusiker. Tony ist jetzt 63 – aber ein dermassen atypischer Rentner, dass man ihn für seine Attitude bewundern muss.  

Er ist Rentner?

Ja, frühpensioniert. Er hat Teilzeit als Musiklehrer in Birsfelden gearbeitet.

Das erfährt man aber nicht im Film. Ebenso unklar bleibt, warum er als Amerikaner eigentlich in Basel geblieben ist …

Ich bin keinem Drehbuch gefolgt, sondern habe den Film nach meinem Gefühl gemacht. Mir ist bewusst, dass man die Geschichte anders steuern, erzählen könnte. Aber das wollte ich nicht. Mir ging es um meine persönliche Sicht, darum habe ich ganz bewusst alles alleine gemacht, vom Film über den Ton bis zum Schnitt. 

Das «Do It Yourself»-Prinzip, also ganz im Sinne des Punk? 

Ja. Natürlich auch, weil ich kein Budget hatte.  Aber ich glaube auch, dass ich mit einem ganzen Filmteam nie eine solche Intimität hingekriegt hätte. Kommt hinzu, dass es im Bus nur noch Platz für mich hatte. Mehr wollte ich auch nicht, es ging mir um die persönliche Begegnung, um meinen Blick auf Tony. 

Mit einer Länge von 40 Minuten machen Sie sich keinen Gefallen, was die Verwertung des Films angeht, sei es im Kino oder im TV.

Das stimmt. Ich habe den Film nach meinem Gefühl gemacht, ohne Blick auf die Guidelines von TV-Sendern. Wir gleisen im Moment eine kleine Tour durch die Schweiz auf, bei der wir den Film zeigen und Tony ein akustisches Set spielt. Also eine Filmvorführung und eine kleine Liveshow. Und für jene, die nicht an die Premiere kommen, aber auch nicht weiter warten können, sei hier verraten: Ab Sonntag stelle ich den Film online. Ich möchte, dass er möglichst viele Leute erreicht.

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Premiere, Samstag, 12.11.2016, Neues Kino Basel, ab 21 Uhr. Danach Live-Set von Anthony Thomas und DJ-Set mit DJ Mick & Ziggy Stardust.
Film online verfügbar ab Sonntag, 13.11.2016, unter www.matthiaswilli.ch

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