«Ich war zutiefst verletzt, zermürbt, allein»

Alt Bundesrätin Elisabeth Kopp sieht nur bedingt Parallelen zwischen ihrem Rücktritt und der Affäre um Philipp Hildebrand.

Nach einer wochenlangen öffentlichen Kampagne musste Elisabeth Kopp Anfang 1989 zurücktreten. (Bild: Miriam Künzli/express)

Alt Bundesrätin Elisabeth Kopp sieht nur bedingt Parallelen zwischen ihrem Rücktritt und der Affäre um Philipp Hildebrand.

Man schrieb das Jahr 1989 und die Schweizer Bevölkerung hielt den Atem an. Eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) enthüllte, dass der Staat seine Bürger jahrelang bespitzelt hatte: 900’000 Dossiers umfasste die Fichensammlung, die der «Schnüffelstaat» angelegt hatte. Ein Jahr später wurde bekannt, dass der Staat eine geheime paramilitärische Widerstandsorganisation aufgebaut und finanziert hatte – am Parlament vorbei. Auslöser für die Enthüllung dieser beiden grössten Skandale der jüngeren Schweizer Geschichte war ein Telefonanruf. Elisabeth Kopp (75), die erste Frau im Bundesrat, riet ihrem Mann aus dem Verwaltungsrat einer Firma auszutreten, die in den Verdacht der Geldwäscherei geraten war. Die Justizministerin der FDP verschwieg das Telefonat und sah sich in der Folge mit einem Mediensturm konfrontiert, der in seinem Ausmass an die aktuelle Affäre um Nationalbank-Präsident Philipp Hildebrand erinnert. Unter dem Druck der Öffentlichkeit trat Kopp 1989 zurück.

Die daraufhin eingesetzte PUK konnte Kopp keine Verfehlung nachweisen, stiess aber auf den Fichenskandal und löste damit auch die Enttarnung der geheimen Widerstandsarmee aus. Dennoch haftete Kopp in der öffentlichen Wahrnehmung ein Makel an, den sie erst in den vergangenen Jahren abstreifen konnte. Die alt Bundesrätin fürchtet, dass der Fall Hildebrand die Schweiz ähnlich lange beschäftigen könnte.

Frau Kopp, verschiedene Beobachter ziehen Parallelen zwischen dem Fall Hildebrand und Ihrem Rücktritt im Jahr 1989. Sie auch?

Beiden Rücktritten ging eine Medienkampagne voraus. Dennoch sind die beiden «Affären» nur schwer miteinander vergleichbar. Ein Unterschied liegt da­rin, dass ich nie irgendetwas für meinen eigenen Vorteil erreichen wollte. Das möchte ich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit wiederholen.

Und dennoch war das Ergebnis dasselbe.

Mein Rücktrittsmotiv, und auch das wird oft verkannt, war einzig, dass ich mein Amt schützen wollte. Im Gegensatz zu den aktuellen Vorkommnissen in der Nationalbank gab es in meinem Departement auch nie eine Unterschung, geschweige denn eine Ermittlung gegen die Shakarchi Trading AG, über die Gerüchte wegen Geldwäscherei zirkulierten, und in welcher mein Mann im Verwaltungsrat Einsitz hatte. Die Polizei schaltete sich erst ein, als sie der Geschäftsführer der Firma darum anflehte. Er wollte einen Strich unter die Geschichte ziehen. Mein Telefonanruf an meinen Mann konnte ja keinen andern Sinn gehabt haben, denn hätten Ermittlungen eine Verfehlung ergeben – was sie nicht taten –, wäre er nach wie vor haftbar gewesen. Ausserdem war mein Mann zum Zeitpunkt meines Anrufs längst im Bild. Es war auch in einem Protokoll schriftlich festgehalten, dass er sich einen Rücktritt aus dem Verwaltungsrat wegen meines Amtes vorbehält. Es war kein Eigeninteresse von meiner Seite vorhanden.

Warum traten Sie dennoch zurück?

