«Verdichtung heisst nicht einfach in die Fläche bauen»

Mirjam Ballmer, Co-Präsidentin der Grünen Basel-Stadt, ist gegen die geplanten Stadtrandentwicklungen Ost und Süd. Für sie ist eine Ausweitung auf nicht bebaute Flächen eine falsche Prioritätensetzung.

Im Gebiet zwischen Rankhof und Landesgrenze soll Wohnraum für 2000 Menschen entstehen.

Mirjam Ballmer, Co-Präsidentin der Grünen Basel-Stadt, ist gegen die geplanten Stadtrandentwicklungen Ost und Süd. Für sie ist eine Ausweitung auf nicht bebaute Flächen eine falsche Prioritätensetzung.

Am 28. September stimmt die Basler Bevölkerung über die Stadtrandentwicklungen ab. Gemäss dem neuen Zonenplan soll im Osten der Stadt neben dem Rankhof eine Hochhaussiedlung für 2000 Menschen und ein Landschaftspark entstehen. Im Süden auf dem Bruderholz sind Wohnungen für 250 Personen vorgesehen. Gegen die beiden Bebauungspläne wehren sich BastA!, SVP und Umweltverbände. Und auch die Grünen Basel-Stadt leisten Widerstand. Im Interview erklärt die grüne Co-Präsidentin und Grossrätin Mirjam Ballmer, wieso sie die Stadtrandentwicklungen Ost und Süd für sinnlos hält.

Mirjam Ballmer, was haben Sie gegen den neuen Zonenplan?

Grundsätzlich geht der neue Gesamtzonenplan in die richtige Richtung, zum Beispiel werden Grünflächen besser geschützt. Umso unverständlicher ist, dass man gleichzeitig mit den Stadtrandentwicklungen Ost und Süd einfach mal ins Blaue beziehungsweise ins Grüne bauen will. So hat man die letzten 60 Jahre Raumplanung betrieben, was zum heutigen Siedlungsbrei geführt hat. Die Schweizer Stimmbevölkerung hat dem neuen Raumplanungsgesetz kürzlich deutlich zugestimmt und damit gezeigt, dass sie das nicht mehr will.

Mirjam Ballmer ist von den geplanten Überbauungen nicht begeistert: «Genossenschafts­wohnungen sind ein Zückerchen, um die Defizite der Planung zu kaschieren.»

Vorgesehen sind mit den Stadtrandentwicklungen auch neue Genossenschaftswohnungen.

Natürlich sind Genossenschaftswohnungen ein wichtiges Element auf dem Wohnungsmarkt, und ich begrüsse diese Idee. Sie alleine kann aber nicht eine nachhaltige Stadtentwicklung garantieren. Das ist ein Zückerchen, mit dem man die Defizite dieser Planung kaschieren möchte. Ich hoffe auch, dass sich überhaupt Genossenschaften finden würden, die dieses Volumen bauen können, wie es in den Stadtrandentwicklungen vorgesehen ist.

Wo sollen denn sonst neue Wohnungen entstehen? Es wird zunehmend schwieriger, eine bezahlbare Wohnung in der Stadt zu finden. Die Leerstandsquote hat sich mittlerweile auf Zürcher Niveau gesenkt – es besteht dringender Handlungsbedarf.

Es sind unzählige Wohnbauprojekte in Umsetzung – etwa auf dem Kinderspital- oder Schorenareal. Weitere sind in Planung, wie zum Beispiel die nächste Etappe auf dem Erlenmattareal, die Stadtrandentwicklung am Walkeweg. Oder längerfristig das Radiostudio, das Felix-Platter-Spital oder das Hafenareal. Wir wollen auch mehr Wohnraum in Basel anbieten. Aber zuerst soll das bestehende innere Potenzial ausgeschöpft werden, ehe man Grünflächen verbaut. Mit den bestehenden Zonen kann noch mehr herausgeholt werden.

«Zuerst soll das bestehende Potenzial ausgenutzt werden – und freie Flächen sollen frei bleiben.»

Wie?

Zum Beispiel, indem dort bestehende Gebäude aufgestockt werden, wo die Zonenvorgaben noch nicht ausgeschöpft werden. Ausserdem stehen in der Stadt heute schon viele Büroflächen leer, und es kommen noch mehr dazu. Auch in diesem Bereich gibt es noch viel Potenzial.

Man kann Private kaum dazu zwingen, in die Höhe auszubauen oder ihre Flächen umzunutzen.

Damit macht man es sich zu einfach. Der Kanton soll sich überlegen, mit welchen Anreizen und Programmen er Private und Liegenschaftsbesitzer zu solchen Projekten motivieren kann.

Sie wehren sich gegen Verdichtung in der Stadt. Trägt nicht gerade die Haltung der Grünen gegen die Stadtrandentwicklungen zur Zersiedelung bei? Die Leute ziehen dann halt einfach aufs Land.

Unter Verdichtung verstehen wir etwas anderes, als einfach in die Fläche zu bauen. Das Pro-Komitee hat das bis heute nicht verstanden – oder nicht verstehen wollen. Es soll zuerst das bestehende Potenzial ausgenutzt werden – und freie Flächen sollen frei bleiben. Wir setzen diese Haltung konsequent um: So waren wir für den Claraturm, weil eine Verdichtung in diesem Gebiet Sinn macht. Eine Ausweitung auf nicht bebaute Flächen ist aus unserer Sicht eine falsche Prioritätensetzung. Wir finden es wichtig, dass die Bevölkerung darüber diskutieren und entscheiden kann, ob sie weitere Grün- und Freiflächen überbauen will oder den Fokus zuerst auf das innere Potenzial legen möchte. Die Diskussion, welche Verdichtung wir in der Stadt anstreben, muss geführt werden.

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