Voller Feuer und neuer Ideen fürs Baselbiet

Drei Frauen, ein Ziel: ein neues Baselbiet. Ein Gespräch mit den Partei­präsidentinnen Sabrina Mohn (CVP), Florence Brenzikofer (Grüne) und Christine ­Pezzetta (FDP) über verknöcherte Politik, männliche Streitkultur und politische Visionen.

Im Frühling sind es nur noch zwei: Die Parteipräsidentinnen Christine Frey (FDP), Florence Brenzikofer (Grüne) und die nun zurücktretende Sabrina Mohn (CVP) bei einem gemeinsamen Fotoshooting. (Bild: Basile Bornand)

Drei Frauen, ein Ziel: ein neues Baselbiet. Ein Gespräch mit den Partei­präsidentinnen Sabrina Mohn (CVP), Florence Brenzikofer (Grüne) und Christine ­Pezzetta (FDP) über verknöcherte Politik, männliche Streitkultur und politische Visionen.

Baselbieter Politik – das war lange Zeit eine reine Männersache, die mehr und mehr an Innova­tionskraft verlor. Mit den zunehmenden Finanzproblemen wurde die ganze Angelegenheit sogar richtig frustrierend. Umso auffälliger sind neue Erscheinungen wie jene von Florence Brenzikofer (Grüne), Sabrina Mohn (CVP) und Christine Pezzetta (FDP), die in der Politik Karriere machen und ihre Parteien leiten, ohne den Optimismus zu verlieren. Sie glauben an sich, an ein neues Baselbiet und an eine ganz neue Nordwestschweiz – trotz aller Widerstände.

Frau Mohn, nach Ihrer Wahl zur CVP-Präsidentin wurden Sie noch nicht so richtig ernst genommen, hatte man damals vor drei Jahren den Eindruck. Warum war das so?

Sabrina Mohn: Das war wohl die Kombination: jung, Frau und dann auch noch Lehrerin. Da kommt einiges zusammen, zumindest aus Sicht jener älteren Generation von Herren, die im Baselbiet lange das Sagen hatten.

Wann bekamen Sie den Eindruck, endlich ernst genommen zu werden?

CVP-Präsidentin Sabrina Mohn

CVP-Präsidentin Sabrina Mohn

Mohn: Im vergangenen Jahr rund um die kanto­nalen und eidgenössischen Wahlen, als wir mit der EVP, der BDP und den Grünliberalen die Mitte ­bildeten und damit eine neue starke Kraft in der ­Baselbieter Politik etablierten. Zuerst dachten die anderen: Ah, nett, da tut sich mal was in der Mitte. Irgendwann merkten sie, dass sich die Gewichte nachhaltig verschoben hatten. Allmählich lernten sie dann, mit der neuen Mitte und mit mir um­zugehen. Mit einer jungen Frau zu diskutieren, zu ­fighten auch, das war für einige eine ganz neue Erfahrung.

Bringen Frauen wie Sie drei tatsächlich eine neue Kultur in die Baselbieter Politik?

Christine Pezzetta: Na ja, ich weiss jetzt nicht, ob man die Entwicklung in der Baselbieter Politik an einzelnen Personen wie uns drei festmachen kann. Tatsache ist, dass sich die Kommunikation ganz ­generell verändert hat. Sie ist offener geworden, professioneller auch. Früher gab es in den Parteileitungen gewisse ältere Herren, die sagten, wie es läuft, und die anderen machten keinen Mucks. So etwas ist heute schlicht nicht mehr zeitgemäss. Darum wird heute auch in meiner Partei ganz offen diskutiert und manchmal hart um eine Position gerungen.

Ist diese Entwicklung eher eine Generationen- als eine Geschlechterfrage?

Florence Brenzikofer: Sie ist beides – und mehr noch eine Parteienfrage. Im Gegensatz zu den Bürgerlichen hatten wir Grünen schon immer viele Frauen – und auch schon immer eine gute Diskus­sionskultur. Was sich in der Baselbieter Politik aber tatsächlich geändert hat, ist die neue Mitte mit dir, Sabrina: Ihr habt diese Gesprächskultur auch ins Parlament gebracht. Seither läuft es nicht mehr ­immer nur auf diese Konfrontation zwischen links und rechts hinaus.

