«Ich will Regierungsrat werden und nicht Mister Schweiz»

Der Basler CVP-Präsident Lukas Engelberger will den Sitz von Carlo Conti in der Regierung erben. Es ist die logische Fortsetzung einer politischen Laufbahn, die sich stark am grossen Vorbild Conti zu orientieren scheint.

Wenn er nicht Regierungsrat wird, kann Lukas Engelberger immer noch als Model für Rammstein-Optik arbeiten. (Bild: hansjoergwalter.com)

Der Basler CVP-Präsident Lukas Engelberger will den Sitz von Carlo Conti in der Regierung erben. Es ist die logische Fortsetzung einer politischen Laufbahn, die sich stark am grossen Vorbild Conti zu orientieren scheint.

Regierungsrat will Lukas Engelberger (CVP) schon seit Längerem werden. Nun steht er, nach dem angekündigten Rücktritt seines Vorbilds Carlo Conti wegen nicht korrekt abgebuchter Nebeneinkünfte, dem Ziel so nahe wie noch nie. Es wäre ziemlich erstaunlich, wenn seine Partei ihn am 24. Februar nicht als Regierungsratskandidaten nominieren und er am 18. Mai nicht gewählt würde. Im Gespräch erklärt Engelberger seine Motivation für die Kandidatur – und er erzählt, wie wichtig ihm die Kirche ist und was ihn mit Sicherheitsdirektor Baschi Dürr verbindet.

Lukas Engelberger, herzliche Gratulation zu Ihrem baldigen Job als Regierungsrat.

Es ist verfrüht, mir zu gratulieren – und man sagt auch, dass es Unglück bringt, wenn man zu früh gratuliert. Aber danke! Ich kann Glück brauchen.

Nicht so bescheiden!

Man weiss bei Wahlen nie, was am Schluss herauskommt. Es ist auch noch offen, ob die Partei mich am 24. Februar tatsächlich nominiert.

Es wäre ein Wunder, wenn nicht.

Meine Chancen sind intakt. Ich weiss momentan von keinen weiteren Kandidaturen in meiner Partei für das Regierungsamt. Aber das kann ja noch passieren.

Sie haben in den letzten Wochen ziemlich gezögert und so getan, als müssten Sie sich eine Kandidatur gut überlegen. Dabei ist doch schon lange klar, dass Sie wollen.

Der Rücktritt von Carlo Conti kam völlig überraschend für mich. Niemand rechnete damit, dass er bereits in der ersten Hälfte der Legislatur zurücktritt. Deshalb brauchte ich noch ein wenig Zeit. Aber ja: Der Entscheid für eine Kandidatur hat sich in den letzten Wochen angebahnt, auch in Gesprächen mit ­meiner Familie, dem Arbeitgeber und in der Partei. Ich wollte das aber gut überdenken, auch ausserhalb des Alltags. In den Skiferien letzte Woche habe ich mich darin dann ­bestätigt gefühlt, und nun bin ich bereit, loszulegen.

«Die Kandidatur ist der nächste logische Schritt in meiner Laufbahn.»

Gab es überhaupt Gründe ­dagegen?

Man wird halt aus der beruflichen Laufbahn geschmissen. Man macht etwas ganz anderes – etwas, wofür es nicht wirklich einen grossen Markt gibt. Aber ich musste nicht gross mit meinem Entscheid ringen.

Für Sie würde mit dem Job ja auch ein Traum in Erfüllung ­gehen.

Ja, ich kann mir das schon seit ein paar Jahren vorstellen. Dass es ­gerade jetzt so aktuell wird, hätte ich jedoch nicht erwartet. Ich bin seit zehn Jahren im Grossen Rat und somit in meiner letzten Amtsperiode. Anschliessend müsste ich wegen der Amtszeitbeschränkung aus dem ­Parlament austreten. Auch deshalb ist die Kandidatur der nächste logische Schritt in meiner politischen Laufbahn.

Wie muss man sich Sie als Regierungsrat vorstellen?

Ich hoffe, glaubwürdig und integer. Ich würde versuchen, den unterschiedlichen Ansprüchen der Bevölkerung gerecht zu werden.

Eine Bezugsperson in der Regierung hätten Sie ja bereits mit ­Baschi Dürr (FDP).

Es würde mich sehr freuen, wenn ich mit ihm in der Regierung zusammenarbeiten könnte. Wir haben damals, als er noch Grossrat war, schon viel gemeinsame Sache gemacht. Wenn die Zusammenarbeit eine Fortsetzung haben könnte, wäre das natürlich schön.

