Im letzten Gespräch vor seinem Rücktritt erklärt Guy Morin, wie er versuchte, dem neuen Amt ein Gesicht zu geben – «eines, das sich noch weiterentwickeln muss», wie er sagt. Und er legt dar, dass er mit seinen Ideen für eine Museumsstrategie vom Gesamtregierungsrat zurückgepfiffen wurde.
Sein zurückhaltendes, manchmal hölzern wirkendes Auftreten wurde Guy Morin oft vorgeworfen. Der Regierungspräsident hat nach eigenen Angaben gelernt, damit zu leben: «Solange die Leute nicht mehr zu kritisieren wissen als meine Anzüge und Schuhe, mache ich eigentlich keinen schlechten Job», sagt er. Dennoch bindet er sich rasch eine Krawatte um, als er gewahr wird, dass beim Interview ein Fotograf mit dabei ist.
In seinem etwas düster wirkenden Büro im Rathaus äussert sich Morin offen über Erfolge, aber auch Misserfolge seiner Amtszeit, unter anderem als Verantwortlicher für die Kulturpolitik. Vieles habe er in gute Bahnen lenken können, etwa die vielen Investitionen für die Kultur: vom Kunstmuseum-Neubau bis zum Kasernen-Hauptbau, der allerdings noch eine Abstimmung überstehen muss. Anderes konnte er nicht zum Abschluss bringen. So wies der Gesamtregierungsrat seinen Entwurf für die seit Jahren eingeforderte Museumsstrategie zurück.
Herr Regierungspräsident, am 12. Februar wird über das Sanierungs- und Umbauprojekt des Kasernen-Hauptbaus abgestimmt. Diese Abstimmung ist so etwas wie das Schlussfeuerwerk Ihrer Amtszeit. Wie wichtig ist das Projekt für die Ära Morin?
Ich scheue keine Volksabstimmung. Wenn wir die Abstimmung gewinnen, erhält das Projekt eine erhöhte Legitimität. Ich bin gespannt auf den Ausgang. Ich bin gleichzeitig überzeugt, dass es sich gestalterisch um ein sehr gutes Projekt handelt. Die beiden jungen Architekten Focketyn und Del Rio haben sehr gute Arbeit geleistet. Inhaltlich stellen wir Räume bereit, um ein möglichst grosses Potenzial in der Kultur- und Kreativwirtschaft, aber auch für das Quartier auszuschöpfen. Wir schaffen einen Ort, der sehr lebendig sein wird, der dem gesamten Areal die Krone aufsetzen wird.
Sie argumentieren jetzt sehr sachlich. Doch das Thema Kasernen-Hauptbau hat Sie die gesamte Amtszeit hindurch begleitet. Wie wichtig ist das Projekt für Sie ganz persönlich? In Frankreich benannte man die «grands projets» nach den jeweiligen Präsidenten, so wie das Centre Pompidou. Ist der Kasernen-Hauptbau das Basler Centre Morin?
Ja nicht! So etwas kommt in Basel überhaupt nicht infrage. Es ist ein «Haus für alle und für das Neue», wie die Architekten ihr Projekt nennen. Natürlich habe ich mich sehr für dieses Projekt eingesetzt. Es gibt kaum einen Entscheid, über den wir im Regierungskollegium so oft diskutiert haben wie derjenige, dass die Schulen aus dem Kasernen-Hauptbau ausziehen müssen. Diesen Entscheid mussten wir etwa fünfmal fällen. Es war ganz allgemein viel Überzeugungsarbeit und Beharrungsvermögen nötig in der Regierung, in der Verwaltung und im Grossen Rat.
Im Auftritt nach aussen nahm man Sie als eher ruhigen und zurückhaltenden Menschen wahr – manche attestierten Ihnen ein eher hölzernes Auftreten. Sie waren der krasse Gegenpol zu einem Alexander Tschäppät in Bern oder einem Elmar Ledergerber in Zürich, die man beide mit Fug und Recht als «Rampensäue» bezeichnen kann. Waren Sie zu ruhig, um Basel in der Aussenwahrnehmung genügend schillern zu lassen?