Das tönt jetzt alles sehr positiv. Haben Sie ­tatsächlich gar nie mehr den Eindruck, die ­Politik sei etwas verknöchert?

Mohn: Doch, natürlich. Aber das ist kein typisch baselbieterisches Phänomen, sondern ein schweizerisches. Wobei das in unserem Kanton schon auch mit der Männerdominanz zu tun hat. Sabine Pego­raro ist erst die zweite Frau in unserer Regierung. Eine Baselbieter Ständerätin gab es noch gar nie. Unglaublich! Wenn wir eine echte Volksvertretung haben möchten, müssten wir schon dafür sorgen, dass der Frauenanteil auch an den wirklich entscheidenden Stellen endlich steigt.

Pezzetta: Ich mag diese ständige Frauendiskussion eigentlich nicht. Aber es ist schon so: Wir Frauen ­politisieren anders. Die Männer konzentrieren sich ganz auf das einzelne Geschäft. Die Frauen denken viel stärker auch noch an die möglichen Auswirkungen. Insofern ergänzen sie sich bestens – zumindest im Idealfall. Darum würde ein etwas ausgeglicheneres Verhältnis auch dem Baselbiet guttun.

Frau Brenzikofer, Sie haben die gesamte ­Regierung inklusive Ihrem eigenen Vertreter Isaac Reber zum Rücktritt aufgefordert. War das nicht etwas gar emotional? Typisch weiblich eben?

Brenzikofer: Halt, halt. Ich habe gesagt, ich hätte Verständnis für die Juso und ihre Forderung nach einem Rücktritt des gesamten Regierungsrates. Und ich habe gesagt, dass Isaac Reber auch abtreten solle, falls alle anderen zurücktreten würden. Im Gegensatz zu anderen Parteien sind wir eben bereit, uns der Verantwortung zu stellen. Und wir sind auch dezidiert der Ansicht, dass es so nicht einfach weitergehen kann bis zu den nächsten Wahlen 2015. In ihrer jetzigen Zusammensetzung bekommt die Regierung die Finanzen einfach nicht in den Griff, wie sich vor wenigen Tagen mit dem Nachtragskredit von 70 Millionen Franken für unerwartete Ausgaben wieder einmal drastisch gezeigt hat. Konsequenzen wären dringend nötig, vor allem in der Gesundheitsdirektion, wo am schlechtesten kalkuliert wird.

Frau Mohn, damit wären Sie am Zug. Sind Sie bereit, Ihren Regierungsrat, Gesundheitsdirektor Peter Zwick, zurückzuziehen?

Mohn: Mit Rücktritten lassen sich doch keine ­Probleme lösen. Selbst wenn der gesamte Regierungsrat abtreten würde, ginge es dem Baselbiet noch immer nicht besser.

Brenzikofer: Das sehe ich anders. Meiner Ansicht nach fehlt uns im Baselbiet, in der Schweiz ganz generell, eine Rücktrittskultur. In unseren Nachbarländern übernehmen die Politiker die Verantwortung für ihre Fehler und räumen den Platz für neue Leute mit neuen Ideen und Lösungen. Um aus den Schwierigkeiten wieder herauszukommen, wird es Opfer brauchen. Ich bezweifle, dass die genau gleichen Leute, die uns das Debakel eingebrockt haben, diese Opfer glaubwürdig verlangen können.

In der Kritik steht neben Peter Zwick vor allem auch Finanzdirektor Adrian Ballmer (FDP). Soll er zurücktreten, Frau Pezzetta?

FDP-Präsidentin Christine Pezzetta

FDP-Präsidentin Christine Pezzetta

Pezzetta: Natürlich nicht. Das bringt doch nichts, ebensowenig wie die Forderung nach einem Rücktritt der gesamten Regierung. Was wirklich helfen würde, wäre ein Ruck, der nicht nur durch die ­Regierung, sondern auch durch das Parlament und das Volk ginge. Lösen können wir unsere Probleme nämlich nur gemeinsam.

