«Warum eine Komödie? Weil das zu mir passt!»

Der Basler Giacun Caduff (35) bringt die Teenie-Komödie «20 Regeln für Sylvie» in die Kinos. Wie er trotz Super-Low-Budget das Maximum herausholte, mit Carlos Leal sogar einen Schweizer Filmstar gewann und sich nicht von Rückschlägen entmutigen liess, erklärt er im Interview.

Filmemacher Giacun Caduff wird in die Oscar-Academy augfenommen.

Der Basler Giacun Caduff (35) bringt die schlüpfrige Teenie-Komödie «20 Regeln für Sylvie» in die Kinos. Wie er trotz Super-Low-Budget das Maximum herausholte, mit Carlos Leal sogar einen Schweizer Filmstar gewann und sich nicht von Rückschlägen entmutigen liess, erklärt er im Interview.

Kein Alkohol. Kein Sex. Kein Spass. Sylvie zieht es von den welschen Bergen in die Unistadt Basel, wo sie ihr Studium beginnnen wird. Doch ihr besorgter, alleinerziehender Vater lässt die Tochter nicht ohne 20 Gebote von dannen ziehen. Keine Drogen. Keine Telefonate nach Mitternacht.

Das ist die Ausgangslage von Giacun Caduffs Film «20 Regeln für Sylvie». Carlos Leal spielt den kontrollsüchtigen Vater, der Sylvie (Viola von Scarpatetti) heimlich folgt – und bei der Observierung der Tochter selber mit Lastern konfrontiert wird.

An der Teeniekomödie war Caduff seit Jahren dran. Immer wieder ging ihm fast das Geld aus, er sammelte unter anderem mit einem Sponsorenlauf am Engadiner Skimarathon. Und bringt den Film jetzt endlich in die Kinos. 

Giacun Caduff, erst gerade haben Sie das Basler Gässli Film Festival über die Bühne gebracht. Zufrieden?

Ja, sehr. Es war aufwendig, einen Hollywood-Regisseur zu betreuen. Aber es hat sich gelohnt, Terry Zwigoff fühlte sich wohl, war sehr happy und sagte gar, dass das hier das sympathischste Festival war, welches er je besucht hat.

Oh, sehr charmant! Und jetzt wird das Gässli Fest nur noch Hollywood-Regisseure aufbieten und stetig wachsen?

Nein, das ist gar nicht unser Ziel. Ich finde es perfekt, so wie es ist: Lieber 100 Sitzplätze besetzt als deutlich mehr, aber nicht ausverkauft… Für das Gässli spricht eben auch die Nähe zu den prominenten Gästen, seien es Schauspieler wie Gilles Tschudi oder Regisseure wie Xavier Koller und Terry Zwigoff, mit denen man im Gässli unkompliziert in Kontakt kommen kann.

Was dank Ihrer Connections gelungen ist.

Ja, aber dass ein Regisseur wie Zwigoff zusagen würde, damit hatte ich selber nicht gerechnet. Ich hatte ihn vor zehn Jahren kennengelernt, als ich an einem seiner Filme mitarbeiten durfte. Dass er sich noch an mich erinnern würde, davon traute ich mich gar nicht auszugehen…

«Man nennt mich hier Mister Duracell, weil ich ständig in Bewegung bin.»

Umtriebig wie Sie sind: Haben Sie eine Trademark erhalten in Hollywood, waren Sie der Speedy Swiss Guy?

Nein, aber man gab mir einen Übernamen: Super G. Weil ich überall war und nirgends. In den USA war ich immer Super G. Und in der Schweiz nennt man mich oft Mister Duracell.

Mister Duracell?

Ja, weil ich ständig in Bewegung bin – und weil ich keine Ruhe gebe. (lacht) Ich müsste vermutlich zuerst zwei Wochen an den Strand liegen, um so entspannt zu werden, dass ich zwei Wochen Strandferien machen könnte.

Ist es diese Beharrlichkeit, diese Energie, die man braucht, um ein kleines Festival auf die Beine zu stellen oder auch selber Filme zu machen?

Vermutlich, ja. Ich bin ein absoluter Mikromanager. Ich habe in den letzten Jahren versucht, davon wegzukommen, und habe beim Gässli Film Festival mehr Aufgaben abgegeben. Aber das gelingt mir offen gesagt nur zum Teil.

Und statt durchzuschnaufen, reisen Sie jetzt durch die Schweiz, um Ihren neuen Spielfilm «20 Regeln für Sylvie» zu promoten.

Ja. Dass das so nahtlos passiert, stört mich nicht. Ich habe gerne, wenn etwas geht. Und unser Film ist dermassen Low Budget, dass wir gar nicht das Geld dazu hätten, eine monatelange Werbekampagne zu fahren. Also ist es gut, jetzt zwei Wochen lang Vollgas zu geben.

