Anton Lauber (CVP) wird am 9. Juni Baselbieter Regierungsrat. Das wissen alle, nur er selber will es noch nicht sagen.
Es sind Details, die entscheiden, ob man von der Öffentlichkeit als entschlossener Staatsmann wahrgenommen wird. Wir unterstellen Anton Lauber: Der weiss das. «Sie können gerne den Lift nehmen, ich gehe zu Fuss», sagt der Allschwiler Gemeindepräsident zur Begrüssung morgens um 8 Uhr in seiner Gemeindeverwaltung. Natürlich gehen wir zu Fuss, hoch in den dritten Stock, das Präsidentenbüro. Auf dem Tisch steht eine halb volle Flasche Cola, es sei spät geworden gestern Abend. Einwohnerrat, Gemeinderat, das volle Programm.
Lauber muss sich nicht mehr lange mit der kommunalen Politik herumschlagen: Am 9. Juni wird er als Kandidat der CVP in die Regierung gewählt. Sein Gegenkandidat, Thomi Jourdan von der Fraktionspartnerin EVP, gilt als chancenlos. Was Lauber natürlich nicht laut sagen will.
Herr Lauber, nehmen Sie schon Gratulationen entgegen?
Anton Lauber: Nein!
Warum nicht?
Das wäre überheblich und atypisch für mich. Ich nehme meinen Mitbewerber ernst, seine Person, seine politischen Anliegen. Der Diskussion mit ihm werde ich mich stellen, mit gesundem Selbstvertrauen.
Ist es nicht sogar besser, einen Konkurrenten zu haben? So erhält Ihre unbestrittene Wahl etwas mehr demokratische Legitimation.
Demokratische Legitimation ist für jedes politische Amt eine wichtige Voraussetzung. Das habe ich als Gemeindepräsident von Allschwil gelernt. Es geht dabei um die Frage, wie man sein Amt versteht. Ich bin Exekutivpolitiker mit Herzblut, mich interessieren sämtliche Wünsche, egal, ob sie von links oder rechts kommen. Ich möchte möglichst allen Anliegen gerecht werden, möchte Lösungen erarbeiten. Da ist Legitimation wichtig.
Den erfahrenen Exekutivpolitiker hört man Ihnen auch an. Sie antworten mit einem Halbsatz auf unsere Frage und verkünden dann Ihr Wahlprogramm.
Sie dürfen gerne nachfragen, wenn Sie mit einer Antwort noch nicht zufrieden sind. Meine Aussage war kein Wahlprogramm, sondern eher ein Statement, wie ich meine Arbeit verstehe. Ich will ein Exekutivpolitiker für alle sein, und dafür braucht es die demokratische Legitimation.
In der Regierung sind wohl bald wieder genau jene Parteien vertreten, die die finanziellen Probleme verursacht haben. Und auch dahinter steht mit der Wirtschaftskammer die gleiche Kraft wie eh und je. Warum soll plötzlich alles besser werden?
Die Diskussion, ob der Kanton nun in einer Misere steckt und wer daran schuld sein soll, halte ich für schwierig. Richtig ist, dass der Kanton Basel-Landschaft ein strukturelles Defizit hat. Mit dem Entlastungspaket 12/15 haben Regierung und Landrat aber am richtigen Ort angesetzt.
Das empfand die Baselbieter Bevölkerung etwas anders, wie das Nein zum Sparpaket im Juni 2012 zeigte.
Das ist Politik, das ist Demokratie. Unser Ziel muss es sein, dass wir in Zukunft kein solches Paket mehr brauchen. Wir brauchen eine grössere Ausgabendisziplin. Und man darf das Problem auch gerne von der anderen Seite anschauen: Unsere Pro-Kopf-Verschuldung ist um einiges tiefer als jene in der Stadt.
Stimmt. Das ändert aber nichts am strukturellen Defizit.
Wir dürfen nicht nur schwarzmalen. Ein wichtiger Aspekt ist die Wirtschaftsoffensive des Kantons Basel-Landschaft. Alle Partner aus Wirtschaft, Politik, Finanzen und Grundeigentümer ziehen dabei an einem Strick. Baselland ist ein interessanter Wirtschaftsstandort. Den müssen wir erhalten und ausbauen.
Finden Sie es in Ordnung, dass Gewerbler über die Wirtschaftskammer für den Wahlkampf von Ihnen und Herrn Weber aufkommen müssen?