Mohn: Davon sind wir aber leider weit entfernt. In der Politik, in den Medien, am Stammtisch – überall wird immer alles nur schlechtgeredet. ­So entsteht eine Negativspirale, die wir dringend stoppen müssen. Sonst hat bald niemand mehr Lust, ein politisches Amt zu übernehmen.

Wir werden aber dennoch kaum darum ­herumkommen, noch das eine oder andere Problem anzusprechen. Das erste wäre die ­Regierung, die nie irgendwelche Fehler ­einräumt und die Schuld immer nur den ­anderen gibt. Dem Bund zum Beispiel …

Pezzetta: Zu Recht auch. Der Bund wälzt tat­­säch­lich mehr und mehr Kosten auf die Kantone ab. Dann gibt es neben der Regierung auch noch den Landrat, der ebenfalls viele Ausgaben gutgeheissen hat, das Volk ebenso. Kurz: Die Schuldfrage ist eine schwierige.

Brenzikofer: Sie ist jedenfalls sehr viel einfacher, als Du sie darstellst. Die heutigen Probleme sind das Resultat der bürgerlich dominierten Baselbieter ­Politik der vergangenen 15 bis 20 Jahre. Es ist doch logisch, dass man irgendwann erhebliche finanzielle Probleme bekommt, wenn alle grossen Vorhaben sehr viel teurer werden als ursprünglich geplant: die Sanierung des Kantonsspitals Liestal, der Chienbergtunnel, die H2 …

Pezzetta: Jetzt machst du dir es aber gar einfach. Bei diesen Projekten wurde der Bau aus unterschiedlichen Gründen verzögert, dann kam die ­Teuerung mit ins Spiel – und schon kam es zu ­diesen Kostenschüben, die niemand wollte. Da steckt doch keine böse Absicht dahinter.

Brenzikofer: Absicht oder nicht – es wurde ganz offensichtlich falsch geplant und falsch investiert.

Und was ist denn nun von der Kommunikation des Regierungsrats zu halten?

Mohn: Ich wünschte mir ein starkes, selbstbewusstes Baselbiet. Die Kommunikation der Regierung kommt aber ganz anders rüber, sie gibt sich weder selbstbewusst noch stark. Es bräuchte mehr Feuer. Feuer für diesen Kanton.

Brenzikofer: Und mehr Kompetenz. Das fehlt diesem Kanton ebenso wie das Feuer.

In der Kritik steht auch der Landrat. Dort gebe es nur Politiker, die entweder gar nichts zu ­sagen hätten oder nur das Parteiprogramm ­herunterleiern würden, meint SVP-Landrat Hanspeter Weibel.

Mohn: Weibel ist selbst Landrat. Und: Hat er etwa auch nichts zu sagen? Solche Aussagen bringen uns auch nicht weiter. Gescheiter wäre es, man würde sich mal fragen, wer es sich vom Arbeitgeber her überhaupt noch leisten kann, Politik zu machen.

Pezzetta: Für die Wirtschaft hat ein politisches Amt leider schon längst nicht mehr den Stellenwert, den es einmal hatte. Ich werde häufig gefragt …

Mohn: … warum du dir das alles antust?

Pezzetta: Genau.

Und: Wie lautet Ihre Antwort?

Pezzetta: Weil ich etwas bewirken will. Darum würde ich jetzt eigentlich auch lieber über die ­Zukunft sprechen als über die angeblichen Ver­fehlungen aus der Vergangenheit.

Gerne. Erklären Sie uns doch bitte zuerst ­einmal, ob wir am 17. Juni bei den Sparvor­lagen nun Ja oder Nein stimmen sollen. Die Ausgangslage ist etwas verwirrlich: CVP und Grüne sagen Jein.

Mohn: Wir haben eine klare Haltung. Wir unterstützen das Entlastungsrahmengesetz, lehnen die Bezirksgerichtsreform aber ab, weil diese erst einmal mehrere Millionen Franken kostet, ehe sie ziemlich geringe Einsparungen bringt. Hinzu kommt, dass dieses Projekt die Zentralisierung im Kanton noch weiter verstärken würde.

Pezzetta: Jetzt machst du aber etwas gar viel ­Werbung für eure Parolen!

