«Musik ist keine Ware mehr»

Mit der Digitalisierung ist Musik immateriell, Verwendungsmusik geworden, sagt der Musiksoziologe Alfred Smudits. Auch die Stile ändern sich. Vor seinem Vortrag im Basler Museum für Musik haben wir mit ihm gesprochen.

(Bild: Valentin Kimstedt)

Mit der Digitalisierung ist Musik immateriell, Verwendungsmusik geworden, sagt der Musiksoziologe Alfred Smudits. Auch die Stile ändern sich. Vor seinem Vortrag im Basler Museum für Musik haben wir mit ihm gesprochen.

Herr Smudits, wie hat sich die Hörkultur von Musik verändert?

Die Entwicklung zeigt sich an vielen Stellen. Lange Zeit war Musik ausschliesslich live und diente dem Umgang, beim Tafeln, zum Tanz. Im bürgerlichen Zeitalter war sie hauptsächlich eine Ware, die man auf Tonträgern erwarb und dann anhörte. Seit der Digitalisierung spreche ich von Verwendungsmusik. Man ruft einen Stream auf, Youtube, Soundcloud, Spotify, oder man lädt eine Datei herunter und verwendet sie. Musik wird zunehmend ein Fluidum. Man hat nichts Materielles mehr in der Hand.

Die Musikindustrie hat im Zuge dessen immer noch Schwierigkeiten, sich zu finanzieren. Wie geht es weiter?

Inzwischen dienen Konzerte zum Brotverdienen. Viele Bands setzen auf Merchandising, verkaufen T-Shirts und solche Sachen. Vielleicht werden auch Festivals an Bedeutung gewinnen. Ich weiss es nicht … ich habe in den letzten 20 Jahren so viele Fehlprognosen gehört, ich will keine hinzufügen.


Alfred Smudits

Der gebürtige Österreicher ist studierter Soziologe und Psychologe und hat in Wien einen Lehrstuhl für Musiksoziologie inne.
Am 31. Oktober hält er anlässlich der Ausstellung «Pop@Basel» im Museum für Musik einen Vortrag zur Entwicklung der Hörkultur (19.30 Uhr, Lohnhof 9).

CDs werden immer weniger gekauft. Gehören den Downloads, Onlineradios und Streaming Services die Zukunft?

Auch das weiss ich nicht. Das Downloaden hat seinen Neuigkeitswert verloren und wird zur Gewohnheit. Auch Spotify ist schon wieder etwas out. Das liegt übrigens nicht zuletzt am hohen Energieverbrauch, den der Hörer hat.

Es gibt einen grossen Trend zurück zur Schallplatte.

Vinyl? Jaaa (lacht), das wird es immer geben, so wie das Kunsthandwerk. Doch wenn der Marktanteil von drei auf sechs Prozent steigt und man dann von 100 Prozent Zunahme spricht, ist das trotzdem nicht viel.

Was treibt die Vinyljünger an?

Nostalgie, Vintage. Es gibt auch einen grossen Mehrwert zum blossen Musikerlebnis: die Platte, das Cover… Dazu kommt der Fetisch, dass man einen gewissen Klang nur von der Platte höre. Man braucht allerdings Fledermausohren, um das zu hören.

Haben Sie die?

Nein. Ich habe mich für CD entschieden und bleibe dabei.

Ändert sich mit den Hörgewohnheiten auch die Musik?

Am ehesten die Bandmusik. Die Musiker machen mehr Tracks als Werke. Das Opus ist ein Auslaufmodell. Tracks sind nie fertig, können immer weiter verändert und in immer neuen Kontexten eingesetzt werden.
Ein Kollege von mir spricht ausserdem von einer neuen Dreiteilung der Musik. Er unterscheidet «Artmusik» wie Jazz, Klassik und progressiven Rock von der «Bandmusik». Das ist die funktionelle Musik, die man an Konzerten hört, zum Tanzen, unterwegs. Und schliesslich gibt es «Mediamusik», also die Beschallung im Fahrstuhl oder im Kaufhaus.

Und die Musikhörer, ändern die sich auch?

Sie werden individueller. Kaum jemand geht mehr in den CD-Laden und lässt sich beraten. Man gibt einen Track in eine Software ein und die zeigt einem eine ganze Liste von Musik, die man mag. Aber auch wenn das Musikhören eine individuellere Angelegenheit wird, gibt es neue Formen von Gemeinschaft. Etwa wenn man sich die zwei Stöpsel eines Kopfhörers teilt.

  • Alfred Smudits: «iPod, Streaming, Cloud – Musik zum Verwenden. Von der Umgangsmusik zur Darbietungsmusik und zurück».
    Donnerstag, 31. Oktober, 19:30. Museum für Musik, Im Lohnhof 9, Basel.

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