Was stört Sie am Emblem von «Negro Rhygass», Naim Mbundu?

Naim Mbundu hat sich als einer der Ersten auf Instagram zur «Negro-Rhygass»-Debatte geäussert. Ein Gespräch über die Wirkung des N-Worts, Narrenfreiheit und selektive Toleranz.

Naim Mbundu (20) ist vielen unter dem Namen Zøla als Musiker ein Begriff. Er betont aber, dass er dieses Interview nicht als Künstler, sondern als Bürger dieser Stadt gibt.

Naim Mbundu, die ganze Stadt spricht über Rassismus. Wie haben Sie die Debatte erlebt?

Ich war überrascht, wie viel negative Energie dieses Thema freisetzt, überall waren Beleidigungen und Hass zu lesen. Ein Sprechen über Rassismus habe ich ehrlich gesagt nicht erkennen können. Ich fände es schön, wenn wir die Debatte wegführen könnten von der Frage, ob es an der Fasnacht angebracht ist, Witze über Schwarze zu machen. Ich würde lieber über den Rassismus als solchen reden. Darüber, wie das bei den Leuten ankommt, die davon betroffen sind.

Sie haben sich in den vergangenen Tagen mehrfach auf Instagram zu Wort gemeldet. Sie haben aber gezögert, uns dieses Interview zu geben. Warum?

Wie Sie gesagt haben: Die ganze Stadt spricht bereits über das Thema und ich war unsicher, ob ich jetzt auch noch was dazu sagen muss. Meine Freunde – ich habe einen kulturell sehr diversen Freundeskreis – haben mich aber bestärkt und gesagt, es sei doch wichtig, dass wir, also Leute, die bislang nicht zu Wort gekommen sind, unsere Meinung beitragen können.

Bis auf zwei Wortmeldungen bei «Telebasel» von Terence Regard und Michel Wiederkehr sind in den Medien ausschliesslich Weisse zu Wort gekommen. Ist es relevant, wer etwas dazu sagt, oder geht es um die Sache?

Naja, wenn jetzt der Obmann der Gugge und das Comité und ein Historiker etwas sagen dürfen, dann ist das noch keine Debatte über Rassismus, dafür braucht es verschiedene Perspektiven. Der Beitrag auf «Telebasel» hilft da auch nicht weiter. Zu Wort kommen der Schwarze, der das Emblem unnötig findet, und der Schwarze, der damit kein Problem hat. Dann kann man sich bequem auf eine Seite stellen und zu den Kollegen sagen, schau mal, der eine Schwarze hat auch kein Problem mit dem Emblem, dann kann das nicht rassistisch sein.

Doch das reicht Ihnen nicht.

Nein, denn wir haben noch nicht darüber gesprochen, was dieser Name und das Emblem – dieser «Neger» mit dem Knochen im Haar – mit uns allen machen, welche Signalkraft in so einem Banner steckt, was das auslöst.

«Etwas von dieser Abbildung auf dem Guggen-Emblem bleibt an schwarzen Menschen kleben und das geht einfach nicht.»

Was löst das denn bei Ihnen aus?

Mich hat es erst einmal einfach gestört, dass ein Verein ein Fest unter einem Banner abhält, das ganz klar an die Kolonialzeit erinnert. «Negro» heisst hier nicht einfach schwarz auf Spanisch, wie es auf Facebook verharmlosend heisst, die Karikatur zeigt das deutlich genug. Historisch gesehen liegt die Zeit, in der Teile Afrikas kolonialisiert waren, nur gerade 60, vielleicht 70 Jahre zurück und die schwarze Community ringt seither darum, eine eigene, eine selbstbewusste Identität zu finden. Genau diese Abbildungen werfen uns zurück in diese Zeit.

Das betrifft Sie auch persönlich?

Es macht es mir persönlich schwer, eine selbstbewusste Identität mit afrikanischen Wurzeln zu entwickeln. Dabei habe ich es vergleichsweise leicht, ich kann mich von dieser Abbildung distanzieren, weil ich ein Mischling bin. Aber ich habe Freunde, die wirklich schwarz sind. Du kannst nicht Menschen anschauen, die schwarz sind, und dann dieses Emblem anschauen und dabei nicht automatisch eine Verbindung herstellen. Etwas von dieser Abbildung wird an den Menschen kleben bleiben und das geht einfach nicht klar.

Ein oft verbreitetes Argument lautet in diesen Tagen, die Abbildung richte sich nicht gegen Sie persönlich, Naim Mbundu und auch gegen keinen Ihrer Freunde. Bitte abstrahieren Sie das, heisst es weiter, sonst muss die Fasnacht wegen der Political Correctness bald auf die «alte Dame» und den Waggis und all diese uralten Figuren verzichten.