Mohn: Das ist ja nicht verboten. Schliesslich berührt die Gerichtsreform eine ganz wichtige Frage. Unser Kanton ist schon heute viel zu zentralistisch aufgebaut. Darum wäre es falsch, jetzt auch noch die Bezirke faktisch abzuschaffen.

Grünen-Präsidentin Florence Brenzikofer

Grünen-Präsidentin Florence Brenzikofer

Brenzikofer: Wir sind zwar auch gegen die Zentralisierung, können mit den geplanten Reformen im Bereich der Gerichte und der Zivilrechts­behörden aber leben. Wir Grünen lehnen dafür das Entlastungsrahmengesetz ab, weil wir die beiden im Bildungsbereich geplanten Sparmassnahmen für falsch halten.

Zuerst sind die Grünen und die Mitteparteien bei der Erarbeitung des Sparpaketes mit dabei, dann lehnen sie es zumindest in Teilen doch ab. Das kann Ihnen als Befürworterin nicht gefallen, Frau Pezzetta.

Pezzetta: Diese Parteien haben sich auf eine Posi­tion geeinigt, das ist ihr Recht, das respektiere ich.

Eine solche Aussage ist jetzt aber wirklich ein ganz neuer Stil in der Baselbieter Politik.

Pezzetta: Das kann schon sein. Aber das ist meine Haltung. Mich ärgert diese ständige Schuldzuweisung, dieses Schwarz-Weiss-Denken. Heutzutage ist alles so komplex, da ist es doch erfreulich, dass sich alle erst in aller Ruhe die unterschiedlichen Positionen anhören, ehe sie einen Entscheid fällen. Wichtig ist, dass dieser dann möglichst gemeinsam umgesetzt wird.

Mohn: Das sehe ich sehr ähnlich. Wir sind in einer schwierigen Phase. Diese Erfahrung macht vielen zu schaffen; sie kann aber auch neue Kräfte freisetzen. Wir haben die grosse Chance, gemeinsam über die Strukturen in unserem Kanton, unserer Region nachzudenken. Wenn es uns dabei gelingt, die vielen Gegensätzlichkeiten zu überwinden, können wir auf ganze neue Lösungen kommen. Grosse Lösungen vielleicht sogar. Dafür bräuchte es jetzt einfach ­etwas Kreativität. Und ein bisschen Mut.

Pezzetta: Kreativ sein, neue Lösungen suchen – das gefällt mir. Eines der wichtigsten Ziele ist es ­dabei, neue Einnahmen zu generieren. Nicht mit Steuererhöhungen, sondern dank neu erschlossener Wirtschaftsgebiete.

Brenzikofer: Auf dieses Manko weisen wir Grünen schon seit Langem hin: In der Investitionspolitik ging fast gar nichts in den vergangenen Jahren. Wir hätten sehr gute Wirtschaftsgebiete wie Salina Raurica oder den Birsfelder Hafen. Nur müssten diese endlich auch erschlossen werden.

Frau Mohn hat den Zentralismus vorhin als Nachteil dargestellt. Wie lässt sich dieses Problem lösen?

Mohn: Bevor die Gemeinden neue Aufgabgen ­übernehmen können, müssen sie erst einmal gestärkt werden. Sie brauchen eine bestimmte Grösse, die längst nicht alle Gemeinden haben. Darum wäre es wichtig, dass der Kanton auch bei uns finanzielle Anreize für Fusionen schafft.

Pezzetta: Eine neue Aufgabenverteilung zwischen Kanton und Gemeinden wäre wichtig. Fusionen sind meiner Ansicht nach aber nicht unbedingt die Voraussetzung dafür. Möglich wäre auch eine verstärkte Zusammenarbeit in den einzelnen Tälern, den funktionalen Räumen, wie es so schön heisst.

Brenzikofer: Kleine Gemeinden wie zum Beispiel Anwil und Oltingen können gar nicht mehr anders, als enger zusammenzuarbeiten. Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten, denn es braucht gestärkte Gemeinden. Allein schon wegen der neuen Anforderungen, die die Schulreform Harmos mit sich bringt. Kleine Gemeinden können sich ein sechstes ­Schuljahr mit zwei oder drei Schülern schlicht nicht leisten.

