Als Simon Lutz 1993 die Kuppel übernahm, war Clubbing in Basel so fremd wie Facebook. Innert weniger Jahre wurde die Bretterbude im Nachtigallenwäldeli zum Nabel des Basler Nachtlebens. Hier vergnügten sich drei Party-Generationen aller Stil-Couleurs, weshalb die Kuppel heute Emotionen weckt – quer durch alle Szenen – bis hin zum Grossen Rat, der kürzlich 1,7 Millionen Franken für den Neubau der Kuppel bestätigte.
Die Szene hat sich allein seit dem Abriss der alten Kuppel wieder massiv verändert und man muss sich angesichts der heutigen Situation fragen: Macht ein Neubau Sinn und warum ist die Kuppel noch nicht in Bau? Wir fragen den Pionier der Basler Ausgehkultur gleich selbst.
Simon Lutz, Sie gestalten die Basler Clublandschaft seit 25 Jahren aktiv mit. Was hat Sie so lange in der Szene gehalten?
Das frag ich mich manchmal auch. Grundsätzlich ist es eine faszinierende Arbeit, die nicht immer, aber doch mehrheitlich Spass macht. Die ganze Eventgastronomie und Musikszene hat etwas sehr Faszinierendes. Gerade weil sie sich im Umfeld der Gesellschaft, ihren Ansprüchen und dem Ausgehverhalten stets verändert und weiterentwickelt. Das kommt in natürlichen Wellenbewegungen, und es ist doch sehr anspruchsvoll dabeizubleiben.
Wie würden Sie denn die heutige Lage des Basler Nachtlebens beschreiben?
Viele sprechen von einem Überangebot. Tatsächlich habe ich das Gefühl, dass dauernd Neues entsteht, was ich nur begrüsse. Der Wandel gehört zu einer lebendigen Stadt. Das ist wie ein Organismus, der sich weiterentwickelt. Im Moment ist es keine einfache Zeit für die Ausgeh-Kultur. Der Gast ist in der Tendenz nicht mehr bereit, Eintritt für Konzerte oder DJs zu bezahlen. Gratis-Partys und -Konzerte haben den Markt verändert.
Sind Sie froh, in der momentanen Lage keinen eigenen Club zu betreiben?
(Lacht.) Nun, ich bin mit dem Nordstern sehr eng verbunden. Ich lege viel Wert auf langfristige Planung und eine klare Linie, die man allenfalls auch entgegen dem Trend durchzieht. Sich treu zu bleiben und sich klar und kontinuierlich weiterzuentwickeln, ist sehr wichtig.
Sie mussten lernen loszulassen?
Genau. Heute bin ich sehr glücklich mit der Situation, aber es brauchte einen Prozess, damit ich das verstehen, annehmen und auch gut finden konnte.
Also loslassen und anderen zuhören müssen.
Klar, ich musste mich an den Gedanken gewöhnen, nicht mehr vollkommen frei und selbstverwaltet zu sein. Nun haben wir ein System gefunden, in dem ich nicht mehr allein bin, mich aber einbringen kann. Das führte zur jetzigen Stiftung Kuppel (Anmerkung der Redaktion: mit Tobit Schäfer, Sebastian Kölliker und Stephan Werthmüller), die den Lead im Kuppelprojekt übernimmt. Darum kann ich jetzt nicht mehr allein informieren, was genau wann geht, gerade auch bei sensitiven Themen.
Hat Ihr Lernprozess auch etwas mit den Erfahrungen in der Zusammenarbeit bei den anderen Clubs zu tun?
Das hab ich mir noch nicht überlegt. Das Singer-Projekt, muss ich ganz ehrlich gestehen, war nie so wirklich das meine. Die Situation bei der Kuppel ist ganz anders. Ich bin zwar auch hier nicht mehr alleine (lacht). Aber ob vier Unternehmer gemeinsam etwas machen, wo es jeder besser weiss, oder eine Stiftung zusammen auf ein Ziel hinarbeitet, hat eine ganz unterschiedliche Dynamik.
Wir hatten es anfangs vom intimen Gemeinschaftsgefühl, das heutzutage im Ausgang gefragt ist. Ist die geplante Kapazität der Kuppel für 700 Menschen nicht etwas gross für eine intime Atmosphäre?
