«Politik hat mit Wirkung zu tun»

Baschi Dürr (FDP) sieht sich als besseren Verkäufer. Als Regierungspräsident würde er aber nicht alles anders machen, sagt er im Interview.

Baschi Dürr: «Ich will nicht alles anders machen, ich will es besser machen.» (Bild: Hans-Jörg Walter)

Baschi Dürr (FDP) sieht sich als besseren Verkäufer. Als Regierungspräsident würde er aber nicht alles anders machen, sagt er im Interview.

Baschi Dürr, warum würden Sie dem Präsidialdepartement eine bessere Ausstrahlung als Guy Morin verleihen? Sie wirken auf viele arrogant, distanziert, steif …

Das sind jetzt viele Adjektive, die Sie mir zuschreiben. Vor dem Wahlkampf habe ich noch als umgänglich gegolten.

Das haben wir nie so empfunden.

Wie auch immer: Ich meine mit der Ausstrahlung weniger die Person Guy Morin, ich meine die Art, wie er das Amt ausfüllt.

Waren Sie vor zehn Jahren für die Schaffung des Präsidialdepartements?

Ich war sehr skeptisch – und bin es nach wie vor in der Frage, was Basel die Repräsentanz eines ständigen Präsidenten bringt. Die Wichtigkeit liegt darin, über die Departemente hinauszudenken. Der Präsident muss die Regierung als Regierung stärken.

Sind Sie eine integrativere Figur als Guy Morin?

Es braucht eine gewisse Unabhängigkeit. Die habe ich öfters gezeigt, als ich mit meiner Partei nicht immer einig war. Morin ist ein Mehrheitsbeschaffer. Er verdankt der SP und ihren starken Figuren Wessels, Herzog, Brutschin seinen Job. Das ist keine gute Ausgangslage für einen Präsidenten.

Sie wären ein bürgerlicher Präsident einer linken Regierung. Das ist die schlechtere Ausgangslage.

Das habe ich mir im Hinblick auf den zweiten Wahlgang auch überlegt. Aber das Resultat des ersten Wahlgangs zeigte, dass die Mehrheit, die diese Regierung gewählt hat, einen anderen Präsidenten will. Ansonsten hätte Guy Morin das absolute Mehr geschafft.

«Jetzt kommt Standardantwort 17b.»

Wo soll das Präsidialdepartement denn hin und was würden Sie besser machen als Guy Morin?

Jetzt kommt die Standardantwort 17b.

Sie haben schon einen Antwortenkatalog im Kopf?

Ja, den hat man langsam zusammen. Aber was besser werden muss: Die Rolle der Planungsaufgaben des PD wird zu wenig diskutiert. Die Regierung ist zu oft eine Ansammlung von Departementsvorstehern. Das Überdepartementale passiert zu wenig.

Konkreter?

Ein Beispiel ist das Thema öffentlicher Raum. Es gab die Debatte über die Sicherheitsinitiative und die Sauberkeitsinitiative der SVP und um das neue Allmendgesetz. Drei Departemente waren involviert, dabei drehen sich alle Themen um den öffentlichen Raum. Man hätte dies zusammenführen und ein Gesamtpaket schnüren können. Stattdessen handelte man alles einzeln ab.

Wie hätte dieses Paket von «Stapi» Dürr denn ausgesehen?

Das kann ich nicht sagen. Aber ich hätte versucht, alles zusammenzunehmen und gemeinsam zu verkaufen. Politik hat viel auch mit Kommunikation zu tun, mit Wirkung.

Sie argumentieren auf der Meta-Ebene. Sie wissen nicht, was Sie wollen.

Nun, dieses Paket wurde eben nicht geschnürt, entsprechend kann dieser mutmassliche Mehrwert auch nicht vorliegen. In der Sicherheitsdebatte liegen zudem die politischen Positionen weniger weit auseinander, als immer behauptet wird. Es sind ja alle für mehr Sicherheit, niemand ist dagegen.

Sie verstehen Regierungsarbeit als Public Relations. Was verkauft wird, scheint Ihnen gleichgültig.