Pezzetta: Ich würde aber auch das positiv sehen. Solche Neuerungen bieten immer auch die Chance für Verbesserungen. Man kann zum Beispiel die ­Tagesstrukturen ausbauen, damit Familie und Beruf künftig nicht mehr so schwierig zu vereinbaren sind, wie es heute manchmal der Fall ist.

Brenzikofer: Na ja, in den kleinen Gemeinden sind wir froh, wenn wir nur schon die Schule im Dorf ­behalten können, Blockzeiten gibt es hier noch längst nicht überall.

Wer ist eigentlich die heimliche Macht im ­Kanton, solange die Gemeinden so schwach sind und Regierung und Parlament ebenfalls ihre Problem haben? Die kantonale Verwaltung vielleicht?

Mohn: Wenn ein Milizsystem an die Grenze stösst, besteht immer die Gefahr, dass die Verwaltung zu viel Macht hat. Auch bei uns ist es wahrscheinlich so, dass die Verwaltung mehr bestimmt als die ­Politikerinnen und Politiker.

Brenzikofer: In einzelnen Bereichen müsste die kantonalen Verwaltung tatsächlich verschlankt ­werden – aber nur in einzelnen, teilweise sind die Strukturen schon recht schlank.

Reden wir zum Schluss noch über ein emo­tional etwas aufgeladenes Thema: die Wiedervereinigung der beiden Basel.

Pezzatta: Oh, oh. Wenn ihr jetzt tatsächlich auch noch darüber sprechen wollt, gehe ich lieber – ­wegen eines dringenden Termins (lacht).

Bleiben Sie doch noch ein wenig bei uns. Für einmal können Sie ja auch nur zuhören.

Pezzetta: Gut, so mache ich es. In dieser Frage habe ich mir nämlich selber einen Maulkorb verpasst. Wir müssen uns zuerst einmal parteiintern auf eine Haltung einigen.

Dafür könnten Sie, Frau Mohn, vielleicht einmal Ihre Haltung zur Wiedervereinigungs-­Initiative der Grünen darlegen. Sie sind ­irgendwie dafür – irgendwie aber auch nicht.

Mohn: So würde ich das nicht ausdrücken. Ich bin grundsätzlich dafür, dass die politischen Gebiete auch die Lebenswirklichkeiten abbilden. Und diesen käme ein wiedervereinigter Kanton Basel schon sehr viel näher als die beiden heutigen Halbkantone. Noch besser wäre es aber, gleich das gesamte U-Abo-Gebiet zusammenzufassen, in dem sich viele Menschen tagtäglich hin und her bewegen. Ein Kanton Nordwestschweiz.

Brenzikofer: Das ist auch unser erklärtes Ziel, das sich rechtlich aber noch weniger einfach erreichen lässt. Darum gehen wir Schritt für Schritt vor – und der erste ist die Wiedervereinigung der beiden Basel.

Ist diese Fusion tatsächlich realistisch? Bis jetzt wurden entsprechende Initiativen ­immer abgelehnt.

Brenzikofer: Im täglichen Leben löst sich die Grenze immer mehr auf. Das stärkste Argument ­gegen die Wiedervereinigung war früher ja ohnehin auch die gute Schule Baselland, die wir immer hatten …

Gibt es die denn heute nicht mehr?

Mohn: (Lacht laut.)

Brenzikofer: Als Lehrerin sage ich es mal so: ­Baselland hat eine gute Schule, aber Basel macht mit der Harmonisierung extrem vorwärts. Von einem Qualitätsunterschied kann schon bald niemand mehr reden.

Mohn: Ich finde es jedenfalls toll, dass diese Diskussion um mögliche Gebietsreformen aufkommt.

Pezzetta: Was schaut ihr jetzt alle mich so an?

Sie haben gerade genickt.

Pezzetta: Also gut, dann sage ich es jetzt: Ich bin froh, dass die Fragen nun im Raum stehen, dass man darüber diskutieren muss. Dabei muss man sich aber schon sehr genau fragen, was eine Strukturreform bringt. Am Schluss wird es ja sowieso wieder nur ums Geld gehen, um die Frage, wer was zahlt.

