Mirjam Ballmer hat sich in Fribourg ein neues Leben aufgebaut. Seit Februar sind sie und ihr Mann glückliche Eltern einer Tochter und auch in der Politik geht es vorwärts: Sie ist Erstnachrückende für den Grossen Rat des Kantons und wird demnächst in den Vorstand der Grünen der Stadt Fribourg gewählt. Doch während es für Ballmer in Fribourg wie am Schnürchen läuft, wird sie in Basel von den eigenen Leuten als Belastung angesehen.
Ballmer ist in Ungnade gefallen. Einst als Ausnahmetalent der Grünen Basel-Stadt gefeiert, hat sich die 34-Jährige nun mit ihrem Engagement als Verwaltungsrätin der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) bei ihrer früheren Grossratsfraktion unbeliebt gemacht. Vergangene Woche distanzierte sich das Grüne Bündnis von Ballmer, die letztes Jahr überraschend aus dem Basler Parlament zurückgetreten ist. Die Fraktion verlangt, dass der gesamte Verwaltungsrat der BVB für die Amtsperiode 2018–2021 ausgewechselt wird – somit auch Vizepräsidentin Ballmer.
Mirjam Ballmer, Ihre ehemalige Grossratsfraktion entzieht Ihnen das Vertrauen und verlangt eine Neubesetzung des BVB-Verwaltungsrats. Wie kam diese Nachricht bei Ihnen an?
Ich war überrascht, vor allem, weil man mich vorher nicht über die Forderung informiert hat. Bereits über die Medienmitteilung vor einigen Wochen, in der das Grüne Bündnis mich noch als kompetent und integer bezeichnet hat, wurde ich nicht informiert. Das finde ich ziemlich schlechten Stil. Inhaltlich bin ich enttäuscht, dass die Fraktion nicht etwas mehr Vertrauen in meine Arbeit hat. Die Forderung, sämtliche Verwaltungsräte nicht wiederzuwählen, finde ich zudem ungeschickt. Ich weiss nicht, wie man auf die Idee kommt, nachher werde alles besser.
Für Ärger sorgten offenbar diverse Äusserungen von Ihnen an einer Medienkonferenz mit Regierungsrat Hans-Peter Wessels und BVB-Verwaltungsratspräsident Kurt Altermatt. Gemäss Präsidentin Tonja Zürcher hat eine Mehrheit der Fraktion kein Verständnis dafür, dass Sie das schlechte Betriebsklima, die momentanen Sparmassnahmen sowie die Untätigkeit der BVB-Spitze relativierten und somit Verkehrsdirektor Wessels den Rücken stärkten. Wieso zeigten Sie sich derart unkritisch?
Wer genau zugehört hat, hat festgestellt, dass der Verwaltungsrat Fehler eingestanden hat. Dass wir zum Beispiel der Mitarbeiterzufriedenheit zu wenig Gewicht gegeben haben, ist uns heute sehr klar. Das muss sich ändern. Als Vizepräsidentin habe ich die Haltung des Gesamtverwaltungsrats zu vertreten. Man darf aber davon ausgehen, dass jedes Mitglied des Verwaltungsrats seine Überzeugungen ins Gremium einbringt und dafür kämpft. Anschliessend tragen wir die gemeinsame Haltung alle mit. Anders würde ein Verwaltungsrat nicht funktionieren. Man stelle sich einmal vor, jeder erzählte in der Öffentlichkeit, was er will. Das käme nicht gut heraus.
«Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass Frauen die gleichen Chancen erhalten wie Männer und mehr politische Ämter übernehmen.»
Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass Sie an der Medienkonferenz mit Wessels und Altermatt mit von der Partie waren? Eine links-grüne Alibi-Rolle?
Wir fanden es unter den aktuellen Umständen sinnvoll, mit zwei Vertretern des Verwaltungsrats aufzutreten.
An der Medienorientierung sagten Sie: «Die Mitarbeiterzufriedenheit hat sich auf tiefem Niveau stabilisiert.» Das musste bei Ihren Bündnispartnern schlecht ankommen. Waren Sie sich dessen bewusst?
Ich habe gesagt, dass wir uns bewusst sind, dass die Mitarbeiterzufriedenheit schlecht ist. Ich habe auch gesagt, dass wir froh sind, dass sie sich mit den vielen Unruhen und Neuerungen in den letzten Jahren nicht noch verschlechtert hat, aber dass sie sich selbstverständlich zwingend verbessern muss. Das Zitat ist somit aus dem Zusammenhang gerissen.
Warum hat es so lange gedauert, bis der BVB-Verwaltungsrat die Mitarbeiterzufriedenheit als grosses Problem erkannte?
Nach dem letzten Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Grossen Rates (GPK) gab es viele Missstände zu beheben. Wir mussten schnellstens dafür sorgen, dass die BVB rechtskonform handeln, was zum Beispiel bei den Ausschreibungen nicht der Fall war. Neben vielen gesetzlichen Vorgaben, die wir umsetzen mussten, haben wir erkannt, dass viele betriebliche Abläufe nur schlecht funktionieren oder dass die Prozesse nicht standardisiert sind und deshalb nicht reibungslos funktionieren. Um die BVB für die Zukunft gut aufzustellen, mussten und wollten wir dies alles angehen. In diesem Berg von Aufgaben wurde der Unruhe im Personal schlicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wir sind der GPK dankbar, dass sie das aufgezeigt hat, und wir versuchen, dem jetzt gebührend Rechnung zu tragen.
