Musik im HeK: «Wir wollen die Leute zurück in die Unsicherheit führen»

Keine Lust auf klassische Clubnächte, auf Korsette und Zwänge: Im Keller des HeK auf dem Basler Dreispitz sollen Experimente gepflegt und Erwartungen gebrochen werden. Warum, das erläutert Programmator Marc Schwegler im Interview.

Marc Schwegler will im H3K die klaren Erwartungen, mit denen die Leute Woche für Woche in die Clubs schneien, hinterfragen und unterlaufen. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Keine Lust auf klassische Clubnächte, auf Korsette und Zwänge: Im Keller des HeK auf dem Basler Dreispitz sollen Experimente gepflegt und Erwartungen gebrochen werden. Warum, das erläutert Programmator Marc Schwegler im Interview.

Im düsteren Keller des HeK (Haus der elektronischen Künste) finden Konzerte und Performances statt. Programmiert wird der Club, der keiner sein will, von Marc Schwegler (*1984). Der Luzerner, der an der Uni Basel Medienwissenschaften und Kulturanthropologie studiert, sagt im Gespräch, was das HeK-Musikprogramm bieten soll – und was nicht. 

Marc Schwegler, Sie sind Student und haben die Möglichkeit, einen subventionierten Club in Basel zu programmieren. Fühlen Sie sich deswegen manchmal schlecht?

Wieso schlecht?

Normalerweise ist der Weg zum bezahlten Kulturjob steiniger, beginnt mit der Organisation kleiner Konzerte, sprich: mit viel Herzblut und ohne Lohn.

Bevor ich nach Basel kam, habe ich fünf Jahre lang den Luzerner Südpol mitaufgebaut – notabene auch ein subventioniertes Haus. Nebenher bin ich Veranstalter und im Redaktionsteam des Magazins zweikommasieben. Da steckt auch sehr viel Herzblut drin und eher wenig Geld. Ich denke, je unetablierter das Feld ist, das man beackert, desto prekärer ist die Arbeit für die Veranstalter und Künstler. Ich finde aber nicht, dass man das zum geltenden Arbeitsethos erklären sollte. Vielmehr ist diesbezüglich Kritik angebracht.

Die beiden Halbkantone, der Bund und die Christoph Merian Stiftung subventionieren das Haus, insgesamt kommen über 1,1 Millionen Franken zusammen…

… aber nur ein kleinerer Teil davon fliesst ins Musikprogramm. Wir müssen damit einfach Bedingungen bieten, die für das breite Feld der elektronischen Künste und die entsprechenden Künstler funktionieren. Im Bereich von Musik und Klang stösst man da so oder so schnell an Grenzen. Das sind in der Schweiz zum Beispiel die gesetzlichen Richtlinien bezüglich der Lautstärken – diese Begrenzungen schränken die Möglichkeiten enorm ein gerade für Künstler, bei denen die körperliche Wahrnehmung im Zentrum steht.

«Ich habe weder Lust auf Sicherheit noch auf standardisierte Formate und Inhalte.»

Welche Verantwortung hat das HeK gegenüber dem Basler Publikum?

Ich glaube das HeK kann Formate und Inhalte ermöglichen, die in Basel bis jetzt nicht so abgedeckt werden konnten. Natürlich gab es mit dem Shift-Festival und gibt es auch jetzt mit Oslo10 super Orte, die im Musikbereich ähnliches machen. Aber wir können vielleicht noch einmal andere Bedingungen für spannende, abenteuerlustige und interessante elektronische Musik schaffen – gerade auch für Experimente, die sich nicht zwingend dem Diktat der gängigen Clubformate beugen. Es kann eine Aufgabe für uns sein, die klaren Erwartungen, mit denen die Leute Woche für Woche in die Clubs schneien, zu hinterfragen und zu unterlaufen.

Überrumpelt hat manche Besucher die Tatsache, dass sie um 23 Uhr ins HeK kamen, das Konzert dann aber schon vorbei war und aufgeräumt wurde. Wollen Sie bewusst kein Party-Publikum im HeK?

Nein, so kann man das nicht sagen. Wir hatten bis jetzt einmal pro Monat eine Clubveranstaltung mit durchaus zugänglicher Musik und erfreulichen Besucherzahlen. Trotzdem sind wir einfach kein Club. Ich glaube, das ist das Erste. Und das Zweite: Ich habe weder Lust auf Sicherheit noch auf standardisierte Formate und Inhalte. Unsere Aufgabe ist es, die Leute zurück in die Unsicherheit zu führen. Wenn hier Freitag bis Samstag genau das gleiche läuft wie überall sonst, dann hätten wir unseren Auftrag verfehlt.

«Erfreuliche Besucherzahlen»: Was heisst das konkret?

Im neuen Haus: durchschnittlich 130 Leute.

«Es kann nicht die Idee sein, dass wir einen Hinterhof oder einen Nordstern zu konkurrieren versuchen.»

Warum will das HeK kein Club sein?