Erstens war ich auch im Amt des Regierungspräsidenten der Guy Morin, der ich nun mal bin. Und zweitens bin ich davon überzeugt, dass in Basel eine «Rampensau» an der Spitze nicht das Richtige wäre – auch wenn gewisse Menschen diese Erwartungen hatten. Ich nahm mich auch bewusst zurück, um meinen Kolleginnen und Kollegen nicht zu sehr in der Sonne zu stehen und so die Einheit des Gremiums zu wahren.
Wie sehr soll und darf man als Regierungsrat auf die Entwicklung von Kulturinstitutionen Einfluss nehmen?
Die Freiheit der Kultur ist rechtlich klar garantiert. Inhaltlich dürfen wir keinen Einfluss nehmen. Aber trotzdem erwartet man, dass wir auf einen haushälterischen Umgang mit den finanziellen Mitteln hinwirken, dass wir einen gewissen Publikumserfolg und eine Ausstrahlung unserer Museen garantieren. Die Museen haben ihre Autonomie, aber auch eine Verantwortung dem Kanton und dem Publikum gegenüber.
Da wären wir beim Thema Museumsstrategie oder Museumskonzept, wie es anfangs hiess. Warum haben Sie es nicht geschafft, die geforderte Museumsstrategie noch während Ihrer Amtszeit vorzulegen?
Wir hatten ein Strategiepapier, ich wurde bei der Museumsstrategie aber vom Regierungskollegium zurückgepfiffen.
Demnach war es mehr als nur ein Anlauf?
Ja. Aber die Ideen, die wir eingebracht hatten, waren nicht konsens- oder mehrheitsfähig.
Was waren das für Ideen?
Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es zeigte sich aber einmal mehr, wie schwierig es ist, in einem historisch gewachsenen Rahmen etwas zu bewegen. Das wollten wir, wurden aber eben zurückgepfiffen.
Demnach übergeben Sie Ihrer Nachfolgerin eine grosse Kiste. Muss sie nochmals von vorne beginnen?
Sie muss sich neue Gedanken machen, aber viele Vorarbeiten sind vorhanden.
Welche Diskussionen in Basel gehen oder gingen Ihnen auf die Nerven?
Das typisch Kleingeistige, das immer wieder aufblitzt. Alles wird immer und immer wieder hinterfragt. Manchmal vermisste ich die Grosszügigkeit.
Wie werden Sie als erster Regierungspräsident in Erinnerung bleiben?
Es ist nicht an mir, das zu beurteilen. Ich habe versucht, einem neuen Amt, das sich noch weiterentwickeln muss, ein Gesicht zu geben. Ich freue mich, dass mit Elisabeth Ackermann eine gute Frau folgen wird. Und ich bin überzeugt, dass sich das Regierungspräsidium als Prinzip weiter festigen wird.
Wenn Sie am 8. Februar Ihr Büro verlassen werden, auf was freuen Sie sich?
Es wird sicher ein Loch geben. Man kann nicht zwölf Jahre mitgestalten und dann problemlos von einem Tag auf den anderen alles loslassen.
Was werden Sie auf keinen Fall vermissen?
Ständig in der Öffentlichkeit unter Beobachtung zu stehen. Ich freue mich, wieder etwas mehr Privatsphäre zu haben.
Sie wollen nach zwölf Jahren wieder als Arzt tätig sein. Können Sie das überhaupt noch?
Die wichtigen Assoziationen und Reflexe sind noch da. Aber selbstverständlich werde ich in der Poliklinik einen Auffrischkurs besuchen. Ich freue mich darauf, wieder alltägliche Geschichten von Menschen zu erleben.
Mussten Sie während Ihrer Amtszeit eigentlich mal als Arzt eingreifen?
Es gab einen Anlass, bei dem ich zusammen mit Grossrat Felix Eymann eingreifen musste, als der Weibel von Bundesrat Christoph Blocher während der Muba-Eröffnung zusammenbrach.
Sie können jetzt – zumindest in der TagesWoche – noch ein letztes Wort an Basel richten. Was sagen Sie?
Man kann und sollte stolz sein auf diese Stadt und diesen Kanton. Mein Herz schlägt auch für die Westschweiz, Basel ist die welscheste Stadt der Deutschschweiz. Es ist ein grosses Privileg, hier leben zu können.