Die Ausstellung «6 Künstler aus Basel x2» in der Basler Kunsthalle schaut zurück ins Jahr 1981. Ein Gespräch mit vier beteiligten Kunstschaffenden zu damals und heute.
Im Januar 1981 zeigte eine Ausstellung in der Basler Kunsthalle unter dem Titel «6 Künstler aus Basel» genau das, was der Titel versprach: Sechs Künstler aus Basel, kuratiert vom damaligen Direktor Jean-Christophe Ammann. Alex Silber, Anselm Stalder, Rut Himmelsbach, Hannah Villiger, Miriam Cahn und Vivian Suter bespielten je einen Raum im Untergeschoss des Hauses am Steinenberg. Eine Konstellation unabhängiger Einzelprojekte war es, keine dialogische Gruppenausstellung. Nun, 30 Jahre später, hat der jetzige Direktor Adam Szymczyk zusammen mit den Kuratorinnen Roos Gortzak und Sandra Bradvic dieselben Künstler und Künstlerinnen erneut eingeladen. Sie sollten das Vergangene Revue passieren lassen und eine neue Ausstellung daraus kreieren. Weil die Kunsthalle aber inzwischen umgebaut wurde, wurden die Arbeiten der einzelnen Künstler dieses Mal durchmischt. Nur Miriam Cahn erhielt für sich allein denselben Raum wie damals. Wie andere auch präsentiert sie unter anderem Werke, die bereits 1981 hier zu sehen waren, darunter die riesige Kohlezeichnunge «Schweigende Schwester. Kriegsschiff».
Fürs Obergeschoss der Kunsthalle wurden sechs weitere Basler Kunstschaffende einer jüngeren Generation aus den Dossiers der zwölften «Regionale» ausgewählt. Jannik Giger, Jan Kiefer, Dominique Koch, Daniel Kurth, Esmé Valk und Katharina Anna Wieser. Wie hängen die beiden Ausstellungen zusammen? Wir haben uns mit vier der zwölf Künstler und Künstlerinnen darüber unterhalten.
1981 gab es zwischen den Räumen der einzelnen Kunstschaffenden keinen Dialog. War Durchmischung damals ein Tabu?
Miriam Cahn: Es gab thematische Ausstellungen, aber es ging doch eher darum, wie man das Einzelne im Zusammenhang als Einzelnes darstellt. Das war schon etwas anders als heute. Heute geht es immer um ein «im Verhältnis zu».
Dominique Koch: Vielleicht geht es auch darum, dass man heute die Autorenschaft nicht mehr so stark in den Vordergrund stellt, sondern dass man diese stärker einordnet oder sie sogar hinter der Arbeit verschwinden lässt. Dieser Umstand macht eine Durchmischung vielleicht stärker möglich.
Jannik Giger: Die totale Durchmischung wünscht man sich auch heute nicht. Gerade bei einem Werk wie meinem, das ich hier im Oberlichtsaal zeige, einer Klanginstallation, ist es wichtig, dass dieses sich entfalten kann.
Aber war das früher wirklich anders?
Alex Silber: Ich glaube, wir unterliegen hier auch ein bisschen einer Täuschung, wenn wir sagen, es war grundsätzlich anders. Die Frage der Autorenschaft hat sich verändert, ja. Es hat sich an den Hochschulen eine Denkform herausgebildet, die auf ein viel grösseres Wissen zurückgreift als vor 30 Jahren. Natürlich ist man immer interessiert daran, wer macht das, wer steht dahinter. Was diese Ausstellung hier konkret betrifft: Sie konnte nicht genau gleich gemacht werden, weil die Architektur nicht mehr dieselbe ist wie damals. Vor zehn Jahren hat man hier gross umgebaut, Wände herausgerissen. Die Setzung mit geschlossenen Räumen war jetzt gar nicht mehr für alle möglich. Ich sehe das nun aber auch in einem neuen Licht, dass man sich sagt, ich muss mir Raum schaffen, auch wenn es den einzelnen Raum nicht gibt, und was ist der Dialog von der einzelnen Position zur anderen. Das ist für mich der spannende Moment.