Zwei Wochen Vollgas für ein Projekt, das aber schon sehr lange in der Pipeline war, oder?

Absolut. 2007 studierte ich in Los Angeles Filmproduktion. Eine US-Kollegin war angehende Drehbuchautorin und musste für ihr Masterstudium eine gewisse Anzahl Storys abliefern. Gemeinsam entwickelten wir eine Idee rund um «18 rules», um ein Mädchen, das 18 wird und 18 Regeln befolgen muss.

Daraus entstand die Idee für eine Hollywood-Komödie?

(lacht) Kann man so sagen, ja. Meine Kollegin Megan Woodward hat mir das Drehbuch geschickt, die Geschichte war in Kalifornien angesiedelt. Die Filmidee konnten wir bei keinem grossen Studio platzieren, ich war aber von der Geschichte geflasht und nahm die Idee mit in die Schweiz.

Wo Sie ihn schliesslich auch drehten.

Ja, genau. Der Erfolg von «Hangover» hierzulande gab mir Hoffnung, dass die Schweizer nicht mehr so snobby sind gegenüber Komödien im amerikanischen Stil. Bei «American Pie» rümpften doch noch alle die Nase, bei «Hangover» konnte man zugeben, dass man ihn lustig fand. Das bestärkte mich.

Ich fand: Fuck it, warum nicht das Drehbuch adaptieren im Mikrokosmos Schweiz. Im Jungen Theater suchte ich nach Talenten, und an einem Empfang im Schweizer Konsulat von Los Angeles lernte ich Carlos Leal kennen. Ich brauchte einen Schlüsselschauspieler, einen Namen der zog. Und siehe da, er war gleich interessiert.

War Hauptdarsteller Carlos Leal, der aus Lausanne stammt, der Grund für die Zweisprachigkeit? Oder liebäugelten Sie mit Französisch, weil Sie so an mehr Fördertöpfe herankommen konnten?

Das war sicher ein Nebengedanke, aber im Vordergrund stand die Idee, dass die Protagonistin innerhalb der Schweiz in eine neue Welt eintaucht. Also sollte sie aus einer anderen Sprachregion kommen und in Basel zur Uni gehen. Ich habe das Drehbuch auch mal Marco Rima geschickt und gedacht, dass man Massimo Rocchi fragen könnte – der Kontrast italienisch-deutsch wäre für mich ebenfalls denkbar gewesen. Aber ich erhielt keine Reaktion. Am Ende war es wohl besser, nicht einen Komiker zu verpflichten, sondern einen Filmschauspieler wie Carlos.

War es schwer respektive teuer, Leal von diesem Projekt zu überzeugen?

Nein, denn er kam uns sehr entgegen. Als ich mich zwecks Finanzierung des Films entschied, einen Sponsoren-Lauf zu machen und so am Engadiner Marathon Geld zu sammeln, da gehörte er selber zu den grosszügigsten Sponsoren! Er ist nicht nur ein toller Schauspieler, sondern auch ein herzensguter Mensch.

«Carlos Leal ist nicht nur ein toller Schauspieler, sondern auch ein herzensguter Mensch.»

Sehr cool.

Ja, wirklich. Es ist auch für ihn eine Herzensangelegenheit, so wie für alle Beteiligten. Der Film ist eine Ultra-Low-Budget-Produktion, was die Gelder angeht. Das Budget ist unschätzbar, über eine Million. Aber Cash geflossen ist viel weniger, der Bund hat uns die Unterstützung aus dem grossen Topf verweigert – es gab am Ende etwas an die Postproduktion –, und Kantone wie Basel und Solothurn sprachen Beträge, alle in fünfstelliger Höhe. Dennoch wollten wir das bestmögliche Bild, den besten Sound haben. Also haben wir einfach gearbeitet und gearbeitet, nicht ganz gratis, auch wenn es lange danach aussah.

Warum?

Weil wir bei der Finanzierung immer wieder Rückschläge erlitten haben.

Können Sie uns ein Beispiel nennen, welche Probleme man lösen muss bei der Realisierung eines Schweizer Films?

Klar. Wir hatten zum Beispiel vom Kanton Solothurn grünes Licht bekommen, dass man uns unterstützen würde. Die Kommission dort hatte unser Budget geprüft, 1,3 Millionen hatten wir veranschlagt, in der Hoffnung, dass uns das Bundesamt für Kultur auch cofinanzieren würde. Als die Absage aus Bern kam, war klar, dass wir das Geld nicht zusammenkriegen würden. Als wir das den Solothurnern mitteilten, sorgte dies bei diesen zu einer neuen Evaluation. Vier Tage vor Drehschluss erfuhren wir, dass der Regierungsratsbeschluss rückgängig gemacht worden war und wir das Geld nicht erhielten. Weil wir mit einem neuen, tieferen Budget kalkulieren mussten.