Man ist als Schwarzer nun mal untrennbar mit seiner Hautfarbe verbunden. Das merkt man etwa daran, dass man einmal die Woche von der Polizei auf der Strasse nach dem Ausweis gefragt wird. Ob man die Elsässer, mit denen man seit jeher in Nachbarschaft lebt, karikiert, oder mich und andere Schwarze aus einer wirklich dunklen Epoche von Europa und Afrika als Witzfiguren zitiert, ist etwas anderes. Unser Kampf um Wahrnehmung lässt sich einfach nicht mit dem eines Elsässers vergleichen, darum denke ich auch, man sollte die ganze Debatte nicht so sehr an der Fasnacht aufhängen.

«Es scheint, als wäre die Toleranz endlich. Wenn Schwarze Forderungen stellen, heisst es schnell, man sei undankbar.»

Viele betonen jetzt, Basel sei traditionell eine linke und weltoffene Stadt. Aber irgendwann müsse auch mal gut sein mit den Ansprüchen aus der Multikulti-Ecke. Entlarvt sich dieser Tage eine Art selektive Toleranz?

Ich kann das aus meiner Perspektive als Musiker ein wenig bestätigen. Ich habe Erfolg als Zøla, spiele an lokalen Festivals und in der ganzen Schweiz. Das ist super und ich geniesse viel Support. Aber ein bisschen wirkt das schon so, als wäre die Toleranz endlich. Als wären wir so lange cool, wie man am Hill Chill eine tolle Show liefert. Wenn politische Forderungen aufs Parkett kommen, heisst es umgekehrt bald mal, man sei undankbar.

Sie haben von der Suche nach einer Identität als Schwarzer in der Schweiz gesprochen. Viele Menschen sehen das Problem offenbar nicht. Können Sie das noch mal erläutern?

Es gibt einfach immer wieder Situationen, in denen ist man «der Andere». Als Kind checkt man nicht, woher das kommt oder warum das so ist. Mir wird das auch erst seit einigen Jahren bewusst. Erst kürzlich hatte ich wieder ein Gespräch mit einer Frau im Tram, sie hat mich auf meine Haare angesprochen, classic. Also haben wir ein bisschen gequatscht und sie hat das ganze Gespräch zwischen Hochdeutsch und Mundart gewechselt, auch wenn ich die ganze Zeit perfekt Baseldeutsch mit ihr geredet habe.

«Ich muss mich dauernd damit auseinandersetzen, dass ich anders aussehe.»

Auch das ein Klassiker.

Klar, man soll das nicht zu hoch hängen, aber das passiert die ganze Zeit. Nicht auf einer aggressiven, verachtenden Ebene, aber ich muss mich dauernd damit auseinandersetzen. Und wenn man dann am Wochenende an so einem Plakat mit Negerfigur mit Knochen im Haar vorbeiläuft, dann kann es vorkommen, dass man für einmal selber derjenige ist, der reagiert.

Wie haben Sie reagiert?

Ich habe der Gugge, die ich vorher nicht gekannt habe, auf Facebook eine Nachricht geschrieben. Der Tonfall war wohl zwischen verärgert und freundlich, würde ich rückblickend sagen. Ich habe erklärt, dass ich als Halbschwarzer, der in Basel aufgewachsen ist, sehr irritiert sei. Ich habe gefragt, warum sie diesen Namen für richtig halten und ob sie den nicht vielleicht ändern könnten.

Was ist dann passiert?

Die Nachricht wurde ziemlich bald mal gelesen, man sieht das ja auf der Messenger App. Es kam keine Reaktion, nichts. Dann haben wir ein E-Mail geschrieben, auch darauf kam keine Antwort. Schliesslich wurde ich ziemlich wütend und ich habe das Bild auf Instagram geteilt. Ich habe Leute dazu animiert, das Bild weiter zu teilen. Innerhalb einer Nacht hat das Bild sehr viele Leute erreicht.

«Ich habe in letzter Zeit oft von ‹Narrenfreiheit› gelesen. Aber es sind halt immer dieselben Narren, die die Witze machen.»

Obmann Niggi Schmieder hat im Namen der Gugge mehrfach darauf hingewiesen, dass Name und Emblem sehr alt seien und nachweislich keinen rassistischen Hintergrund haben. Warum ist das Thema damit nicht vom Tisch?