Es ist doch normal, dass diese sich dafür interessieren, wer welche politischen Interessen vertritt. Hinter Eric Nussbaumer stand beispielsweise auch der VCS. In diesem Zusammenhang ist es übrigens spannend, dass man stets von der bürgerlichen Allianz und ihren Unterstützern redet – das gibt es auf der anderen Seite doch auch!
Eine der bekanntesten Figuren der Baselbieter CVP, Elisabeth Schneider-Schneiter, hat sich vor ein paar Monaten noch sehr kritisch über die Wirtschaftskammer und über die SVP geäussert. Nun soll die Harmonie plötzlich wieder perfekt sein. Wo bleibt da die Glaubwürdigkeit?
Tja, langsam habe ich eine grosse Übung darin, diese Frage zu beantworten (lacht). Wir stehen jetzt vor einer Majorzwahl, und die läuft nach anderen Regeln wie Wahlen in den Land- oder Nationalrat. Ich verstehe nicht, warum die Wahlallianz so grosse Wellen geschlagen hat. Wir hatten bei Majorzwahlen immer solche Allianzen.
Die nach den Wahlen regelmässig wieder aufgelöst wurden, wobei auch immer wieder sehr unschöne Wörter fielen.
Deshalb nennt man sie ja auch «Wahlallianzen». Ich persönlich brauche keine Schimpfwörter.
Umso deutlicher wurden andere – auch in Ihrer Partei.
Dafür müssen sie die Verantwortung übernehmen.
Noch einmal: Wie erklären Sie den normalen Bürgern, dass die Bürgerlichen immer nur dann zusammenarbeiten, wenn es einen Posten zu vergeben gibt?
Ich sehe das überhaupt nicht so. Auch die Linke hat erkannt, dass es sich bei diesen Wahlen um eine Richtungswahl handelt. Wir haben ein mehrheitlich bürgerlich ausgerichtetes Parlament, und diesem sollen wir eine linke Regierung gegenüberstellen? Das macht keinen Sinn. Wir verfolgen eine bürgerliche Politik der Selbstverantwortung. Das ist die bürgerliche Brücke, die eine Zusammenarbeit ermöglicht. Wenn ein Grundkonsens erreicht ist, ist es übrigens auch logisch, dass man nicht in jedem kleinen Detail gleicher Meinung ist. Das wäre gar nicht möglich und auch nicht wünschenswert. Oder denken Sie, SP und Grüne wären sich immer einig? Wir sind auch nicht in Deutschland. Wir haben keine Koalitionsverträge und kein gemeinsames Parteiprogramm.
Apropos Parteiprogramm – machen wir an dieser Stelle einen kleinen Exkurs in die nationale Politik. Die CVP versucht sich momentan mit einer harten Linie in der Ausländerpolitik zu profilieren. Da geht es doch eher um Opportunismus als um Werte, nicht?
Ich sehe das nicht so negativ. Ist es opportunistisch, wenn man auf die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung reagiert? Die letzte Zeit hat doch gezeigt, wie kritisch die Bevölkerung gegenüber Asylmissbrauch und langen Verfahren im Asylwesen eingestellt ist. Ich habe das als Präsident der Allschwiler Sozialhilfebehörde selbst erlebt. Es ist nicht schön für Asylbewerber, sieben Jahre im Ungewissen zu leben.
Da gehen wir mit Ihnen einig. Wir dachten eher an andere Vorstösse der CVP. Nehmen wir die DNA-Datenbank von Parteipräsident Christophe Darbellay für «gewisse Asylbewerber». Unterstützen Sie diesen Vorschlag?
Ja, damit kann ich mich einverstanden erklären. Wir haben Probleme mit der Identifizierung dieser Personen und wir haben einen offensichtlichen Missbrauch.
Es ist doch rassistisch, einzelne Ethnien unter einen Generalverdacht zu stellen.
Das ist keine Frage von Rassismus, sondern eine Frage der Verhältnismässigkeit. Als Jurist kenne ich mich da aus. Es kommt darauf an, ob der Eingriff in einem Verhältnis zum verfolgten Ziel, nämlich der Missbrauchsbekämpfung, steht. Und das ist hier der Fall. Gleichzeitig braucht es eine strikte Kontrolle; der Staat darf nicht einfach Daten sammeln. Insofern haben Sie recht: Es ist kein leichter Eingriff. Wenn ich einen Pass will, muss ich auch meine Fingerabdrücke abgeben und weiss nicht, ob meine Abdrücke bei Interpol gespeichert werden. Daher ist entscheidend, dass ein rechtsstaatliches Verfahren das Sammeln solcher Daten regelt.
