Der nachhaltige Ausbau des Roche-Areals im Wettsteinquartier wird mittelfristig gegen 3000 und längerfristig noch mehr Mitarbeiter zusätzlich aufs Gelände spülen. Mit dem heutigen Angebot des öffentlichen Verkehrs wird das niemals zu bewältigen sein.
Roche baut aus. Und wie! Untrügliches und von weit her sichtbares Zeichen dafür ist der neue 178 Meter hohe Roche-Turm, der noch dieses Jahr 1900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufnehmen wird. Damit sind die Ausbaubedürfnisse des Pharmakonzerns aber noch längst nicht gedeckt. Bis 2023 sollen noch knapp zehn weitere Neubauten hinzukommen – einer davon, quasi als grösserer Zwillingsbruder des bestehenden Turms, mit einer Höhe von gar 205 Metern.
Der mittelfristige Ausbau bis 2013 lässt auf dem Nordareal weitere Bauten (rot eingefärbt) in die Höhe wachsen. (Bild: Grafik BVD)
Roche verfolgt damit das Ziel, alle in Basel tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einem Standort zu konzentrieren. Heute sind gegen 3000 Mitarbeitende in Büroräumlichkeiten verstreut in der Stadt Basel ausserhalb des zentralen Firmengeländes untergebracht. Ab 2023 werden sie in die neuen Bauten umziehen können, womit die Bruttogeschossfläche von 290’000 auf 420’000 Quadratmeter und die Zahl der Roche-Mitarbeitenden im Wettsteinquartier auf rund 9000 ansteigen wird.
Langfristig, also für die Zeit nach 2013, plant Roche noch weitere Neubauten auf dem Nord- (rechts) und auf dem Südareal auf der Rheinseite. (Bild: Grafik BVD)
Damit ist aber noch nicht genug: Wie aus den veröffentlichten Ausbauplänen hervorgeht, will Roche auf dem Firmengelände auch nach 2023 weiter wachsen. Längerfristig im Visier sind weitere Neubauten auf dem Nordareal zwischen Grenzacherstrasse und Wettsteinallee – unter anderem ein 72-Meter-Hochhaus östlich des zweiten Riesenturms –, aber auch ein Ausbau der nicht denkmalgeschützten Bauten auf dem Südareal, das sich zum Rhein hin erstreckt. In den aufgelegten Plänen ist ein weiterer Anstieg der Bruttogeschossfläche auf 440’000 Quadratmeter aufgeführt.
Ausbau des öffentlichen Verkehrs
Dieser Ausbau des Hauptsitzes hat natürlich Folgen für das Quartier rund um das Firmenareal. 9000 und längerfristig noch mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden Morgen für Morgen auf das Firmengelände gelangen und es abends wieder verlassen müssen.
Roche selber hat bereits parallel zum Bau des bestehenden Turms ein Mobilitätskonzept erarbeitet, das in den Erläuterungen des Bau- und Verkehrsdepartements (BVD) zur Planauflage als «fortschrittlich» bezeichnet wird: «Es ist insbesondere bei der Parkplatzvergabe an Mitarbeitende deutlich strenger als Konzepte vergleichbarer Firmen», heisst es darin.
Das betrifft insbesondere die Massnahmen beim Autoverkehr. Heute existieren rund 1900 Parkplätze auf dem Areal selber, dazu kommen 200 Plätze, die Roche im Parking Badischen Bahnhof gemietet hat. Laut den Erläuterungen des BVD ist im mittelfristigen Planungshorizont bis 2023 im Vergleich zum Zuwachs an Arbeitsplätzen ein relativ bescheidener Ausbau der Parkplatzzahl geplant, der deutlich unter der Zahl liegt, die laut der Basler Parkplatz-Verordnung zulässig wäre.
Massnahmen für Velofahrer
Dagegen wird im selben Zeitraum mit einer deutlichen Zunahme des Veloverkehrs gerechnet, der von Roche gezielt gefördert werde. Dies betrifft auf der einen Seite Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von zu Hause aus mit dem Velo anfahren, auf der anderen Seite aber auch solche, die mit der S-Bahn zum Badischen Bahnhof fahren und von dort aus mit dem Velo zum Arbeitsplatz gelangen.