Ich finde, dass der Name und das Emblem sehr alt sind, das erklärt noch nichts, oder? Ich würde gerne noch einmal nachfragen, warum es ihnen so wichtig ist, daran festzuhalten. Warum muss es dieser Schwarze sein, was wollt ihr damit ausdrücken? Fasnächtler wollen doch, dass die Fasnacht kulturell etwas in den Leuten bewegt, es soll ein Fest sein. Aber dann soll man doch auch erklären können, was man bewegen will? Wenn zum Beispiel ein 60-jähriger Schweizer, der mich nicht kennt, meine Musik hört, dann wirft das sicher auch Fragen auf. Vielleicht denkt er, ich verderbe die Jugend. Ich wäre jederzeit bereit zu erklären, warum ich diese Texte schreibe, warum es da um Drogen und Partys geht. Ich glaube halt, dass es keine gute Erklärung gibt und sich darum auch niemand von der Gugge dazu äussert.

Der Aufschrei war auch darum so gross, weil er auf die Narrenfreiheit der Basler Fasnacht und damit auf eine Hauptschlagader der Basler Gesellschaft abzielt. Welche persönliche Beziehung haben Sie zur Fasnacht?

Ich war früher immer an der Fasnacht, als Tiger, als Clown, als Waggis. Ich war da und habe mit meinen Freunden Leute gestopft, wie man das halt macht. Das gehört zur Basler Kultur, ich bin hier aufgewachsen, ich bin davon geprägt. Je älter ich werde, desto weniger hat mich das zuletzt interessiert. Auch weil ich gemerkt habe, dass es manchmal doch nicht so wahnsinnig offen ist mir gegenüber und ich nicht in jedem Cliquenkeller willkommen bin. Ich habe dieses Wort zuletzt oft gelesen, «Narrenfreiheit». Aber am Schluss sind es halt immer dieselben Narren, die die Witze machen.

«Ich will niemandem in dieser Gugge vorwerfen, er oder sie sei ein Rassist.»

Was halten Sie von der Petition, die eine Abschaffung der Gugge verlangt?

Abschaffen finde ich nicht nötig. Ich will niemandem in dieser Gugge vorwerfen, er oder sie sei ein Rassist. Ich kenne diese Leute nicht und das ist ein sehr harter Vorwurf. Ich wollte erst selber eine Petition machen wegen des Namens. Als ich dann die andere Petition sah, dachte ich, man hätte die Forderung auch entspannter stellen können.

Ist die Diskussion in dem Moment, in dem das Wort Rassismus auftaucht, schon unmöglich geworden?

Ich finde man sollte sich da etwas entspannen, Rassismus ist dermassen stark aufgeladen. Wenn sich eine Freundin scheisse verhält, dann sagst du halt, das war scheisse. Vielleicht fällt ein Schimpfwort. Aber wenn du ihr sagst, sie sei eine Rassistin, dann hat das sofort einen Killereffekt, der viel tiefere Wunden schlägt. Auf beiden Seiten. Der Begriff sollte ein bisschen entlastet werden.

Die Debatte hat in den vergangenen Tagen viele Gräben geöffnet und Beziehungen, auch unter Fasnächtlern, strapaziert. Kann sie längerfristig zu mehr gegenseitigem Verständnis führen?

Dass sich gesellschaftlich etwas ändert, das ist eine der schwierigsten Verschiebungen, die es gibt. Das braucht Zeit. Jetzt aktuell dominiert die negative Stimmung, aber ich glaube, die Bewegung der Leute, die sich betroffen fühlen, die ist stark. Das Problem ist halt, dass man jetzt jemandem etwas wegnimmt, und das macht es emotional und schwer. Und man braucht viele Ausrufezeichen auf Facebook, die Halt geben. Ein Gefühl von Kontrollverlust macht sich breit.

Die «Negro»-Unterstützer fürchten den Kontrollverlust?

Ich habe den Eindruck, dass die Verwirrung gross ist auf der Seite derer, die sich jetzt wehren, die uns beschimpfen, die das Logo verteidigen und beim Solidaritätsmarsch mitlaufen.

Werden Sie den Marsch besuchen?

Nein. Ich fände es schön, wenn die Debatte über das Emblem und den Namen bald erledigt wäre. Wenn sich etwas ändert: schön. Wenn sich nichts ändert, dann klappt es halt nicht, das Leben geht weiter. Ich wünschte mir, dass die Debatte jetzt in die wirklich wichtigen Bahnen umschwenkt. Jetzt, wo das Thema eine so grosse Aufmerksamkeit hat.

https://tageswoche.ch/form/kommentar/basel-hoer-auf-zu-quengeln/
https://tageswoche.ch/stadtleben/des-einen-rassismus-ist-des-andern-tradition/

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