«Vier Tage vor Drehschluss erfuhren wir, dass der Solothurner Regierungsratsentscheid rückgängig gemacht worden war und wir das Geld nicht erhielten.»

Scheisse.

Ja, ich war auf dem Set und erfuhr, dass ein paar Zehntausend Franken wegfielen.

Wie haben Sie da Ihrer Crew gegenüber reagiert?

Ich wollte keine Panik verbreiten.

Heisst das, Sie haben in den USA auch gelernt, wie man ein Pokerface macht?

Vielleicht, ja. Auf jeden Fall teile ich mit den Amerikanern die Eigenschaft, nicht so rasch aufzugeben, nicht zu verzweifeln. Es bringt ja nichts. Stattdessen habe ich nach diesem Rückschlag gleich das Schweizer Fernsehen angeschrieben, sagte den Leuten da, dass wir abgedreht hätten und ihnen gerne das Resultat zeigen würden. Die waren interessiert, trotz ursprünglicher Absage, und halfen uns aus. Zugleich konnte ich die Finanzierungslücke überbrücken mit Darlehen.

Es braucht mehr als nur grossen Willen.

Schon, ja. Mein Lieblingszitat stammt von einem befreundeten Regisseur, der mir nach einer Absage des Festivals in Venedig mal schrieb: «At least there’s no hope». Galgenhumor hilft.

Ihnen auch?

Ja, klar. Das Gute als Indie-Filmschaffender ist, dass man gar keine grosse Zeit hat, Geld auszugeben. Also schlägt man sich mit wenig durch.

«Das Gute als Indie-Filmschaffender ist, dass man gar keine grosse Zeit hat, Geld auszugeben. Also schlägt man sich mit wenig durch.»

In Ihrem Film heisst es: Man gehe von zu Hause weg, um Regeln zu brechen. Traf das eigentlich auch auf Sie zu, als Sie mit Anfang 20 nach Amerika reisten?

Ich wuchs schon auch in einem Haus auf, wo strenge Regeln herrschten. Mein Vater erlaubte mir nicht, an FCB-Spiele zu gehen. Unsere ersten Familienferien mussten wir im Anzug antreten. Zu Hause wurde Ländlermusik gespielt. Ich hatte also Gründe, die Freiheit zu suchen. Es war auch befreiend, ich flog in ein anderes Land, liess die Familie hinter mir, wusste, dass ich mich neu erfinden kann. Was mich aber wirklich in die USA lockte, war die Filmschule – und eine Frau.

Das heisst, Sie können sich ein bisschen mit dem Drehbuch zu Ihrem Film identifizieren?

Ja, klar. Das ist ja auch auf Leute um die 20 zugeschnitten. Eine Altersgruppe, die noch gerne ins Kino geht, sich amüsieren will. Das war auch unser ausgesprochenes Ziel.

Warum ist Ihr grösstes Filmprojekt eine Komödie geworden?

Weil es zu mir passt, besser als ein Drama. Denn im Moment hätte ich gar nicht die Zeit, eine tiefgründige, genügend wichtige Geschichte zu entwickeln.

Das ist entwaffnend ehrlich. Andere probieren das Drama, sind aber zu wenig tiefgründig. Sie rücken die Lust an der Leichtigkeit in den Vordergrund.

Ja, lustig, schräg, leicht improvisiert, das entspricht der Tatsache, damit hoffe ich, dieses Genre zu knacken und weiterzukommen.

Was ein bisschen irritiert: Als Regisseur wird Jacques à Bâle genannt. Warum das Pseudonym? Wollen Sie sich von der Arbeit distanzieren?

Nein, nein. Das ist ein Übername, den ich in der Bezirksschule bekommen habe und den ich einfach cool finde. Sogar meine Autonummer in den USA trägt die Inschrift A Bale. Wenn ich mich bei einem Projekt verstecken wollte, dann würde ich mich Alan Smithee nennen, wie ganz viele Leute in Hollywood. Geben Sie mal auf IMDB diesen Namen ein – Sie werden staunen, wie oft er auftaucht. Alan Smithee, so bezeichnen sich auch Stars wie Al Pacino, wenn sie bei einem Projekt nicht identifiziert werden möchten.

Man kennt viele Leute im Film aus der Basler Szene: Elia Rediger, Bettina Dieterle, Skelt!, Joel van Mutzenbecher… Steht der Cast für eine Family Affair?

Nein, könnte man denken, trifft aber nicht zu. Meine Tante, Rinalda Caduff, bildet die Ausnahme. Ansonsten habe ich fast alle Leute nicht persönlich gekannt, sondern durch Empfehlungen und Castings kennengelernt.

_
«20 Regeln für Sylvie» läuft ab 18.9. im Pathé Küchlin, Basel.

Nächster Artikel