Mohn: Darum braucht es sehr genaue Vorabklärungen.

Pezzetta: Richtig: Ich erwarte nicht nur eine ­Studie, sondern zwei Studien.

Mohn: Zumindest eine Studie wurde auf unseren Vorschlag hin vom Landrat ja auch verlangt …

Pezzetta: Und jetzt? Wo bleiben die Resultate?

Das müssten Sie wohl Ihren Regierungsrat ­fragen, Finanzdirektor Adrian Ballmer.

Mohn: Stimmt, auch wenn ich das jetzt der Höflichkeit halber nicht unbedingt so deutlich sagen wollte. Die geforderte Simulation eines gemeinsamen Kantons Basel wäre jedenfalls sehr wichtig, selbst wenn die Wiedervereinigung an der Urne ­abgelehnt würde. Für diesen Fall könnte die Studie aufzeigen, in welchen Bereichen eine enge Zusammenarbeit auch ohne Kantonsfusion sinnvoll wäre. Wenn wir zum Beispiel schon einen gemeinsamen Bildungsraum haben, könnten wir nun ja auch schon einmal die Bildungsbehörden zusammenlegen.

Pezzetta: Und warum machen wir aus den beiden Basel nicht einfach zwei Vollkantone?

Mohn: Weil uns das ausser zwei zusätzlichen ­Ständeräten aus der Region gar nichts bringt.

Haben Sie denn tatsächlich das Gefühl, dass sich in den nächsten 20, 30 Jahren in der Region sehr viel verändern wird? Gibt es bald mehr Frauen in der Politik, weniger ­Gemeinden, nur noch einen gemeinsamen Kanton Basel?

Mohn: Mehr Frauen – unbedingt. Und die Gemeinden sollen ebenfalls wieder stärker sein – in welcher Form, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass sie wieder mehr Autonomie erhalten und die Arbeit auch in den Gemeinden wieder ­attraktiver wird.

Brenzikofer: Bei den heutigen Voraussetzungen kommt die Zusammenarbeit in der Region ständig an ihre Grenzen, wir haben heute schon über 100 Partnerschaftsverträge. Darum müssen wir jetzt den nächsten Schritt machen. Und darum ­glaube ich daran, dass wir bis in 30 Jahren in einem wiedervereinigten Kanton Basel leben.

Mohn: Oder vielleicht schon in einem Kanton Nordwestschweiz?
Pezzetta: Das Ziel ist für mich offen, der Weg aber klar: Auf allen Ebenen wird er über eine ­bessere Zusammenarbeit führen, unter den Gemeinden, zwischen Stadt und Land.

Tönt alles sehr optimistisch.

Mohn: Selbstverständlich sind wir das. Sonst ­könnten wir ja gleich aufhören.

Die neue Baselbieter Frauenpower

CVP-Präsidentin Sabrina Mohn (27) ist die jüngste und gleichzeitig dienstälteste Baselbieter Parteipräsidentin. Die Sekundarlehrerin ist vor drei Jahren an die Spitze ihrer Partei gewählt worden. Berufskollegin Florence Brenzikofer (37) hat in diesem Jahr die Leitung der Grünen Partei übernommen – genau gleich wie Kauffrau Christine Pezzetta (45) bei der FDP. Die Aescherin Mohn politisiert im Landrat, die Oltingerin Brenzikofer war von 2003 bis 2005 im Parlament, ehe sie das Mandat wegen eines zweijährigen Aufenthalts in Bolivien abgab. Christine Pezzetta ist in Münchenstein neu in den Gemeinderat gewählt worden.