Noch einmal: Warum soll es verhältnismässig sein, die DNA aller Tunesier oder Marokkaner oder Eritreer zu sammeln?
Wenn sich aufgrund der aktuellen Situation der Fokus auf eine bestimmte Region richtet, ist grössere Vorsicht notwendig und ein solcher Eingriff kann gerechtfertigt sein.
Darbellay kritisierte den Bundesrat: Dieser werte fälschlicherweise die Grundrechte höher als die Sicherheit. Das ist ein gefährliches Argument, mit dem sich die persönliche Freiheit weitgehend einschränken lässt.
Das sind Schlagworte. Es gibt vier Grundsätze, die eine Einschränkung von Grundrechten rechtfertigen (er zählt an seiner Hand ab): gesetzliche Grundlage, Verhältnismässigkeit, öffentliches Interesse, die Wahrung des Kerngehalts. Stellen Sie sich vor, alle Grundrechte würden absolut gelten. Absolute Handels- und Gewerbefreiheit? Das geht nicht. Jedes Grundrecht kann eingeschränkt werden.
Das sieht man selbst in der CVP unterschiedlich. Differenzen gibt es nicht nur in der Ausländerpolitik, sondern auch bei der Energiewende und der Kantonsfusion. Woran soll sich der CVP-Wähler denn noch halten?
Die CVP ist von Haus aus sehr tolerant. Wir sind es gewohnt, unterschiedliche Meinungen unter einem Dach zu vereinen.
Zu ertragen.
Ja, auch zu ertragen. Um ein Bild zu gebrauchen: Nur die Mitte hat zwei Enden und das gibt automatisch mehr Reibungsfläche. Ganz links und ganz rechts gibt es nur ein Ende.
Ein weiteres Problem bei der CVP sind die Sololäufe: Die Zusammenarbeit mit der SVP soll Parteipräsidentin Sabrina Mohn ziemlich einsam beschlossen und aufgegleist haben.
Das stimmt so nicht. Nach dem Tod von Peter Zwick entwickelte sich eine enorme Dynamik. Entscheidungen mussten schnell gefällt werden. Sabrina Mohn hat Führungsstärke bewiesen, ich habe grossen Respekt vor ihrer Arbeit. An den Parteitagen wurde die Strategie jeweils mit grossem Mehr unterstützt.
So, wie die Wahlen jetzt laufen, kommen Sie im Schlafwagen zu Amt und Würden …
Nochmals: Die Wahl ist am 9. Juni – bis dahin ist nichts entschieden.
Die Strategie der CVP geht auf, Sie werden wohl gewählt. Aber wer genauer hinschaut, merkt: Ihrer Partei droht der Verlust des Nationalratsmandats. Ein hoher Preis für Ihre Wahl.
Frau Schneider ist eine gute und intelligente Frau, eine sehr qualifizierte. Sie hat eine grosse Präsenz, ein gutes Netzwerk im Kanton, ist stellvertretendes Delegationsmitglied beim Europarat und Mitglied im Vorstand der CVP Schweiz. Ich mache mir keine Sorgen um ihr Nationalratsmandat. Qualität setzt sich durch.
Aber die CVP wird bei den nächsten nationalen Wahlen in der Mitte alleine dastehen.
Die CVP wird auch in den nächsten Wahlen nicht alleine dastehen! Wir sind im Gespräch mit der EVP, aber auch mit der GLP und der BDP.
Entschuldigen Sie, aber die EVP wird doch nicht mehr lange mit Ihnen zusammenarbeiten.
Wir hatten bisher immer ein gutes Verhältnis.
Eben, hatten, in der Vergangenheit.
Wir werden die gute Zusammenarbeit auch in Zukunft pflegen.
Ist es nicht absurd, wenn die beiden Fraktionspartner im Regierungsratswahlkampf gegeneinander antreten?
Es ist gut, wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger eine Wahl zwischen zwei Kandidaten haben. Ob es nun absurd ist oder nicht – da müssen Sie jemand anderen fragen.
Herrn Jourdan?
Vielleicht, ich kenne ihn noch nicht besonders gut.
Er wirkt auf jeden Fall ziemlich dynamisch. Auch weil er jung ist.
Jung alleine ist kein Programm. Abgesehen davon bin ich auch erst 52.