«Baschi Dürr ist ein sehr guter Freund von mir.»

Wie lange kennen Sie sich schon?

Seit der Schulzeit. Wir haben zur gleichen Zeit in der Politik angefangen. Ich war Präsident des Schülerparlaments am ehemaligen Humanistischen Gymnasium am Münsterplatz und er am damaligen RG Kirschgarten – so haben wir uns kennengelernt. Und daraus wurde eine Freundschaft. Er ist ein sehr guter Freund von mir.

Und in ein paar Jahren könnte mit Conradin Cramer (LDP), den Sie auch aus Ihrer Zeit als Jungpolitiker kennen, noch ein weiterer Freund von Ihnen anstelle von Regierungsrat Christoph Eymann nachrücken. Das Triumvirat aus der Jugendzeit wäre somit in der Regierung wieder vereint.

Das wäre die perfekte Konstellation (lacht). Wir werden sehen.

Sie sind dreifacher Vater. Würden Sie auch wie Baschi Dürr ­einen halben Tag frei nehmen als Regierungsrat?

Ich glaube nicht. Ich werde versuchen, unseren jetzigen Alltag weitgehend weiterzuführen. So bringe ich heute, wenn meine Frau im Spital arbeitet, die Kinder in den Kindergarten oder in die Spielgruppe, anschliessend fahre ich mit dem Velo zur Arbeit. Ich will das auch weiterhin machen können als Regierungsrat.

Nicht nur Baschi Dürr freut sich auf Sie als Regierungsrat. Roche ebenfalls.

Das müssen Sie Roche fragen. Ich habe kein Mandat, für die Roche zu sprechen.

«Die Anliegen der Pharma sind gerade in Basel sehr wichtig.»

Trotzdem: Sie arbeiten bei der Roche und gelten als Vertreter der Pharma.

Ich finde es generell wichtig, dass die Wirtschaftsanliegen der Politik bekannt sind und dort ernst genommen werden. Die Anliegen der ­Pharma sind gerade in Basel als Pharmastandort sehr wichtig. Es ist deshalb legitim und richtig, dass ihre Bedürfnisse eine wichtige Rolle spielen. Es gilt, gute Voraussetzungen für die Pharmabranche zu schaffen.

Inwiefern würden Sie sich als Regierungsrat für die Pharma einsetzen?

Ich weiss, dass es eine wichtige Branche ist, und ich hätte wegen meiner jetzigen Tätigkeit bei der ­Roche eine gewisse Innensicht. Das hilft mir allenfalls, die wichtigen Punkte zu erkennen. Es ist bei mir aber allgemein so, dass ich wirtschaftsfreundlich politisiere. Das hat nichts mit meiner Arbeit bei der Roche zu tun. Ich bin schon ­länger Grossrat als Roche-­Mitarbeiter.

Sie müssten mit grosser Sicherheit das Gesundheitsdepartement übernehmen. Dabei war dies im Grossen Rat nicht Ihr Thema.

Ich schaue die Departementsverteilung nicht als gesetzt an. Es könnte auch anders kommen. Wer sich zur Wahl stellt, muss fähig und willens sein, jedes Departement zu übernehmen – und das wäre ich. Es stimmt aber schon, dass ich in anderen Politikbereichen als Parlamentarier aktiver war und deutlichere Spuren hinterlassen habe als in der Gesundheitspolitik. Das liegt auch daran, dass das Gesundheitswesen sehr komplex ist und nur zum Teil vom Kanton aus gesteuert werden kann. Berührungspunkte gab es aber doch: Ich habe als Fraktionssprecher damals bei der Verselbständigung der öffentlichen Spitäler eine aktive Rolle gespielt und vor wenigen Wochen einen Vorstoss zur steuerlichen Abzugsfähigkeit der Krankenkassenprämien eingereicht. Zudem war ich als Angestellter schon im Gesundheitsdepartement tätig. Ich bin zuversichtlich, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin.

«Inhaltlich arbeiten wir mit der SVP gut zusammen.»

Kein bisschen Bammel?

Was ich noch nicht aus eigener Erfahrung abschätzen kann, ist die Führungsverantwortung für eine grosse Organisation. Diese hatte ich in diesem Umfang noch nie. Ich leite ein kleines Team bei der Roche, habe mal eine Kommission präsidiert und bin Parteipräsident. Insofern habe ich Führungserfahrung. Aber eine Organisation mit mehreren Hierarchiestufen zu führen, das stelle ich mir schon herausfordernd vor, da müsste ich mich schon zuerst mal einfinden. Ich bin jedoch guter Dinge.