Neben Mohn gibt es seit Kurzem zudem noch eine zweite Frau an der Spitze einer Baselbieter Mitte-Partei: die Reinacher Landrätin Marie-Therese Müller (53), die in diesem Frühjahr nach parteiinternen Zwistigkeiten das Präsidium der BDP übernommen hat. Zuvor hatte sie während mehrerer Jahre im Reinacher ­Einwohnerrat politisiert. Dort hat sie nach eigenen Aussagen die Erfahrung gemacht, dass der Kanton den Gemeinden sehr vieles vorgibt, ihnen die für die Umsetzung nötigen finanziellen Mittel aber nicht zur Verfügung stellt. Darum vertritt Müller die genau gleiche Überzeugung wie Mohn: Der Kanton Baselland ist heute viel zu zentralistisch; die Gemeinden müssten gestärkt werden. Wobei ihrer Meinung nach dafür vor allem im oberen Kantonsteil Fusionen nötig wären, weil die Dörfer dort zu klein seien, um ­alleine zu funktionieren. «Noch ist es so, dass die grossen Gemeinden wie Reinach sehr viel Geld in den Finanzausgleich zahlen, mit dem die überkommenen Strukturen noch irgendwie aufrecht-erhalten werden», sagt Marie-Therese Müller: «Das ist unbefriedigend.»

Darüber wird am 17. Juni abgestimmt

Sparen: In der Baselbieter Politik ist es das ­dominierende Thema schlechthin. Entsprechend viel wird darüber debattiert. Häufig geht es dabei schon sehr bald nur noch um die eher grundsätzlichen Fragen: Wie konnte es so weit kommen? Wer hat versagt? Dabei verknüpfen einige den Abstimmungstermin vom 17. Juni bereits mit der Vertrauensfrage: Wollen wir diese Regierung noch – ­oder lieber eine neue?

In der ganzen Aufregung kann schon mal vergessen gehen, worüber eigentlich abgestimmt wird. Darum hier ein kurzer Überblick über die Vorlagen vom 17. Juni. Und das gesamte Sparpaket, das insgesamt 185 Massnahmen beinhaltet, mit denen Regierung und Parlament 180 Millionen Franken sparen wollen. Die meisten Sparvorgaben sind bereits beschlossen. Das Volk kann am 17. Juni noch über jene paar Massnahmen befinden, die Gesetzes- oder Verfassungsänderungen zur Folge haben; ­das entsprechende Sparvolumen liegt bei rund 30 Millionen Franken.

Konkret geht es einerseits um sieben Massnahmen, die im Entlastungsrahmengesetz zusammengefasst sind. Und andererseits um die Zusammenlegung der Bezirksgerichte sowie Behörden im Zivilrecht und den Verzicht auf Amtsnotariate. Gegen diese Ämterreform wehren sich die Mitteparteien und einige Gemeindevertreter – vor allem jene im Laufental, dem jüngsten Baselbieter Bezirk. Sie sind nicht bereit zu akzeptieren, dass die Bezirke mit der Reform faktisch wegfallen und das Baselbiet damit noch zentralistischer wird. Zudem befürchten sie, dass die Ämter nach einer Zusammenlegung zu wenig bürgernah wären. Im Rahmengesetz werden vor allem die beiden Vorschläge aus dem Bildungsbereich heiss diskutiert: Erstens die Abschaffung der Berufsvorbereitungsschule 2 (BVS 2) in ihrer jetzigen Form; neu soll sie nur noch als einjähriger Kurs angeboten werden – zusammen mit dem bereits bestehenden Brückenangebot SBA plus. Zweitens die Beiträge von 2500 Franken für Schüler, die eine Privatschule auf Stufe Kindergarten oder Primar besuchen; statt des Kantons sollen dafür künftig die Gemeinden zahlen.

Weitere unangenehme Folgen würden mit den Sparmassnahmen auf die Senioren in den ­Alters- und Pflegeheimen zukommen. Für die Lebenskosten sollen sie mit ihrem Vermögen bis zu einer deutlich höheren Limite aufkommen als bisher. Und auch kranke Menschen kämen unter dem neuen Sparregime schlechter weg, weil auf den steuerlichen Abzug von Krankheitskosten ein Selbstbehalt eingeführt werden soll. Auch dagegen regt sich zunehmend Widerstand.

So umstritten die Vorlagen sind, zumindest ­etwas steht jetzt schon fest: Die Spardebatte wird auch nach dem 17. Juni weitergehen. Denn zu einem späteren Zeitpunkt wird an der Urne auch noch über eine Reihe von weiteren Sparmassnahmen im Bildungsbereich entschieden, welche die Gegner mit Initiativen verhindern beziehungsweise rückgängig ­machen wollen.

 

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 01.06.12

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