Sind die Grünliberalen und die EVP für Sie im Moment eigentlich Linksparteien?
Ich stelle nicht gerne eine Partei ins linke oder rechte Lager, ich konzentriere mich lieber auf die Sachpolitik. Seit ich Regierungsratskandidat bin, werde ich als stramm bürgerlich dargestellt. In Tat und Wahrheit bin ich Mitglied einer Mitte-Partei.
Warum ist das so?
Weil es so geschrieben und behauptet wird. Ich habe mich für die Sanierung der Chemiemüll-Deponien eingesetzt, war in Stiftungsräten von Alters- und Tagesheimen, kenne mich als ehemaliger Präsident einer Sozialbehörde aus. Da ist mehr als nur «stramm bürgerlich».
Gilt man vielleicht als stramm bürgerlich, wenn man mit der Wirtschaftskammer gemeinsame Sache macht?
Das ist möglich, ich weiss es nicht.
Spielt die Wirtschaftskammer eine gute Rolle im Kanton?
Die Wirtschaftskammer muss die Interessen von Gewerbe und Wirtschaft vertreten. Das macht sie gut.
Sie macht vor allem Politik.
Die Wirtschaft ist von guten Rahmenbedingungen abhängig. Es ist richtig, dass sie sich in die Politik einbringt.
Ist der Einfluss der Wirtschaftskammer kein Problem?
Sie hat nicht zu viel Einfluss. Aber es wird viel darüber geschrieben. Auch der VCS nimmt Einfluss auf die Politik. Darüber wird weniger berichtet.
Der VCS gewinnt keine Wahlen.
Vielleicht, weil seine Positionen keine Mehrheit finden? Es ist kein Makel, Wahlen zu gewinnen.
Können Sie es sich eigentlich vorstellen, für den Kanton zu arbeiten? In Allschwil hat man sich ja häufig beschwert über die «Planungsidioten» in Liestal.
Wie gesagt, keine Schimpfwörter. Wir haben einen sehr guten Austausch mit Liestal, weil man offen miteinander spricht. Das gilt übrigens auch für die Mitteparteien.
Was werden Sie von Allschwil nach Liestal mitnehmen?
Die Erkenntnis, dass es wichtig ist, das Gemeinwesen mit der Wirtschaft zu verknüpfen. Damit steht und fällt die Wirtschaftsoffensive. Wir müssen alle Partner vernetzen und auf den Input aus den Firmen hören. Was ich auch sehr gerne mitnehmen würde: In Allschwil haben wir bei grossen Projekten immer einen basisdemokratischen Ansatz verfolgt. Die ganze Bevölkerung wird einbezogen, und erst danach wird politisch entschieden. Das möchte ich in Liestal in irgendeiner Form ebenfalls tun können.
Vor ein paar Monaten hiess es in den Medien, Eric Nussbaumer sei so gut wie gewählt. Nun heisst es das Gleiche bei Ihnen.
Ich bin nicht freiwillig in der Favoritenrolle. Eric Nussbaumer war es auch nicht.
Denken Sie manchmal daran, dass eine solche Favoritenrolle gefährlich sein kann?
Diese Überlegungen mache ich mir nicht. Doch allgemein ist es sicher so, dass eine Favoritenrolle zu Nachlässigkeiten verleitet – das kennt man im Sport zur Genüge. Aber nochmals: Ich nehme meinen Mitbewerber ernst und sehe absolut keinen Grund, mich zu sicher zu fühlen. Am 9. Juni wissen wir mehr.
Konsensorientiert – oder stramm rechts? Anton «Toni» Lauber ist ein umgänglicher Mensch. Das Währschafte drückt sich auch in seinen Mitgliedschaften bei der Offiziersgesellschaft beider Basel, der Studentenverbindung Jurassia Basiliensis und der Schützengesellschaft Allschwil aus. Daneben engagiert sich der 52-jährige Advokat auch im Präsidium des Polizeibeamtenverbandes Baselland sowie im sozialen Bereich. Während er in Allschwil eher als konsensorientierter Gemeindepräsident gilt, hat er sich im Regierungswahlkampf früh den Ruf eingehandelt, stramm rechts zu politisieren. Mögliche Gründe dafür sind seine wenig begeisterten Äusserungen zur Energiewende («Da ist in erster Linie der Bund in der Pflicht») und zur Initiative für eine Fusion der beiden Basel. «In dieser Frage fehlen mir die Fakten», sagt der «Fusionsskeptiker».
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 03.05.13