Die CVP zeigt sich plötzlich offen für ein bürgerliches Viererticket mit der SVP bei den Gesamt-erneuerungswahlen 2016. Wieso der Sinneswandel? 2012 tönte es noch anders. Da wollte die CVP nicht mit der SVP zusammenspannen.

Das ist nicht ganz meine Wahrnehmung von damals. Es war für mich eher so, dass die SVP nicht mit uns zusammenarbeiten wollte und zwei eigene Kandidaten brachte. Es gab allerdings 2011 Diskussionen um eine gemeinsame Ständeratskandidatur. Die Parteileitung und der P­arteivorstand der CVP – unter anderem auch ich – wollten Sebastian Frehner als Kandidat unterstützen. In der Partei fanden wir allerdings ganz knapp keine Mehrheit dafür. Ich kann mir persönlich jedoch gut vorstellen, dass wir bei den nächsten Wahlen 2016 für den Regierungsrat eine optimale Lösung finden werden.

Was bringt Ihnen das? Hoffen Sie, dass die SVP Sie bei der ­Ersatzwahl vom 18. Mai unterstützt und doch noch auf eine eigene Kandidatur, die ohnehin als chancenlos gilt, verzichtet?

Ich bin nicht sicher, ob die Unterstützung der SVP einen so grossen Unterschied machen würde für mich. Es wäre einfach langfristig ­gesehen hilfreich, wenn wir die SVP einbinden könnten. Denn inhaltlich arbeiten wir in einigen Bereichen schon gut zusammen, aktuell etwa bei den Referenden gegen die Quotenregelung oder gegen das Tram Erlenmatt.

«Das finde ich eine unfaire Aussage.»

Immer wieder heisst es, dass die CVP keine verlässliche Partnerin sei. Bei den letzten Gesamt­erneuerungswahlen verlor Ihre Partei prozentual – wohl abgestraft für ihre ambivalente ­Haltung.

Das finde ich eine unfaire Aussage. Wir sind eine bürgerliche Partei – die erste bürgerliche Partei von der politischen Mitte aus gesehen. Wir sind von allen bürgerlichen Parteien diejenige, die am meisten noch soziale oder ökologische Verantwortung wahrnimmt. Das macht uns nicht unklar, sondern differenziert und moderat.

Dennoch: Die CVP ist schwer einschätzbar.

Das stimmt so nicht. Aber eine differenzierte Politik ist nicht ganz einfach zu kommunizieren, sondern eine Herausforderung. Für Parteien wie die SVP oder SP ist es einfacher zu sagen, dass sie seit Jahrzehnten für eine unabhängige Schweiz oder für soziale Gerechtigkeit ist. Das ist plakativer und lässt sich einfacher verkaufen. Es ist aber auch einseitig.

Wieso sind Sie ausgerechnet mit 18 zur CVP und nicht zur FDP ­gestossen?

Das hat sich so ergeben. Ich suchte aufgrund meiner Positionen eine ­politische Heimat. Da hat mich die CVP sehr angesprochen: bürgerlich, lösungsorientiert, verbindend. Und dann haben mich auch Persönlichkeiten in der Partei wie Carlo Conti, der damals Parteipräsident war, oder Beatrice Inglin, damals Grossrätin und Sektionspräsidentin, beeindruckt.

«Ich habe Carlo Conti bewundert.»

Welche Rolle spielte Conti in ­Ihrer Karriere?

Er hat die Partei sehr stark geprägt. Ich habe ihn bewundert. Er hat sein Amt als Regierungsrat sehr gut ausgeübt. Ich finde, er hat eine sehr gute Art, Brücken zu schlagen bei Themen, die sich im Links-rechts-Spannungsfeld bewegen. Er ist souverän und menschenfreundlich. Insofern war er ein Vorbild für mich, als ich jünger war.

Als Sie ihn mit 18 kennenlernten, dachten Sie also, genau so will ich auch werden?

Nein, das nicht gerade. Man sollte ja nicht kopieren. Ich dachte damals einzig, dass er die Partei sehr gut führt und politisch eine gute Vorstellung hat.

Aber es ist doch schon sehr erstaunlich, wie viele Ähnlichkeiten es in Ihrer Karriere zu jener Contis gibt. Auch er arbeitete bei der Roche, auch er war Parteipräsident. Sie machten zudem als ­Jurist ein Volontariat in seinem Departement und wurden ­danach als Projektleiter angestellt.