Wenn man sagt, dass hier gewisse Dinge befragt werden sollen, fände ich es kitschig, wenn wir versuchten, einen Club zu imitieren. Es kann nicht die Idee sein, dass wir einen Hinterhof oder einen Nordstern zu konkurrieren versuchen. Ich habe den grössten Respekt vor den Betreibern, die unter schwierigen Bedingungen wirtschaftlich funktionieren müssen. Und die machen ihre Sache gut. Uns sollte es eher darum gehen, das Clubdispositiv auf ein Minimum herunter zu destillieren. Was ist also möglich mit einer leistungsstarken Anlage, einem dunklen Raum und elektronischer Musik. Und weiter: Was ist daran für Musik und Klang, aber auch für Politik, Theorie und Experiment interessant? Deswegen interessieren wir uns für Künstler, die aus dem Setting das Maximum herausholen und die Definition einer Clubnacht erweitern, statt sie nur zu erfüllen.

Wenn es kein Club ist: Wie würden Sie es sonst labeln?

Ich finde das Haus im Namen gar nicht so schlecht. Das HeK soll ein waches Auge und ein waches Ohr für neue interessante Haltungen und Strömungen in der elektronischen Musik, in der Kunst und im gesellschaftlichen Diskurs haben. Dazu kommt eine offene Haltung gegenüber den Künstlerinnen, dem Publikum, den Veranstaltern – aber auch verschiedenen Lebenslagen, sexuellen Orientierungen, gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen. Das muss die Richtung sein, in die wir gehen wollen. Also nicht die härteste Tür Basels, sondern das Gegenteil.

Kaum haben Sie aufgemacht, gibt es schon Kritik. Manchen ist der Club zu dunkel. Die Ausstattung der Bar zum Beispiel ist sehr karg. Was entgegnen Sie dem?

Beim Umbau hatten wir gewisse finanzielle Rahmenbedingungen, nach denen wir uns richten mussten. Die Akustik des Raumes hatte Priorität, und das kostet. Zudem mag ich das Black-Box-artige des Raumes: Da ist eine gewisse Unbestimmtheit, die viele Inhalte und Formate zulässt. Die Kritik nehme ich aber auf jeden Fall ernst, und es ist mir wichtig, dass die Leute sich wohlfühlen. Wir haben jetzt drei Monate offen – und wir können sicher das eine oder andere noch ändern.

Auch die Akustik wird bemängelt.

Natürlich gehen hier die Meinungen auseinander. Wir haben mit der Bauleitung und externen Experten bis kurz vor der Eröffnung extrem nachgerüstet – dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Ich weiss auch aus Erfahrung vom Südpol in Luzern: So ein Raum braucht Zeit, bis man versteht, wie er funktioniert. Gerade bei dem breiten elektronischen Musikprogramm, das wir abdecken, dauert das.

In der Black Box, die kein gewöhnlicher Club sein soll: Marc Schwegler.

In der Black Box, die kein gewöhnlicher Club sein soll: Marc Schwegler.

Vereinzelt haben sich Anwohner über Lärm beklagt. Wie ist die Beziehung zu den Nachbarn?

Die Vision auf dem Dreispitz-Areal lautet: Leben, Wohnen, Arbeiten und Kultur. Alles in einem. Dass das nicht von Anfang an reibungslos verläuft, ist klar. Es ist aber auch klar, dass wir unser Möglichstes für eine gute Beziehung zu den Anwohnern tun. Wir haben nach der Eröffnung reagiert und als erste Sofortmassnahme ein Active-Noise-Cancellation-System installiert, das die problematischsten Frequenzen im Aussenbereich auslöscht. Die ersten Tests stimmen uns positiv.

Das HeK liegt am Stadtrand. Wie wollen Sie die Leute auf den Dreispitz locken?

Wir haben zum Glück Mittel für Kommunikation und Marketing. Unsere Lage ist vergleichbar mit der des Südpols in Luzern, der auch peripher gelegen ist. Natürlich war es da erst schwierig, die Leute hinzulocken. Es ist so oder so nicht einfach, das Publikum für Unbekanntes und Neues zu begeistern. Wenn ich mir aber die Menge anschaue, die in Basel elektronische Musik konsumiert und produziert, dann sehe ich durchaus Potential für etwas sperrige oder experimentelle Inhalte.

Drei Monate sind seit der Neueröffnung vergangen. Was wollen Sie im HeK musikalisch bieten 2015?

Es wird Konzerte mit wirklich interessanten Leuten geben – beispielsweise im April ein Konzert mit Mark Fell und Keith Fullerton Whitman.

Für die Art Basel ist in Zusammenarbeit mit dem norwegischen Künstler Lars TCF Holdhus eine Clubnacht angedacht. Dann plane ich mit dem jungen ungarischen Computermusiker Gábor Lázár eine kurze Residenz. Ausserdem kleine Festivalformate. Wir werden also unsere Maschine auf Herz und Nieren testen und experimentieren – erste Dinge deuten sich jetzt schon an.

Was?

Dass Pop bei uns nur bedingt funktioniert. Also Pop im Sinne eines Bereichs, den zum Beispiel schon die Kaserne abdeckt. Experimentelles hingegen funktioniert sehr wohl.

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Nächster Live-Act: Ryoji Ikeda, 20. Februar 2015, 21 Uhr.

 

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