Cahn: Es gibt einige Unterschiede zu früher. Einer betrifft die Frage der Internationalität. Die Kunsthalle hatte die Funktion, ihr Publikum über international sehr bekannte Künstlern wie Rothko zu informieren. Künstler, wohlverstanden, keine Künstlerinnen. Was neu war mit Jean-Christophe Ammann, in der Zeit damals, war das Auftreten vieler junger Künstlerinnen. Ich sage heute noch, der Ausstellungstitel hätte heissen müssen «6 Künstlerinnen aus Basel» – schliesslich waren wir vier Frauen und zwei Männer. Das war absolut revolutionär in jener Zeit. Ebenfalls revolutionär war, dass Ammann aufgrund seines internationalen Qualitätsbegriffes diese sechs Leute zusammensuchte und ausstellte. Vorher gab es für die Basler Künstler die Weihnachtsausstellung. die heute Regionale heisst, und daneben die grosse internationale Welt. Für mich war Jean-Christophe Ammann der erste, der das bewusst machte. Und das war für mich sehr wichtig, weil ich mich schon immer international ausgerichtet habe. Nun bekam ich von aussen eine Bestätigung dafür. Vielleicht ist das heute für Junge viel selbstverständlicher. Auch Adam Szymczyk macht ein internationales Programm, das er mit lokalem durchmischt. Eine Regionale nun so zu machen, kommt genau aus diesem Gedanken heraus.
Welches Gewicht hat die Frage international – regional heute?
Koch: Man kann sich heute natürlich via die neuen Medien viel schneller international Aufmerksamkeit verschaffen. Der Kunstmarkt sucht auch verstärkt junge Künstler, um diese schneller in eine internationale Karriere hineinzuschieben. Das war wohl schon immer so, ist heute aber noch extremer geworden. Dies hat wohl eine gute, aber auch eine problematische Seite.
Cahn: Die Hoffnung hinter jeder Ausstellung ist, dass möglichste viele Leute es sehen – über das Regionale hinaus. Das ist immer noch gleich. Nur ist die Realität heute eine andere. Mit den vielen Messen etwa, und den unzähligen Grossausstellungen wie der Documenta etc.. die es früher nicht gab. Man will seine Sachen zeigen, sie richtig auch vermittelt bekommen. Und davon leben können.
Koch: Das wäre der Idealfall, ja.
Sind heute für die regionale Kunst andere Räume wichtiger geworden als die Kunsthalle?
Giger: Es ist schon eine Ehre, wenn man hier ausstellen darf. So grosse Räume wie hier, in denen man als junger Künstler ausstellen kann, findet man selten in Basel. Es gibt natürlich viele Offspaces, aber da besteht halt ein grosser Unterschied in Bezug auf die Präsenz. Nur schon, weil die Ausstellung hier über fünf Wochen läuft. Aber vielleicht kann ich auch erst am Ende der Ausstellung wirklich etwas dazu sagen.
Cahn: Noch ein Unterschied: Unsere Ausstellung lief damals nicht unter dem Label der «Regionale», sondern als eine von zirka sechs Ausstellungen jährlich, mit der entsprechenden Aufmerksamkeit. Das Problem mit der «Regionale» ist, dass 15 Institutionen um Aufmerksamkeit buhlen, und gleichzeitig Hunderte oder Dutzende von Kunstschaffenden.
Koch: Wobei sich das seit zwei Jahren ja auch geändert hat: Seit der Regeländerung werden die «Regionale»-Ausstellungen ja auch als eigenständige Ausstellungen vermittelt. In dem Sinne ist es natürlich toll, wenn man eine der Positionen ist, die hier ausstellen dürfen. Was der Unterschied zur Ausstellung von 1981 ist, ist, dass wir uns mit Dossiers beworben haben.
Cahn: Dossiers sind Scheisse. Ihr habt Glück gehabt, dass Ihr hier reingekommen sind. Wenn der Mensch zu Dir kommt und sagt, ich habe dort oder dort was von Dir gesehen, und möchte eine Ausstellung mit Dir machen, das ist ein ganz anderer Vorgang.
Koch: Natürlich ist dieser Weg zu bevorzugen, ja. Trotzdem ist die Teilnahme hier etwas wert, weil sich hieraus ja auch etwas entwickeln kann. Fast jede institutionelle Ausstellung ist eine Bestätigung, ob Kunsthalle oder woanders.
Cahn: Die «Regionale» ist auch ein guter Weg für einen Kuratoren einer Institution wie Adam Szymczyk, auf Exponenten einer jungen Basler Szene aufmerksam zu machen. Schöner wäre natürlich, wenn so etwas auch unter dem Jahr passieren würde…
Silber: Der Kunstverein hätte die Oberherrschaft, eine lokale Kunstszene zu fördern. Das ist Tradition. Bis zu Ammann wurde das statuarisch wahrgenommen, unter seinem Nachfolger Peter Pakesch hat sich das etwas gewandelt, wie vieles andere auch. Als Kurator der Kunsthalle, finde ich allerdings, muss man sich die Zeit für Atelierbesuche nehmen und dann Setzungen vornehmen. So werden Entdeckungen möglich. Ich kritisiere damit nicht das Programm vom Adam Szymczyk, und auch mit Pakesch konnten wir leben, doch dass der Fachmann, die Fachfrau zum Thema geht, das ist in meinen Augen eine Vermisstmeldung. Die «6 Basler Künstler» von 1981 waren übrigens zu fünf Sechsteln keine Papier-Basler… Doch abgesehen davon, ich könnte mir gut einmal jährlich eine gute Basler Ausstellung in der Kunsthalle vorstellen.