Wieso haben Sie geduldet, dass die BVB bei den Avanti-Sparmassnahmen mit fünf statt einer Million Franken über die Vorgaben der Regierung hinausgingen?
Wir haben nie Sparmassnahmen beschlossen. Wir haben ein Programm beschlossen, um das Funktionieren des Unternehmens und den Ablauf der Prozesse zu verbessern. Es wurde uns deutlich aufgezeigt, dass viel Potenzial vorhanden ist, ohne Personalabbau Geld einsparen zu können. Die Herausforderung für den Verwaltungsrat ist es, die Unternehmensziele und die Anliegen der Mitarbeiter in Übereinstimmung zu bringen. Es geht darum, einen guten Mittelweg zwischen Unternehmenserfolg und Rücksicht auf die Mitarbeitenden zu finden. Ein Unternehmen gut und effizient zu führen, erfordert aus meiner Sicht gute Arbeitsbedingungen und zufriedene Mitarbeitende.
Was würden Sie im Rückblick anders machen?
Ich würde den Dialog mit dem Personal von Anfang an suchen, die Kommunikation gegenüber den Mitarbeitenden verbessern und intensivieren und nicht von Anfang an eine Zahl als Zielgrösse definieren. Vielmehr würde ich die Verbesserungen umsetzen mit dem Ziel, das herauszuholen, was zusammen mit dem Personal möglich ist.
«Ich bedauere vor allem, dass die GPK nur eine Minderheit des Verwaltungsrats angehört hat.»
Die GPK moniert, dass die BVB die Frauen im Kader zu wenig fördern – hier also mehr machen müssten. Und Sie als ehemalige Politikerin des Grünen Bündnisses verteidigen die BVB. Was ist denn hier passiert?
Sie kennen meine Haltung zum Thema Frauen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass Frauen die gleichen Chancen erhalten wie Männer, und dass mehr Frauen politische Ämter übernehmen. Diese Meinung habe ich nicht geändert – auch bei den BVB braucht es mehr Frauen. Im Verwaltungsrat habe ich mich bei der Neubesetzung von Stellen in der Geschäftsleitung dafür starkgemacht. Es reicht beispielsweise nicht, zu sagen, bei gleicher Qualifikation nehmen wir die Frau.
Worauf kommt es noch an?
Zuerst muss man überhaupt Frauenbewerbungen haben, das braucht oft spezielle Anstrengungen. Zudem gibt es die «gleiche Qualifikation» nicht, da kommt es dann auf die gesetzten Kriterien an. Auch ich musste aber feststellen, dass es ist in technischen Berufen nicht einfach ist, Frauen für Kaderpositionen zu finden. Damit der Frauenanteil gesamthaft steigt, braucht es aber natürlich nicht nur im Verwaltungsrat eine Sensibilität dafür, sondern in den ganzen BVB. Daran arbeiten wir noch.
Sie selbst wurden von der GPK nicht angehört, weil Sie in der Babypause waren. Bedauern Sie das?
Ich bedauere vor allem, dass die GPK nur eine Minderheit des Verwaltungsrats angehört hat. Bei der Schwere der Vorwürfe hätte ich es für angebracht gehalten, weitere Mitglieder anzuhören.
Sie hätten bei der GPK intervenieren können.
Die Arbeit der GPK war der Geheimhaltung unterstellt. Ich wusste deshalb weder, welche Themen diskutiert wurden, noch wann. Normalerweise lädt man sich auch nicht selbst in die Geschäftsprüfungskommission ein.
«Nicht alle Fraktionsmitglieder haben die Forderung unterstützt.»
Gab es seit dem Misstrauensvotum eine Aussprache mit der Fraktion?
Dazu will ich nur sagen, dass nicht alle Fraktionsmitglieder die Forderung unterstützt haben.
Halten Sie trotzdem an einer erneuten Kandidatur als BVB-Verwaltungsrätin fest?
Ich stehe zur Verfügung. Unabhängig von der Haltung der Fraktion des Grünen Bündnisses ist es aber durchaus möglich, dass ich nicht mehr gewählt werde, da ich nicht mehr in Basel wohne und es eine Wohnsitzquote gibt.
Und wenn Sie die Wahl nicht schaffen?
Dann habe ich mich gerne mit voller Kraft vier Jahre für die BVB eingesetzt und beobachte dann die weitere Entwicklung von aussen.
Und konzentrieren sich auf Ihre politische Karriere in Fribourg?
Ich habe einerseits zwei Verwaltungsratsmandate hier in Fribourg und werde nächstens voraussichtlich in den Vorstand der Grünen der Stadt Fribourg gewählt. Zudem werde ich nach heutigem Stand in rund zwei Jahren in den Grossen Rat nachrücken. Ich freue mich, mich auch in Fribourg für grüne und soziale Anliegen einzusetzen.
Den Wegzug aus Basel haben Sie nie bereut?
Nein, auch wenn er mit Wehmut verbunden ist.