«Könnten wir den Begriff Hochkultur bitte weglassen in diesem Artikel?»

Er ist immer öfter auf Theaterbühnen anzutreffen: Elia Rediger, Basler in Berlin, Künstler auf Reisen, Mensch auf Sinnsuche. Im Interview spricht er über sein neues Bühnenprojekt «Oh Albert» mit der Basel Sinfonietta, LSD, was mit The bianca Story los ist – und was er als Hausautor am Konzerttheater Bern vorhat.

Pendelt derzeit zwischen Berlin, Basel und Bern: Elia Rediger (31).

(Bild: Nils Fisch)

Er ist immer öfter auf Theaterbühnen anzutreffen: Elia Rediger, Basler in Berlin, Künstler auf Reisen, Mensch auf Sinnsuche. Im Interview spricht er über sein neues Bühnenprojekt «Oh Albert» mit der Basel Sinfonietta, LSD, was mit The bianca Story los ist – und was er als Hausautor am Konzerttheater Bern vorhat.

Er ist ganz schön rumgekommen in den letzten Monaten: Elia Rediger (31). Der bärtige Basler, bekannt als Sänger von The bianca Story, reiste in den Kongo, wo er 1985 zur Welt kam. Und er lebte in Paris, als Stipendiat des CMS-Programms «Atelier Mondial». Während dieses Atelieraufenthalts schrieb er neue Songs, unter anderem ein ganzes Libretto für ein Bühnenprojekt: «Oh Albert», ein Konzeptstück über LSD, ein Trip ins Feld der neuen Musik. Das Sorgenkind des Basler Forschers Albert Hofmann hat den Sänger inspiriert, die Basel Sinfonietta hat ihn zur Umsetzung animiert. In der Kaserne Basel wird das Stück nun uraufgeführt.

Elia Rediger, vor vier Jahren waren Sie im Wahlkampf fürs Basler Regierungspräsidium. Eine einmalige Sache?


Das Politische? Nein. Ich bin noch immer interessiert daran. Und finde auch, dass wir Künstler uns nicht der Verantwortung entziehen können. Ich stand ja immer zu meiner Dossierunsicherheit. 


Ha, sehr lustig. Sie versprachen ja auch mehr Spass. Der Basler Regierungsrats-Wahlkampf findet diesmal aber ohne Sie statt. Viel Ausdauer haben Sie nicht bewiesen.

Als Profipolitiker? Das stimmt. Aber ich habe ja immer gesagt, dass ich erst Politiker sei, wenn ich gewählt bin. 

Gewählt worden sind Sie dafür zum Hausautor am Konzerttheater Bern, überhaupt trifft man Sie öfter an subventionierten Häusern an: weil dort noch anständige Gagen bezahlt werden?


Nein, ich werde immer wieder von solchen Institutionen eingeladen, weil ich nicht so an gängigen Konventionen interessiert bin.

Als Hofnarr der Hochkultur?


Genau. Wobei mich Geschichten, Dämonen, Dystopien, Utopien, Poesie interessieren und nicht Institutionen. Könnten wir den Begriff «Hochkultur» daher bitte weglassen in diesem Artikel?

Zu spät. Könnte sogar ein Titel werden.


Ungern. Denn Hochkultur ist so fern von meinem Schaffen, das stellt mich auf einen falschen Sockel. Ich stecke mein Geld immer ins nächste Projekt. Dass ich von den Häusern Aufträge bekomme, ist ein Glück, klar, im Unterschied zu anderen muss ich nicht hinter einer Bar stehen und arbeiten. Weil man mir das Vertrauen schenkt. Aber ich tanze keinem Intendanten hinterher für meine Projekte. 

«The bianca Story liegt im obersten Gefrierfach.»

Sondern? 


Ich suche Reibungen, Neuland. In Bern plane ich eine Produktion, bei der ich mit kongolesischen Musikern arbeite. Ich bin gerne Realisateur verrückter Ideen, so sah ich auch schon meine Rolle bei The bianca Story. Die anderen langten sich da manchmal an den Kopf …

Sie reden bei The bianca Story in der Vergangenheit. Gibt es die Band nicht mehr?


Sagen wir es so: Sie liegt im obersten Gefrierfach. 

Warum?


Weil wir uns aneinander zu zerreiben drohten – und unsere Freundschaft nur retten konnten, indem wir uns Raum gaben für andere Projekte. Man muss wissen: Wir waren ein bunter Haufen mit verschiedenen Vorlieben. Wir waren gut als aktionistisches Team, aber im Studio, beim Songwriting und der Auswahl, ging es immer hoch emotional zu und her, da ging es um Ideologien. Und für mich stimmte am Schluss einiges nicht mehr, was wir mitmachen mussten. Der ganze Medienrummel etwa.