Nein. Aber ein Hauptaspekt der Politik ist, Akzeptanz zu schaffen.

«Man kann sich Kompetenzen aneignen, ohne ein neues Gestz zu schaffen.»

An was machen Sie fest, dass Morin als Präsident keine gute Falle macht?

Fragen Sie doch einmal in der Verwaltung, wie er dort ankommt. Fragen Sie Grossräte von links bis rechts. Alle sind sich – sofern nicht eben im Wahlkampf Herr Morin die linke Regierungsratsmehrheit sichern muss – einig, dass es keinen Mehrwert durch das neue Präsidialdepartement gibt.

Liegt das nicht in der Struktur des PD begründet? Es hat keine Kompetenzen, bei allen seinen zentralen Themen, bis auf die Kultur, entscheiden andere Departemente.

Ich hab nie gesagt, dass es ein einfaches Amt ist. Man ist als Regierungspräsident kein Ministerpräsident, sondern ein Moderator. Die Frage ist: Was macht man draus? Man kann sich auch Kompetenzen aneignen, ohne gleich ein neues Gesetz zu schaffen. Das hat viel mit Kooperation zu tun, aber auch mit Bestimmtheit in wichtigen Punkten. Ich werde Befehlshaber weder sein können noch wollen, aber mich auch nicht verstecken.

Wäre es an Ihrer Stelle nicht sinnvoller, zunächst Sicherheitsdirektor zu werden, um sich ein Bild über die Probleme im Regierungsrat zu machen?

Der Regierungspräsident muss nicht unbedingt erfahrener sein. Es kann auch gut sein, dass einer, der von aussen kommt, den nötigen Neuanfang im Präsidialdepartement unverkrampft angehen kann.

Abgesehen von der Koordination. Was würden Sie sonst noch anders machen als Guy Morin?

Ich will nicht alles anders machen, ich will es besser machen. Ich bin mit Guy Morin einig, was die Aufgaben des PD sind. Aber er nimmt diese Aufgaben nicht wahr. Das Präsidiale geht völlig ab – würden wir das Departement in Kultur- und Integrationsdepartement umtaufen, änderte sich gar nichts. Zudem bin ich der Meinung, dass der Kanton keine Kulturinstitutionen betreiben soll.

Ohne Kultur schaffen Sie sich selber ab.

Nein, denn die Kulturgelder würden immer noch vom PD kommen. Ein Departement muss aber nicht möglichst gross sein, damit ich möglichst viel entscheiden kann.

Sie wollen den Kulturbetrieb nach marktwirtschaftlichen Kritieren managen.

Das habe ich gar nie, auch nur in einem Nebensatz, gesagt.

In Ihrem Positionspapier zur Kulturpolitik schreiben Sie doch, dass öffentliche Angebote nicht am Markt vorbeizielen sollten…

Sie haben recht, das stimmt.

Am Schluss hätten wir dann nur noch Opern, Musicals und Van-Gogh-Ausstellungen.

Man kann nicht alles messen. Aber gewisse Parameter von Erfolg und Misserfolg festzulegen, halte ich für richtig. Gleichzeitig soll der Staat nicht fördern, was kommerziell rentiert – hierfür braucht es keine Subventionen.

Sie müssten ein Freund der Alternativkultur sein, die weniger nach Subventionen verlangt.

Das ist eine Definitionsfrage. Was ist Alternativkultur? Man sagt, das Theater sei bürgerliche Kultur und die Kaserne alternativ. Das ist falsch. Dort gehen die gleichen Leute hin und die Kaserne verlangt genau gleich nach Subventionen. Das neue und freche wurde nie vom Staat angestupft. Rock- und Popmusik wurde ursprünglich nicht gefördert. Kultur wird immer mit Kulturförderung gleichgesetzt. Wenn etwas kulturell wertvoll ist, muss es unbedingt gefördert werden. Das sehe ich nicht so.