Das ist Zufall. Allen voran die Tätigkeit bei der Roche.

«Ich habe mit Conti mitgefühlt.»

Sie bewunderten ihn sehr, umso mehr enttäuscht sind Sie bestimmt über seine Verfehlungen.

Ja, natürlich, das habe ich sehr bedauerlich gefunden – er ja auch. Klar war ich ein bisschen enttäuscht über sein Handeln, aber eine Welt ist deswegen nicht zusammengebrochen. Sein Erreichtes für diesen Kanton bleibt für mich im Vordergrund, seine Versäumnisse überschatten seine sonstigen Leistungen nicht. Zudem hat mich die Gradlinigkeit beeindruckt, mit der er die ­persönliche Konsequenz gezogen und seinen Rücktritt angekündigt hat.

Sie wirkten an Contis Medienkonferenz Anfang Januar völlig durch den Wind und an­geschlagen.

Das haben mir ein paar Menschen gesagt. Ich habe mich selber nicht dermassen durch den Wind gefühlt. Das Ganze ging mir aber schon nahe, und es tut mir leid für ihn.

Er ist selber schuld.

Trotzdem war es kein schöner Moment für ihn nach einer so langen, erfolgreichen Karriere. Innert weniger Tage nahm diese Karriere eine dramatische Wendung. Ich habe mit ihm mitgefühlt, es war eine intensive Zeit.

War Ihr Beitrittsentscheid zur CVP eigentlich auch religiös ­bedingt?

Nein. Ich bin zwar römisch-katholisch aufgewachsen und habe mich eine Zeit lang auch in einer Pfarrei engagiert. Das hatte aber nichts mit dem Entscheid für die CVP zu tun.

«Ich glaube, ich bin leicht einschätzbar.»

Spielt der Glaube bei Ihnen eine grosse Rolle?

Doch, persönlich schon, politisch ­jedoch nicht. Der Glaube ist Teil meiner Identität. Ich habe in der Kirche eine Verbundenheit, die mir etwas bedeutet – religiös und kulturell. Ich bin jedoch nicht ein besonders aktiver Kirchgänger.

Es ist schwer, Sie zu fassen. Auch hier gibt es wieder Ähnlichkeiten zu Conti.

Das finde ich nicht. Ich glaube, ich bin leicht einschätzbar.

Sie sind sehr nett – aber was noch?

Ich glaube, dass ich ein relativ besonnener Mensch bin – trotzdem geduldig und energisch. Ich hoffe, dass ich einen seriösen, vertrauenserweckenden und kompetenten Eindruck mache. Ich habe wenig Sprunghaftes an mir, bin eine konstante Person. Das ist jedenfalls mein Wunschbild …

… und langweilig können Sie auch wirken, heisst es.

Ich versuche immer authentisch und sachlich zu sein, deshalb bin ich kein Showman und trenne Privates und Politisches. Ich suche zudem keine Konflikte, sondern bin harmonieorientiert. Wenn das langweilig wirkt, muss und kann ich damit durchaus leben. Ich will ja Regierungsrat ­werden und nicht Mister Schweiz.

Als Regierungsrat müssen Sie auch mal auf den Tisch ­hauen können. Es ist schwer ­vorstellbar, dass Sie das ­können.

Doch, das passiert hin und wieder schon.

Bei was?

Intrigen, Ungerechtigkeiten, ­forscher Arroganz.

Lukas Engelberger sitzt seit 2004 für die CVP im ­Gros­sen Rat und ist dort Mitglied der Wirtschafts- und Abgabekommission. Seit April 2013 ist er Parteipräsident der Basler CVP. Von 1995 bis 1999 präsidierte er die Junge CVP Basel-Stadt.
Der 38-Jährige studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Basel und Fribourg. Zudem absolvierte er ein einjähriges Programm mit Schwerpunkt Internationales Wirtschaftsrecht an der Universität London. Nach einer zweijährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt bei der Kanzlei Bär & Karrer in Zürich arbeitet er seit September 2005 als Rechtskonsulent bei der Roche.
Der Klavierspieler ­engangiert sich unter anderem für das Kinderbüro ­Basel und für die Casino-Gesellschaft Basel. Lukas Engelberger ist verheiratet und Vater dreier kleiner ­Kinder. Die Familie lebt im Gundeli.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 31.01.14

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