Daher haben Sie in den letzten zwei Jahren einen eigenen Weg eingeschlagen?


Ja. Wie wir uns als Band verkaufen mussten entfernte sich einfach von mir selber. Dabei wurde mir klar, dass ich ein neues Kapitel für mich aufschlagen musste. Da kam der Umzug nach Berlin gelegen, auch meine Aufenthalte in Paris und im Kongo. Wichtige Momente, in denen ich viele neue Songs geschrieben habe, die auf mich tröstend wirken, meine Sehnsucht nach einer Utopie beflügeln, nach einer anderen Welt … 

Ein Mann auf Sinnsuche?


Auf jeden Fall, ja. 

Und diese Suche nach einer tieferen Bedeutung führen Sie gemeinsam mit der Sinfonietta Basel fort, in Ihrem neuesten Werk: «Oh Albert», einem «LSD-Oratorium». Worum geht es im Stück?

Um Alice D25, die Tochter von Albert Hoffmann, und ihr Schicksal: Die Leute der Basler Pharmafirma Sandoz setzten eine Hippie-Göttin in die Welt – und als sie merkten, was ihre Wirkung war, stiessen sie sie aus. 

Vor 50 Jahren wurde LSD verboten.

Genau, deshalb ging Alice in den Underground und wagt nun die Rückkehr, um ihre nächste Revolution zu starten: Woodstock 2.0. Dabei trifft sie auf ihr Profilbild, das schöner ist als sie. Und verspricht ihr das, was sie 1966 schon den Studenten versprochen hatte: die Verschmelzung mit dem neuen Universum.

Klingt abgefahren.

Wird es auch sein, es hört sich recht zappaesk an. Ich habe die Musik ja mit William Brittelle, einem Komponisten aus New York, entwickelt. Er bewegt sich ebenso im Punk wie in der Klassik. Mit solchen Leuten zusammenzuarbeiten, Grenzgängern wie ihm, finde ich sehr spannend. Wir kennen uns erst virtuell, haben das ganze Stück via Skype geschrieben. 

Wer hat das Projekt angestossen?

Etienne Abelin, der Dirigent, fragte mich an, ob ich mir eine Zusammenarbeit mit der Basel Sinfonietta vorstellen könnte. Ich überlegte mir, welches Thema zu Basel passen würde. Und da ging mir LSD durch den Kopf, das hier entdeckt wurde und die Hippiebewegung prägte. Zuvor übernahm die Religion all das, was man nicht fassen konnte. 

Deshalb nennen Sie es auch Oratorium?

Ja, weil es mir nicht um einen Drogentrip geht, sondern um etwas Spirituelles.  

Thom Luz hat 2015 LSD auf die Bühne gebracht am Theater Basel. Sind sie erschrocken, als Sie hörten, dass er am gleichen Thema dran ist?

Als wir telefonierten, mussten wir über den Zufall lachen. Er hat ja Hoffmanns Buch, «LSD mein Sorgenkind», inszeniert. Mein Stück geht stärker in die Fiktion. Auf jeden Fall ist es etwas anderes.

Wie war denn Ihr erstes Mal mit Alice?

Das kann ich nicht sagen.

Warum nicht?


Weil ich es nicht möchte. Ich finde, es ist jedermanns eigene Sache, wie er mit Drogen umgeht. 

Und die Musiker der Sinfonietta …

… haben alle schon mal genommen. Die kriegen auch Filzli zu essen vor dem Konzert (lacht).

Ein Orchester spielt, Sie singen, Gregor Brändli filmt: ein Megaprojekt für drei Aufführungen. Geht es danach weiter? 

Als Film auf jeden Fall, die Konzerte werden ja dafür aufgezeichnet und das Publikum ist Teil eines Drehs. Und es existiert ja auch eine Partitur, 190 Seiten voller Noten, das heisst, es könnte auch von anderen Leuten aufgeführt werden. Was ich grossartig fände: So könnte ich mal ein Konzert von mir schauen, ohne auf der Bühne zu stehen. Auf jeden Fall stehen «Alice» jetzt verschiedene Türen offen.

Das klassische LSD-Problem also: Viele Türen, aber keine Ahnung, wo es rausgeht?

(Lacht) Kann man so sehen. 

Was bringt die Zukunft?

Ach, lassen Sie uns Alice fragen … Ich hoffe Love, Peace & Rock ’n‘ Roll. 

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Elia Rediger, William Brittell und die Basel Sinfonietta: «Oh Albert»; Freitag, 7. Oktober und Samstag, 8. Oktober, 21 Uhr, in der Kaserne, Basel. 

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