Einigermassen erschüttert hat Fussball-Basel die jüngste Ergebnis- und Leistungskrise des FCB zur Kenntnis genommen. Mit den Frontmännern war es nach der Niederlage in St. Gallen schwer, in Kontakt zu treten, und der Präsident weilte in München, um sich Angelegenheiten seiner Unternehmungen anzunehmen. Nach dem Spiel am Samstagabend und den wichtigen Punkten, die der FC Basel dem Erzrivalen FC Zürich abgerungen hat, nahm sich Bernhard Burgener, der Mehrheitsaktionär und Präsident des FC Basel, in der Mixed-Zone des St.-Jakob-Park Zeit für ein paar Fragen und Antworten.
Herr Burgener, um es mit Ihren Worten auszudrücken: Haben Trainer Raphael Wicky und die Mannschaft mit diesem 1:0-Sieg gegen den FCZ «geliefert»?
Bernhard Burgener: Wir sind überglücklich. Es ist ein schwieriger Moment gewesen, es hat eine gewisse Unruhe geherrscht und viele haben von einer Krise geredet. Aber Lausanne und St. Gallen sind keine einfachen Gegner. Und gegen den FCZ hat man von Anfang an Willen und Kampfgeist gesehen. Die Mannschaft ist mit Herz drangegangen und hat verdient gewonnen. Das freut mich für Raphael Wicky und alle Spieler.
Beruhigt dieses Resultat nun schon die Situation?
Ich bin nicht beunruhigt gewesen, das will ich betonen. Wir haben einen grossen Umbruch gemacht, und vonseiten der Medien – das gehört zum Geschäft – ist ein Riesendruck gekommen. Den habe ich von Fanseite weniger gespürt. Es gab berechtigte Fragen, und mir ist es um die erste Halbzeit am Mittwoch in St. Gallen gegangen. Da war die Kritik sicher berechtigt. Ich hatte den Eindruck, wir treten da als Meister und Krösus an und sind überrascht worden. Auf diese Niederlage hat die Mannschaft sehr gut reagiert.
Waren Sie denn selbst in St. Gallen im Stadion, um diesen Eindruck zu gewinnen?
Nein, ich habe das Spiel am Fernsehen geschaut.
«Heute kommt man wieder ins Stadion und ist angespannt, auch ich.»
Haben Sie in den letzten Tagen den Kontakt zur Mannschaft gesucht?
Mein Ansprechpartner, mit dem ich täglich in Kontakt bin, ist Marco Streller. Was die Auswahl der Spieler und die Einstellung anbelangt, dafür haben wir eine sportliche Führung. Die haben absolut mein Vertrauen, und nichts wäre schlimmer, als ihnen da reinzureden. Marco Streller hat das Spiel in St. Gallen ganz ähnlich gesehen, während ich eher als Fan denn als Präsident geredet habe. Das mache ich nicht immer, aber ich wollte da auch nichts wegdiskutieren.
Sie haben im Interview mit dem «Blick» die Mannschaft «leidenschaftslos» und «überheblich» genannt und relativ hoch gepokert, wenn Sie fordern, dass Wicky liefern muss.
Da muss man aufpassen: Die Schlagzeilen mache nicht ich. In St. Gallen haben Kampfgeist und Leidenschaft gefehlt in der ersten Halbzeit. Gegen den FC Zürich hat man gesehen, dass die Mannschaft alles gibt. Meine Kritik hat überhaupt nichts mit Vertrauen zu tun und war auch nicht als Drohung gemeint. Wir haben ein Konzept ins Leben gerufen, wir haben das Profikader reduziert, und die Gruppe mit Marco Streller, Massimo Ceccaroni und Alex Frei macht das hervorragend. Zuletzt sind selbst im Moment des grössten Erfolgs und des grossen Punktevorsprungs in der Liga unsere Zuschauerzahlen um elf Prozent zurückgegangen. So gesehen haben wir wieder für Spannung und Unterhaltung gesorgt. Heute kommt man ins Stadion und ist angespannt, auch ich. Aber der Verein ist in eine Richtung unterwegs, die mich absolut glücklich macht. Was jetzt noch fehlt, und das sagen die Leute ja zurecht, ist der Erfolg.
«Der Nachfolger für Matias Delgado muss wohlüberlegt sein. Der Auftrag ist da und er kommt.»
Gehen wir einen Schritt zurück: Dass mit zwei gestandenen Stürmern, mit Marc Janko und Seydou Doumbia nicht mehr verlängert worden ist, ist in der Öffentlichkeit hoch und runter debattiert worden. Dann kam der Rücktritt von Matias Delgado. Warum wurde darauf nicht reagiert? Zeit genug bis zum Ende der Transferperiode wäre gewesen.
Der Rücktritt ist für uns völlig überraschend gekommen, das war nicht der Plan. Die drei darauffolgenden Spiele wurden gewonnen, das hat man also gut in den Griff bekommen. Aber wir wissen, dass das nicht irgendeine Position ist. Matias Delgado war unser Captain, und er hatte eine Vorbildfunktion. So jemanden zaubert man nicht aus dem Hut. Ich habe es bei meinen vielen Firmen und Beteiligungen immer so gehalten: Das Wichtigste ist, dass ich spüren muss, das jemand zu uns will. Es sind viele Namen gefallen, aber da habe ich das nicht gespürt. Ich rede nicht rein, was die Qualität von Spielern betrifft, aber wenn wir jemanden engagieren, dann muss ich das Gefühl haben, dass er zum FC Basel will. So eine Verpflichtung muss wohlüberlegt sein, denn der Spieler muss in allen Belangen, spielerisch und charakterlich, zu uns passen. Den haben wir in der kurzen Zeit nicht gefunden. Aber was klar ist: Der Auftrag ist da und der kommt.