Cahn: Das ist zuviel. Soviel gibt es hier nicht. Ich bin ganz gegen diesen Lokalzwang. Ausser er wird an internationalen Standards gemessen.
Koch: Dieser Meinung bin ich auch. Ob nun regional oder international, es sollte doch einfach immer um qualitativ hochwertige Ausstellungen gehen. Ich finde es spannend, durch Ausstellungen internationale Einflüsse mitzubekommen und nicht nur Regionales präsentiert zu bekommen.
Gibt es denn in Basel genug Präsentationsplattformen für junge Künstler?
Koch: Mir kommt es eigentlich gar nicht darauf an, ob ich regional Aufmerksamkeit bekomme oder woanders. Ich sehe mich nicht als an einen Ort gebunden an. Wenn der Ort gut und interessant ist, ist es egal, wo er sich befindet. Das heisst aber auch nicht, dass ich meine eigene Region ignorieren muss.
Cahn: Ist es nicht so, dass staatliche Institutionen längst nicht mehr die einzigen Orte sind? Es gibt genauso gute private Orte inzwischen, Stiftungen, Galerien… Das hat sich im Gegensatz zu früher stark geändert. Ich empfinde die Institutionen sowieso als sehr träge.
Die Ausstellung heisst jetzt «6 Künstler aus Basel x2». Soll man nun das, was oben gezeigt wird, mit dem unten vergleichen?
Koch: Man vergleicht sicher nicht wertend. Aber irgendeine Art von Verbindung macht man, dem kann man gar nicht entgehen, wenn zwei Räume zwar einzeln, aber unter demselben Titel präsentiert werden. Das gilt auch für die Besucher. Dann ist da noch die Referenz an die Ausstellung von damals. Jeder überlegt sich wohl etwas dazu. Ob diese Verbindung tatsächlich existiert, kann man sich aber fragen.
Cahn: Die Verbindung ist doch rein künstlich. Eine Behauptung.
Koch: Dann kann man sich auch darüber klar werden: Dass es eben keine gibt. Vielleicht ist auch keine Verbindung eine Verbindung.
Der Titel aber setzt die Relation. Man packt es in ein Paket, trennt es jedoch räumlich in die Gruppe von 1981 und in jene von heute. Findet ein Dialog zwischen den Gruppen statt?
Cahn: Mich muss man nicht fragen, ich war immer eine extreme Einzelgängerin. Ich bin für Dialog, ich rede gerne, aber ich glaube nicht an künstlich hergestellen Dialog. Vernetzung ist prima, aber das ist kein Dialog.
Silber: Was ist mit dem Dialog zwischen Bildern?
Cahn: Den gibts nicht.
Silber: Aber Dein «Kriegsschiff» fährt doch auf den letzten Raum zu…
Cahn: Das ist Interpretation!
Silber: Ja, aber davon leben wir doch. Interpretation gibt es, weil es Kunst gibt. Sonst wären wir arm dran.
Cahn: …vielleicht fährt mein Schiff rückwärts…
Silber: Der Zeitraum, den wir jetzt erleben, der ist spannend, weil verschiedene Aspekte durch die jungen Künstler und dann wohl auch durch das Publikum auf den Tisch kommen. Begriffe wie Seventies oder Eighties werden sicher noch hinterher tanzen.
Cahn: Was auffällig ist, ist, dass man sehr stark in diese Zeit zurückschaut im Moment. Da bin ich natürlich froh, davon profitiere ich. Interessant ist, dass ich jetzt alte Arbeiten von mir aus der Interpretation von heute ausstellen kann. Deshalb habe ich hier mitgemacht. Alles andere ist offen, was die Leute sehen, alles. Wenn sie nur die Achtziger darin sehen, dann habe ich etwas falsch gemacht. Denn auch als ältere Künstlerin bin ich in der Jetztzeit verankert.
Spürt man eine zeitliche Kluft in der Ausstellung?
Giger: Wir arbeiten vielleicht mehr mit den Neuen Medien.
Koch: Vielleicht muss man nicht danach fragen, ob man heute das von damals versteht oder umgekehrt. Die Frage ist, ob man einen Zugang zu einer spezifischen Arbeit findet. Der kann über das Thema laufen oder über anderes. Auch bei gleicher Generation fehlt manchmal der Zugang. Ich glaube diese Frage muss man nicht auf das Alter bzw. die Generation reduzieren.
Cahn: Man kann sie aber auch nicht negieren. Das mit den Neuen Medien übrigens, das hat auch mit Jean-Christophe Ammann zu tun, der überhaupt nicht kapiert hatte, dass es Video gibt, oder Videoperformance. Er verabscheute das, und wir hatten hitzige Diskussionen deswegen. Es gab damals schon Medien, dass sie in unserer Ausstellung nicht vorkommen, das hat damit zu tun, dass Ammann so ausgewählt hat. Weniger mit der Zeit.
Silber: Im Gegenteil: In Basel wirkten diese Medien sehr stark – jedoch nicht in der Kunsthalle. Das fand nur sehr zäh Eingang. Gleichzeitig kam das Museum für Gegenwartskunst zur Welt, damit fand ein eigentlicher Quantensprung statt, weil man die grosse Sammlung mit den medialen Arbeiten plötzlich aus dem Keller holen und einbringen konnte. Davon habe auch ich persönlich sehr profitiert, weil ich schon in den Siebzigern mit Video und Videoperformance angefangen hatte. Das war auch ein Startschuss, wegzukommen. Weg von Basel auch, ich war ja dann in den Achtzigern bezeichnenderweise weniger hier als anderswo.
Wie reagierten Sie, Alex Silber und Miriam Cahn, auf die Anfrage der Kunsthalle?
Cahn: Als ich hörte, dass es im Rahmen der Regionale stattfindet, habe ich erstmal gestutzt…
Wegen des Rufs der «Regionale»?
Cahn: Ich habe doch nichts mit diesem Lokalscheiss zu tun. Das muss ich ganz direkt sagen. Jede Stadt hat so ein Ding, und das ist lähmend für die Institutionen, weil sie jedes Jahr diese Ausstellungen ausrichten müssen. Das macht alle wütend. Und es ändert sich nichts. Wir haben schon damals darüber geredet. Dieser Arbeits- und Geldaufwand…! Jedenfalls fand ich es in diesem Fall gut, weil ich es unter meinen Bedingungen machen konnte. Und weil die Ausstellung versucht, die «Regionale» etwas zu umgehen. Ich habe auch eine sentimentale Bindung zur Kunsthalle, es ist schon das vierte Mal, dass ich in diesem Raum ausstelle.
Silber: Ich denke, dass diese Ausstellung nun im Rahmen der «Regionale» stattfindet, hat seine Richtigkeit. Würde man sie während der Art Basel ansetzen, dann müsste man im Anspruch und in der Vorbereitungen anders planen.
Cahn: Während der Art muss die Kunsthalle eine internationale Ausstellung machen, keine lokale.
Silber: Du bist doch international!
Was ist die «Regionale» heute?
Koch: Seit sich das Konzept geändert hat, ist es besser geworden. Früher war es sicher nciht ideal. Wenn es aber wie jetzt ein Konzept gibt, wo Leute eingeladen werden können, wo auch eine Idee eines Hauses dahinter steckt, dann finde ich das gut. Die Dossiereinreichung, das ist schon eine zweispältige Sache. Trotzdem erlaubt das aber jungen Leuten, zeigen zu können, was sie machen.
Für ältere Künstler ist die «Regionale» nicht mehr attraktiv?
Silber: Ich mache nicht mit. Mir ist der Aufwand zu gross, und ich bin wie Miriam kein Freund von Dossiers.
Koch: Irgendwann ist es vielleicht nicht mehr die richtige Herausforderung, an solchen regionalen Ausstellungen teilzunehmen. Man will doch einfach an qualitativ spannenden Ausstellungen teilnehmen. Wenn die «Regionale» das nicht bieten kann, dann verschwindet auch das Interesse für bestimmte Künstler, die dies vielleicht nicht mehr brauchen.
Silber: Es geht nicht ums Nicht-Mehr-Brauchen. Es ist so, dass das Werk den passenden Raum im Normalfall nicht kriegen kann. Das ist der Hauptgrund. Die Regionale bietet viel Raum für Missverständnisse in Bezug auf Arbeiten. Das will ich meinem Werk nicht antun.
Hat man denn als junger Künstler etwas vom Aufwand?
Giger: Meistens weiss man das ja erst, wenn man auf dem Sterbebett liegt. Aber natürlich hat man etwas davon. Vielleicht verkauft man etwas, aber man lernt auch den Umgang mit den Räumen. Nur schon, dass man seine Sachen zeigen kann.
Silber: Ich habe 1972 das erste Mal bei der Weihnachtsausstellung mitgemacht. Damals war das ein Aufbauerlebnis für mich, klar.