Das Verkehrskonzept, das das BVD bei der Beratungsfirma für Verlehrsfragen Rapp Trans AG in Auftrag gegeben hat, empfiehlt deshalb eine Verbesserung der «Qualität und Sicherheit» für den Veloverkehr im Umfeld des Firmenareals und vor allem sowie dringlich einen massiven Ausbau der Veloabstellplätze beim Badischen Bahnhof.
Ausbau des öffentlichen Verkehrs
Auch beim öffentlichen Verkehr sind Ausbaumassnahmen angesagt. Nicht sofort, denn mit den anvisierten Ausbauplänen sinkt trotz des Bezugs des neuen Roche-Turms die Zahl der Arbeitsplätze auf dem Firmenareal kurzfristig. Aber den langfristigen Zuwachs an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können die bestehenden Buslinien, die durch die Grenzacherstrasse oder über die Schwarzwaldbrücke fahren, nicht bewältigen.
Gegen einen möglichen Ausbau der eh schon starken Frequenz des Busverkehrs durch die Grenzacherstrasse setzt sich die Anwohnerschaft, die sich im Verein Hauseigentümer und Anwohner Wettsteinquartier Basel (HEAW) organisiert hat, vehement zur Wehr. Inzwischen hat auch das BVD eingesehen, das ein Zuwachs im Busverkehr für die Anwohnerschaft nicht erträglich ist.
Neue Tramlinie durch die Grenzacherstrasse
Als Alternative schlägt das Verkehrskonzept mittel- bis längerfristig den Bau einer neuen Tramlinie vom Bahnhof SBB über die Grenzacherstrasse bis zum Badischen Bahnhof vor. Diese Linie ist bereits Bestandteil des Strategieplans «Tramnetz 2020» des Kantons. Mit einer Tramlinie könnte die Frequenz des Busverkehrs durch die belastete Strasse verringert werden.
In der Illustration von Roche präsentiert sich die Grenzacherstrasse auffällig verkehrsfrei. (Bild: Roche)
Weiter wird kurzfristig die Einrichtung einer Schnellbuslinie vom Bahnhof SBB über das Grossbasel und die Schwarzwaldbrücke bis zum Roche-Areal empfohlen. Dies hätte den Vorteil, das zusätzlich die heute bereits oftmals überlastete Buslinie 36 entlasten würde.
Als weitere, langfristige Option taucht im Bericht die Einrichtung einer S-Bahn-Station Solitüde auf. Diese werde derzeit in einer Machbarkeitsstudie geprüft. Eine baldige Realisierung liegt aber scheinbar nicht drin.
Anwohnerschaft bleibt skeptisch
Die im HEAW organisierte Anwohnerschaft lässt sich durch die vorgeschlagenen Massnahmen aber nicht beruhigen – ganz abgesehen von der Sorge darüber, dass unter anderem durch den Schattenwurf der neuen Hochhäuser der Wert der benachbarten Liegenschaften gemindert werde.
Der Arzt Niklaus Trächslin, einer der Wortführer des HEAW, hält wenig von einer neuen Tramlinie durch die Grenzacherstrasse. «Die Konsequenz ist eine Überlastung der Strasse mit ÖV», schreibt die HEAV in einem Brief an den BVD-Vorsteher Hans-Peter Wessels. Und nicht nur das befürchtet Trächslin.
Gegenüber der TagesWoche führt er aus, dass durch weitere Tramverbindungen auch die Achse über die Wettsteinbrücke überlastet werde. Eine Tramverbindung vom Grossbasel aus über die Schwarzwaldbrücke wäre für Trächslin dienlicher.
Unter dem Strich machen die Anwohner aber keinen Hehl daraus, dass sie durch die Einrichtung einer Tramlinie durch die Grenzacherstrasse befürchten, dass der Autoverkehr behindert werde. In fetten Buchstaben heisst im Brief: «Der ÖV darf nicht als Instrumentalisierung zur Blockade des Individualverkehrs verwendet werden.»
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Öffentliche Planauflage Bebauungsplan Roche Grenzacherstrasse, bis 7. Juli 2015 im Planungsamt an der Rittergasse 4 (2. Stock), Einsprachen und Anregungen zu den Dokumenten müssen bis am Dienstag, 7. Juli 2015, schriftlich und begründet an das Planungsamt, Rittergasse 4, 4001 Basel, eingereicht werden. Das Verkehrskonzept ist rechtlich nicht Teil des Verfahrens.
Wenn die Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden schiessen: Video von Roche