Also schon im Winter, in der nächsten Transferperiode?
Das ist das Ziel. Und es ist auch keine Budgetfrage. Wir müssen jetzt einfach jemanden finden. Das ist eine grosse Herausforderung für Sportchef Marco Streller und Chefscout Ruedi Zbinden, und das traue ich ihnen auch zu.
Sie sind also nicht auf dem Geld gesessen?
Überhaupt nicht. Wenn es gepasst hätte, hätten wir es gemacht. Ricky van Wolfswinkel wollte zu uns, Dimitri Oberlin auch, aber einen Ersatz für Matias Delgado haben wir nicht gehabt. Es ist eine Schlüsselposition. Wir wollten zwar im Kader abbauen, aber mit seinem Rücktritt haben wir nicht gerechnet. Und auch wenn es ein für uns unglücklicher Moment war: Dafür brauchte es auch eine grosse Aufrichtigkeit von Delgado.
«In der Not wächst man zusammen. Da kann sich ein Team formen und Charakter zeigen.»
Welche Reaktionen von aussen haben Sie in der jüngsten Ergebnis- und Leistungskrise erhalten?
Manche sagen, es ist das Ende. Andere sagen, es sei der Anfang vom Ende. Ich antworte denen: Dann ist der Sieg gegen den FCZ das Ende der schwierigen Zeiten. Ich habe ein Leben lang gelernt: Krisen gehören zu jeder Heldengeschichte, und in der Not wächst man zusammen. Dann kann sich ein Team formen und Charakter zeigen. Und das hat es gegen den FC Zürich getan. Ich bin überzeugt von dem, was in dieser Mannschaft steckt. Wir haben einen grossen Umbruch gemacht, zu dem stehe ich, dafür bin ich gekommen und jetzt machen wir das einfach. Basel hat eine so grossartige Geschichte unter der bisherigen Führung geschrieben. Aber was ins Hintertreffen geraten ist: Wir müssen besser regional verankert sein. Wenn man sich die Aufstellung anschaut, mit der 2011 das grosse Manchester United geschlagen wurde: Da sind alles Junge, alles Basler gewesen. Mein Plan war, zwischen 2017 und 2020 sechs bis acht Basler in der Mannschaft zu haben. Jetzt haben wir schon acht Spieler aus der Region im Kader, das ist alles viel schneller gegangen. Und denen muss man jetzt auch ein bisschen Zeit geben.
Apropos Zeit geben: Jean-Paul Brigger, den Delegierten des Verwaltungsrates, nimmt man seit seinem Arbeitsbeginn Anfang August in Basel noch so gut wie nicht wahr.
Er ist meine rechte Hand und in diesem Sinne mein Stellvertreter. Eine Aufgabe ist die Internationalisierung des Vereins, und dazu ist Jean-Paul Brigger das Bindeglied zum Verkauf. Wir machen eine Bestandsaufnahme und bauen eine schöne Organisationsstruktur auf.
Wie sind Ihre Erwartungen in der Champions League? Wie hoch legen Sie da die Latte für die Mannschaft?
Ich halte an unseren Zielen fest: Titelverteidigung und international überwintern. Das bedeutet mindestens Platz 3 in der Champions League. Mir hat der Match in Manchester gefallen, obwohl das Resultat (3:0) etwas anderes aussagt. Aber da stehen sich Budgets von 565 Millionen und 48 Millionen gegenüber. So gesehen hat sich die Mannschaft dort hervorragend geschlagen. Wir haben auch gesehen, wie ZSKA Moskau die Aufgabe in Lissabon gelöst hat. Für Spannung am Mittwoch gegen Benfica ist also gesorgt. Wir haben sensationelle Vorverkaufszahlen, und wenn portugiesische Mannschaften in Basel spielen, ist immer einiges los. Es wird wieder eine echte Herausforderung für uns, auch unsere Spieler wollen etwas zeigen, und deshalb freue ich mich auf ein Fussballfest.
Sind Sie nach diesem Sieg im Klassiker erleichtert?
Es ist vielleicht falsch rübergekommen. Ich war enttäuscht, wie es gegen Lausanne und in St. Gallen rausgekommen ist. Aber es sind 36 Spiele, und es wäre nicht gut, wenn ich bei Siegen jeweils in Euphorie verfallen würde und umgekehrt. Von einer Führung erwartet man, dass sie Rückgrat zeigt und zum Verwaltungsrat und zum Trainer steht. Das ist für mich keine Diskussion. Man muss sie in Ruhe schaffen lassen. Wenn bei mir ein Film nicht gut läuft, läuft halt der nächste. Wenn ich deshalb jedes Mal eine Krise im Haus hätte, würde ich ja verzweifeln. Ein erster Meilenstein beim FCB wird Anfang Dezember sein. Dann wissen wir, dann weiss ich mehr. Und im Frühjahr bringen wir einen für Delgado.