Alternativkultur braucht ja nicht nur Geld, sie braucht vor allem Raum. Als auf dem NT-Areal mit der Wagenburg eine neue Wohnform versucht wurde, haben Sie gesagt, da hätte Guy Morin konsequenter handeln und die Leute vertreiben müssen statt zu verhandeln. Das war unsubventionierte Alternativkultur.

Öffentlichen Raum zu besetzen ist eine Subvention ohne Vertrag. Wie kulturell wertvoll das war, ist ausserdem fraglich. Fragen Sie mal die Nachbarn an ihrem jetzigen Standort an der Freiburgerstrasse. Die empfinden die Wageburg in erster Linie als lärmig und nicht als kulturell wertvoll. Aber da masse ich mir jetzt kein Urteil an. Es ist nicht an der Politik zu sagen, was gute und schlechte Kultur ist. Die Politik muss sagen, es gibt bestimmte Funktionen, die wir erfüllt haben wollen und das leisten wir uns.

Auch in Ihrem Funktionsmodell kommen Sie nicht darum herum zu sagen, was gute und schlechte Kultur ist, was also die Funktionen erfüllt und was nicht.

Sie haben recht. Man kommt um die normativen Fragen nicht herum. Das andere Konzept wäre, dass wir jeden Tag so und soviel Tausend Franken auf den Marktplatz werfen und sich die Künstler frei bedienen. Das wäre sehr radikal und geht natürlich nicht. Man kann sich nicht komplett um inhaltliche Fragen drücken. Wenn das Theater mit einer völlig widerwärtigen Aufführung käme, mit einem Nazi-Stück oder so. Dann gäbe es einen Riesenaufschrei und das Geld würde zurecht gekürzt. Das wäre dann ein normativer Eingriff.

«Der Staat kann seine Bevölkerung nicht erziehen.»

Sind Sie mit der Arbeit des Gleichstellungsbüros zufrieden?

Wichtig ist mir: Es gibt nicht an sich richtige Rollenbilder, die der Staat definieren muss. Der Staat darf nicht sagen, dieses Verhalten ist richtig und dieses falsch. Ich bin auch sehr skeptisch, ob der Staat seine Bevölkerung erziehen kann und soll. Das glaube ich nicht.

Was würden Sie in der Integrationspolitik, ein Schwerpunkt im PD, anders machen?

Ich bin klar dagegen, dass alle eine Integrationsvereinbarung unterschreiben müssen. Man muss verlangen, dass sich Ausländer – wie Inländer – an die Gesetze halten und sich selber finanziell tragen. Wer das macht, darf nicht vom Staat gezwungen werden, sich darüber hinaus zu integrieren. Auch müssen nicht alle Deutsch lernen, weder der Novartis-Manager noch der türkische Bauarbeiter – auch wenn ich’s persönlich jedem sehr empfehlen würde. Wenn jemand dann aber keinen Job findet, darf er nicht die hohle Hand machen. Eine Frau soll auch eine Burka tragen dürfen. Wird es damit aber sehr viel schwieriger, eine Stelle zu finden, ist das primär ihr Problem.

Wo liegen Ihre Differenzen zu Morin in der Wohnraumpolitik?

Ich würde das Abbruchgesetz ersatzlos streichen. Zudem bin ich gegen die Wohnbaustiftung, die gewisse subventioniert – und alle anderen dann nicht. Auch finde ich die Objektfinanzierung falsch: Der Staat soll keine Sozialhäuser bauen, sondern sozial schlecht gestellte Menschen unterstützen.

Würden Sie als Präsident Stadtentwickler Thomas Kessler entlassen?

Ich werde öffentlich sicher keine Personaldiskussion führen. Ich halte ihn persönlich für einen guten Typen.

Das halten Sie aus, eine starke Persönlichkeit neben Ihnen im Departement?

Sicher.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Finanzdirektorin Eva Herzog, deren Vorfreude auf Sie als gering gilt?

Es ist okay. Sie ist offen und ehrlich, das mag ich. Mit ihr in die Ferien würde ich wahrscheinlich nicht gehen. Aber sie mit mir wohl auch nicht.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.11.12

Nächster Artikel