«Werbeforschung hält mit der Technologie nicht Schritt»

Was macht das Schweizer Fernsehen so erfolgreich? Der Werbeexperte erklärt, was das Schweizer Fernsehen richtig macht und weshalb es gezieltere Werbeforschung braucht.

Stephan Küng arbeitet bei der Media-Agentur TWmedia in Basel

Welchen Effekt hat ein Werbespot auf einem Grossbild-Fernseher und auf einem Smartphone? Solche Fragen beschäftigen den Werbeexperten Stephan Küng. Er erklärt, was das Schweizer Fernsehen richtig macht und weshalb es gezieltere Werbeforschung braucht.

Bewegtbild-Angebote, linearer Konsum, Mediaplanung: Das sind die Begriffe, mit denen sich Stephan Küng beruflich beschäftigt. Er ist Inhaber einer Medienagentur (TWmedia) und präsidiert die Interessengemeinschaft elektronische Medien (Igem). Ausserdem ist er Mitglied der Stiftung Mediapulse – das Forschungsinstitut, das die traditionellen Fernsehquoten misst.

Herr Küng, dieser Tage feiert das Schweizer Fernsehen (SRF) sein 60-jähriges Bestehen. Seit den Anfängen hat sich viel verändert. Alle Welt schaut heute online, Netflix mischt den Markt neu auf. Wird es SRF auch in 20 Jahren noch geben?

Mit Sicherheit wird es SRF auch in 20 Jahren noch geben. Aber genauso sicher werden sich die Angebote und deren Konsum verändern. SRF kann durchaus auch vom Medienwandel profitieren.

Inwiefern?

Die Möglichkeiten, Fernsehinhalte zu konsumieren, werden immer vielfältiger. Entsprechend wird sich auch die Nutzung immer stärker fragmentieren. Das heisst, die einzelnen Sender und Sendungen verlieren tendenziell an Reichweite. Ausser bei grossen Live-Events wie beispielsweise einer Fussball-Weltmeisterschaft. Solche Events werden auch in Zukunft noch die Massen bewegen. Und gerade auf diesem Gebiet ist SRF sehr stark aufgestellt. Aber auch Events wie «Deutschland sucht den Superstar» auf RTL ziehen das Publikum vor den Fernseher. Zurück zu SRF: Auch im Online-Bereich ist das Schweizer Fernsehen stark. Sendungen wie «Giacobbo/Müller» weisen sehr hohe Download-Raten aus. Die Seite srf.ch ist zudem eine der bestbesuchten News-Seiten in der Schweiz, nur darf SRF das Angebot nicht kommerziell nutzen, weil dies gesetzlich so geregelt ist. Online steht die SRG in direktem Wettbewerb mit den Zeitungsverlagen. Diese haben sich bis jetzt erfolgreich gegen die durch Konzessionsgelder finanzierte Konkurrenz SRG gewehrt.

Denken Sie, dass das traditionelle Fernsehangebot irgendwann verschwindet?

Es ist zwar so, dass der klassische Fernsehkonsum immer mehr sinkt. Aber ich denke nicht, dass er komplett verschwindet. Das lineare Fernsehen hat seinen Reiz. Viele Zuschauer wollen sich einfach nur auf der Couch berieseln lassen. Fast jeder Haushalt hat heute die Möglichkeit, alle Sendungen zeitversetzt zu schauen, trotzdem werden nur zwischen fünf und acht Prozent der Sendungen zeitversetzt konsumiert. Die Tagesschau wird um halb acht geschaut, daran haben sich viele Zuschauer gewöhnt.

Welche Rolle spielen die traditionellen Einschaltquoten noch für den Werbemarkt?

Sie sind weiterhin sehr relevant. Die Werbeplanung orientiert sich am sogenannten Werbeblock-Rating. Das heisst: Wie viele Zuschauer haben einen Werbeblock gesehen? In diesem Zusammenhang ist die Quotenmessung wichtig, um den Zuschaueranteil beim klassischen Fernsehen zu bestimmen.

Gibt es zurzeit also keine Messung, die alle Zuschauer auf allen Kanälen misst – eine Total-Audience-Messung sozusagen?

Das ist so. Die Werbeforschung müsste eigentlich noch viel weiter gehen als sie es im Moment tut. Im Moment wird der Fernsehkonsum beispielsweise auf dem iPad nicht mitgezählt, obwohl die Nutzung von Tablets immer mehr steigt. In nächster Zukunft wird das aber möglich sein – technisch ist es jetzt schon kein Problem. Die Forschung hält mit der Technologie eben nicht immer Schritt.

Wo gibt es Nachholbedarf?

Eine grosse Herausforderung besteht darin, eine konvergente Währung für alle audiovisuellen Geräte zu finden. Welchen Effekt erzielt ein Werbespot auf einem Grossbildfernseher und welche Wirkung hat derselbe Spot auf einem Smartphone? Eine weitere Herausforderung besteht in der Auswertung der Zuschauerzahlen: Im Bereich des linearen Konsums – also Fernsehen im klassischen Sinn – beruhen die Zuschauerzahlen auf Hochrechnungen. Diese sind, was die Quantität betrifft, eher ungenau. Dafür erfassen die Zahlen zielgruppenspezifische Angaben: Man kann ungefähr sagen, wer welche Sendung sieht. Im Internet ist das anders. Es gibt zwar sehr exakte Messungen der Gesamtkontakte, wir wissen aber nicht genau, wer hinter diesen Kontakten steht. Es bräuchte eine Verschmelzung von Online- und bisheriger Messung von Einschaltquoten.

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