Ich stand mit dem Rücken zur Wand. Ich fühlte mich absolut wehr- und machtlos. Ich war zu diesem Zeitpunkt zwanzig Jahre in der Öffentlichkeit und plötzlich wurde meine Integrität in Zweifel gezogen. Ich hatte keine Unterstützung vom Bundesrat oder von meiner Partei – nichts. Dazu kam die Medienkampagne. Ein Beispiel: Kurz nach meinem Rücktritt gab ich der damaligen «Weltwoche» ein ausführliches ­Interview, ich zeigte dem Journalisten sämtliche Akten. Das Interview war korrekt, aber darüber stand ein fetter Titel: «Immer noch schönfärberisch und einsichtslos». Damit war das Interview im Eimer. Ich war zutiefst verletzt, zermürbt und allein damals.

Können Sie unter diesen Umständen den Rücktritt von Hildebrand nachvollziehen?

Offenbar haben der Bankrat und die Revisionsgesellschaft nicht sämtliche Unterlagen besessen – das hat die Situation von Hildebrand verschlechtert. Aber Philipp Hildebrand hat gegen kein Reglement ver­stossen. Wenn man ihm einen Vorwurf machen will, dann vielleicht den der mangelnden Sensibilität. Beim heutigen Stand der Dinge bleibt als einziger Vorwurf, dass er sagte, er habe nichts von den Geschäften seiner Frau gewusst. Ich bedaure es aus­serordentlich, dass ein derart fähiger Mann wie Herr Hildebrand zurückgetreten ist. Er war international gut vernetzt, das wäre ein grosser Vorteil für die Schweiz in Zeiten der Wirtschafts- und Eurokrise gewesen. Sein Rücktritt kommt zum schlimmstmöglichen Zeitpunkt. Man kann ihm die fehlende nötige Sensibilität zum Vorwurf machen, aber das musste nicht zwingend zum Rücktritt führen. Die Katastrophe war, dass die Affäre in die Medien gelangte. Man hätte das auch intern bereinigen können. Ich bedaure, dass der Bankrat ihn fallengelassen hat.

Und Sie denken, der Vorfall wäre tatsächlich bereinigt worden?

Ja. Man hätte das interne Reglement für die Eigengeschäfte der Direktionsmitglieder angepasst; Herr Hildebrand hätte ganz sicher nicht noch einmal ein solches Geschäft getätigt, und die Schweiz hätte einen fähigen Mann behalten können. Formell hat Hildebrand ja nicht gegen das Reglement verstossen. Alles in allem haben wir es hier mit einer Kumula­tion von ganz unglücklichen Umständen zu tun. Mich würde sehr interessieren, wer Interesse daran hatte, dass die ganze Geschichte publik wurde. Ich spekuliere nicht gern, aber wahrscheinlich hat sich Herr Hildebrand mit seinen Ideen zur Regulierung der Banken nicht nur Freunde gemacht.

Ein Seitenaspekt der Affäre ist das Verhalten von Christoph Blocher und seiner SVP. Wie beurteilen Sie seine Rolle?

Ich weiss nicht, was dahintersteckt. Ich will niemanden beschuldigen, aber es ist schon auffallend, dass sämtliche Beteiligte SVP-Mitglieder sind und auch die «Weltwoche» eine so zentrale Rolle spielte. Sie ist ja, vorsichtig ausgedrückt, zumindest SVP-nah. Auf die längere Sicht bekommen wir in der Schweiz ein grundsätzliches Problem: Wenn Leute mit derartigen Kampagnen rechnen müssen, wenn sie sich in einem öffentlichen Amt exponieren, werden wir je länger, desto weniger gut qualifizierte Leute für wichtige Ämter finden. Damit meine ich auch explizit den Bundesrat. Ich bin auch aus diesem Grund froh, dass Eveline Widmer-Schlumpf nicht abgewählt wurde. Jede unbegründete Abwahl ist schlecht für die Stabilität unseres Landes.

Hildebrand wird wohl nicht lange arbeitslos bleiben und auch sein Ruf hat – bis heute und im Gegensatz zu Ihnen – nicht stark gelitten. Wie geht es Ihnen heute? Fühlen Sie sich in der Zwischenzeit rehabilitiert?

Schon. Aber es hat zu lange gedauert und mich jeder Chance für einen beruflichen Neuanfang beraubt. Damals wie heute war eine Hysterie vorhanden, die jeglichen gesunden Menschenverstand ausschaltete.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13/01/12

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