Der Wunsch ist ein variabler Raum, der Konzerte für 150 Besucher zulässt, aber auf 700 erweitert werden kann. In der alten Kuppel konnten wir gewisse Konzerte aus Platzgründen nicht machen. Züri West oder Patent Ochsner wollen auch nicht drei Abende hintereinander spielen. Für solche Spitzen braucht es die Kapazität.
Dann planen Sie nicht jedes Wochenende mit voller Auslastung, sondern nur an speziellen Anlässen.
Ja, wir sind uns bewusst, wo wir sind. Wir wollen nicht primär Grossveranstaltungen organisieren, sondern insbesondere eine Plattform für junge Bands und DJs werden, die hier etwas aufbauen können.
«Es brauchte den Faktor Verzögerung, damit die Kuppel nun so gesund wachsen kann.»
Heute gibt es in Basel eine Vielzahl an kleinen wie grossen Lokalen für Bands und Partys. Es herrscht im Clubbereich sogar eine Überkapazität. Ketzerisch gefragt: Braucht es die Kuppel noch?
(Lacht.) Das fragen Sie mich? Ich behaupte: ja! Gerade auch nach dem Wegfall des Sud. Es braucht einen Kulturort, wie es die Kuppel war und wieder werden wird. Basel braucht wieder einen Ort, wo kontinuierlich Kultur programmiert wird. Die Barkonzerte und die vielen anderen kleinen Spartenoasen finde ich super, aber sie sind doch etwas limitiert. Vieles kann man dort nicht machen. Darum braucht es die Kuppel.
Und ab wann?
Das wird die Stiftung zu gegebener Zeit kommunizieren.
Der Zolli kann sich also nicht auf weitere Fläche freuen?
Nein, die QPL AG hat einen laufenden Baurechtsvertrag, der mit dem Zolli abgesprochen ist. Ich kann nur sagen: Die Kuppel ist wirklich gut unterwegs und es brauchte den Faktor Verzögerung, damit sie nun so gesund wachsen kann.
Wenn Sie keine Fakten bekannt geben können, könnten Sie dafür ein paar Szene-Gerüchte entkräften: Die Finanzierung war nicht gesichert. Darum hat man so zurückhaltend kommuniziert, um die 1,7 Millionen Franken aus öffentlicher Hand nicht zu gefährden.
Nein, die Finanzierung war nie ein Verzögerungsgrund – wie vorhin schon beschrieben.
«Der Schwebezustand jetzt ist blöd und generiert unglaubliche Gerüchte.»
Simon Lutz lässt sich mit Kulturgeldern einen Kommerztempel finanzieren?
Die öffentlichen Gelder sind klar ausgewiesen, damit in der Kuppel Proberäume für Bands entstehen. Ich und die anderen Stiftungsräte werden für ihre Arbeit noch nicht mal bezahlt. Der Schwebezustand jetzt ist blöd und generiert unglaubliche Gerüchte, die falsch sind und auch keinem etwas bringen. Umso klarer ist, dass wir baldmöglichst kommunizieren müssen.
Was wird Ihre Aufgabe in der Kuppel sein?
Ich bin Mitglied des Stiftungsrates, aber ich bin sicher nicht Geschäftsführer. Das geht schon wegen der Gewaltentrennung nicht.
Sie ziehen sich von der Front zurück?
Das ist richtig.
Dann werden Sie zukünftig ein repräsentativer Sonnenkönig?
Nicht mal das. Es wird ja keine Krone mehr geben. Nach 25 Jahren Kuppel ist es beim neuen Kulturort wichtig, dass junge Kräfte nachrücken.
Weitere Artikel zu unserem Schwerpunkt «Basler Clublandschaft 2017»:
– Katerstimmung in der Clubszene
– Inspiration, Infrastruktur und Netzwerk: Die Basler Clubszene und ihre Kinder
Themenbezogene Interessen(-bindung) der Autoren: Thom Nagy ist als DJ aktiver Teil des elektronischen Nachtlebens in Basel. Olivier Joliat ist als Schlagzeuger aktiver Teil der Bandszene Basels.