Er ist der Mann mit der weissen Weste: Luca Zuffi hat in dieser Saison noch keine einzige Karte gesehen. Ein Gespräch mit dem 24-jährigen Profi aus Winterthur, der sich beim FC Basel so durchgesetzt hat, wie es die wenigsten erwartet hätten – und nun in den Achtelfinals der Champions League den nächsten Traum lebt.
Luca Zuffi, im vergangenen Sommer hatte man den Eindruck, Ihre Verpflichtung sei eine auf Vorrat – angesichts des Gedränges im Mittelfeld des FC Basel. Wie haben Sie Ihre Situation wahrgenommen?
Natürlich habe ich mitbekommen, dass es eher schwierig werden könnte für mich. Aber viele Gedanken habe ich mir darüber nicht gemacht. Ich bin stattdessen mit einer lockeren Einstellung nach Basel gekommen und habe mir keinen Druck gemacht, von Anfang an Stammspieler sein zu wollen. Ich habe mir vorgenommen, in den Trainings und den Testspielen das Beste zu geben. Und so weit ist es sehr gut herausgekommen. Zumindest so, wie es die wenigsten erwartet hätten.
Welche Perspektive hat Ihnen denn der Club aufgezeigt? Beim FCB musste man vergangenen Sommer ja damit rechnen, dass Marcelo Diaz oder Serey Die gehen werden oder sogar beide aufs Mal.
Es war unklar, was mit den beiden passiert. Aber es hiess von den Clubverantwortlichen auch, dass sie hinter mir stehen, dass sie mich wollen, auch wenn alle Spieler bleiben. Also auf Vorrat hat man mich nicht geholt. Man hat mir gesagt, dass der Konkurrenzkampf hart wird, aber sie haben auch das Beispiel Fabian Schär genannt, der in einer ganz ähnlichen Situation war, der sogar aus der Challenge League kam und als Innenverteidiger Nummer 4 oder 5 gestartet ist. Jetzt waren vier, fünf super Zentrumsspieler da, und ich konnte mich auch durchsetzen.
Das kann man so sagen bei 22 Einsätzen, drei Toren und neun Assists, die bis dato zusammengekommen sind. Es gibt nur fünf Feldspieler, die häufiger gespielt haben.
Aha, so genau weiss man das gar nie. Schön, wenn man das hört.
Statistiken führen – das machen Sportjournalisten gerne. Was noch auffällt: Sie haben in dieser Saison noch keine einzige gelbe Karte kassiert. Und in Ihrer Karriere sind es bei über 200 Pflichtspielen auch nur 27 Verwarnungen. Das kommt einem sehr wenig vor.
Das ist so. So wenig wie in dieser Saison hatte ich selten, und eine ganze Halbserie ohne gelbe Karte gab es, glaube ich, noch nie.
Und einen Platzverweis hatten Sie auch noch nie. Womit hängt das zusammen?
Schwer zu sagen. Ich bin nicht der unfairste Spieler auf dem Platz, würde ich mal behaupten. Natürlich muss ich mal ein taktisches Foul machen. Und Zweikämpfen gehe ich auch nicht aus dem Weg. Wenn ich auf einer offensiveren Position, also als Zehner oder Achter zum Einsatz komme, dann ist man weniger defensiv in Zweikämpfe verwickelt. Und wenn man dann weniger Sachen macht, wie den Ball wegschlagen oder mit dem Schiedsrichter diskutieren, dann gibt es eben weniger Verwarnungen. Für mich ist das gut so.
Luca Zuffi am Dienstag im Training vor der Champions League: «Wir müssen uns vor Porto nicht verstecken.» (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
Hat das mit Selbstkontrolle zu tun? Nimmt man sich vor, den Mund zu halten?
Das hat eher mit dem Typ zu tun. Ich bin eher der ruhige Spieler, sowohl auf wie auch neben dem Platz.
Ist es vielleicht eine Erziehungsfrage?
Das kann sein, muss aber nicht ausschlaggebend sein. Es gibt ja auch Spieler, die sind eher ruhig, aber auf dem Platz ein ganzer anderer Typ.
Ihr Vater Dario Zuffi wirkte während seiner Profizeit und den fünf Jahren beim FCB auch nicht als Heisssporn.
Auch er war eher ruhig und hat auch wenig Karten bekommen.
Zu Beginn der Saison hat dem Sousa-Fussball noch das Tempo gefehlt. Hat das auch damit zu tun, dass der Trainer viele Varianten gepredigt hat und man dann manchmal auf dem Feld nicht schnell genug die richtige parat hatte? Braucht dieser Fussball mehr Denkvermögen? Das Spiel des FCB ist dann mit der Zeit eindeutig schneller geworden.
Als Mannschaft muss man sich mit einem neuen Trainer auch erst einmal suchen. Und spielintelligente Spieler können es vielleicht schneller auf den Platz bringen. Es war zunächst eine Findungsphase. Es hat seine Zeit gedauert, bis man verstanden hat, was der Trainer genau will. Aber ab der zweiten Hälfte im Herbst ist es besser geworden.
Paulo Sousa war als Spieler sehr erfolgreich. Nicht viele haben mit zwei Clubs die Champions League gewonnen. Wie ist das, wenn man von einem kleineren Super-League-Club wie dem FC Thun zur Nummer 1 im Land kommt und dann mit so einer Figur zu tun hat?
Wie mit jedem neuen Trainer ist es erst einmal ein Kennenlernen, ein Finden, und das natürlich respektvoll bei einem so erfolgreichen Mann wie ihm. Man merkt ihm die Erfahrung an, aus alle den Champions-League-Spielen, er hat ein grosses Spielverständnis und kann sehr viele Aspekte einbringen. Und das macht er immer sehr sachlich. Aber für mich spielt es eigentlich keine Rolle, ob ein Trainer grossen Erfolg hatte oder nicht. Man muss sich anpassen an das, was ein Trainer verlangt. Das ist eigentlich bei jedem das Gleiche.
War es für Sie sogar ein Vorteil, dass es einen neuen Trainer beim FCB gab und die die Karten neu gemischt wurden?
Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt – und ist schwierig zu beantworten. Am Anfang dachte ich, es könnte eher ein kleiner Nachteil sein, dass ein Trainer kommt, der den Schweizer Fussball nicht verfolgt hat und mich überhaupt nicht kennt. Dafür aber den FC Basel und einzelne Spieler. Aber so war es überhaupt nicht. Der Trainer und sein Staff waren sehr gut informiert. Also war es schlussendlich eher ein Vorteil.
Luca Zuffi wurde schon früh einiges zugetraut. Wieso hat es gedauert, bis Sie den Sprung zu einem grösseren Club geschafft haben?
Das hat natürlich mit dem Kreuzbandriss am linken Knie zu tun, den ich mir mit 19 Jahren in einem Junioren-Länderspiel zugezogen habe. Ich war damals schon auf dem Sprung in die Super League, hatte einige Kontakte, mit YB vor allem und St. Gallen war auch dran, aber die Verletzung hat mich natürlich um ein, zwei Jahre zurückgeworfen. Aber vielleicht wäre es damals zu früh gewesen, und heute bin ich froh, dass ich den Weg über Winterthur und Thun gegangen bin. Ich bedauere es jedenfalls nicht, dass es länger gedauert hat.
Keine kalten Füsse bekommen: Luca Zuffi und Kollegen im Januar im Trainingsquartier in Marbella. (Bild: Andy Mueller/freshfocus)
Und für den Wechsel nach Basel haben Sie keinen Agenten gebraucht, beratend stand Ihnen Ihr Vater zur Seite?
Wir haben uns gesagt, dass für einen Wechsel in der Schweiz kein Agent nötig ist. Mein Vater kennt sich in dem Business so gut aus, da brauchen wir nicht noch einen, der mitredet und uns am Ende noch auf eine andere Schiene zu bringen versucht. Im Moment ist das die beste Lösung für mich.
Ihr Vater hat im Sommer gesagt, Luca Zuffi würde den FC Basel noch besser machen. So verkehrt war diese Prognose nicht.
Das war eine mutige Aussage von ihm. Er wollte mir damit natürlich Selbstvertrauen geben. Er hat mir immer gesagt, dass ich mich nicht verstecken muss. Und ich besitze selbst genügend Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten, deshalb ist es auch so gut rausgekommen.
Nun liegen südliche Gegner dem FCB erfahrungsgemäss weniger als nördliche. Oder wird das mit einem portugiesischen Trainer gar nicht mehr ins Gewicht fallen?
Vielleicht haben wir gegen spielerisch starke Mannschaften aus dem Süden Europas eher mehr Mühe. Aber davon sind wir nicht voreingenommen, und für mich ist es das erste Mal. Und es ist ja nicht so, dass wir vor diesen Mannschaften Angst hätten. Wir gehen mit Selbstvertrauen in diese Spiele.
Schliesslich gibt es nicht nur die 1:5-Klatsche bei Real Madrid, sondern auch einer famose Leistung des FCB daheim, wo nicht viel zum Unentschieden gefehlt hat. Das müsste doch Mumm geben.
Auf jeden Fall. Das ist ein Spiel, das wir sehr positiv in Erinnerung haben. Und wer gegen Real nur knapp mit 0:1 verliert, der sollte gegen Porto gewinnen oder zumindest ein Unentschieden holen können.
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Luca Zuffis Leistungsdaten der laufenden Saison: