«Wir müssen zeigen, dass es uns braucht»

Jurriaan Cooiman ist Präsident des neu gegründeten Vereins «swissfestivals». Er hofft auf einen regen Austausch unter Festivalveranstaltern, auf Studien, die den Mehrwert von Festivals belegen – und auf eine gemeinsame Stimme nach aussen. Dafür müssen die Festivals aber auch über ihren Schatten springen: «Wir sollten Standards einrichten, etwa in Sachen Besucherzahlen», fordert er.

Umtriebiger Lobbyist: Jurriaan Cooiman wird am 24. Oktober die erste Jahreskonferenz des Vereins «swissfestivals» eröffnen. (Bild: Juri Junkov)

Jurriaan Cooiman ist Präsident des neu gegründeten Vereins «swissfestivals». Er hofft auf einen regen Austausch unter Festivalveranstaltern, auf Studien, die den Mehrwert von Festivals belegen – und auf eine gemeinsame Stimme nach aussen. Dafür müssen die Festivals aber auch über ihren Schatten springen: «Wir sollten Standards einrichten, etwa in Sachen Besucherzahlen», fordert er.

Herr Cooiman, wer ist bei «swissfestivals» willkommen?

Jeder kulturelle Anlass, der drei Tage oder länger dauert, schon seit drei Jahren oder Ausgaben existiert und sich einem speziellen Thema oder einer Sparte widmet. Ich bin mir bewusst, dass Festival ein dehnbarer Begriff ist, es gibt ja auch Schnitzel- oder Weinfestivals. Uns geht es um kulturelle Inhalte. Über die Aufnahme entscheidet jeweils der Vorstand.

Sind die Hürden hoch?

Nein, wir wollen niederschwellig arbeiten, die Beiträge sind gestaffelt nach Umsatz: Die grossen Festivals zahlen mehr als die kleinen. Und man muss keine Eintrittsgebühr entrichten, die Mitgliedschaft ist im ersten Jahr gratis. Wir müssen ja zuerst einmal zeigen, dass es uns braucht!

Was soll das Netzwerk bringen?

Koordination, Kommunikation und einen Austausch von Spezialisten. Viele Festivalmitarbeiter sind Saisonniers, Fachleute auf ihrem Gebiet, die jeweils ein, zwei Monate im Einsatz sind. Das Theaterspektakel Zürich etwa hat einen super Stab in der ­Produktion und Künstlerbetreuung. Leute mit grossem Know-how sind auch für andere Veranstalter interessant. Kooperationen wären auch in anderen Bereichen sinnvoll: Jedes Festival bucht Reisen, Hotelzimmer, Werbung. Wenn man das unter einem Dach ­machen könnte, hätte man eine ­bessere Ausgangslage. Mit einem gemeinsamen Werbebudget könnte man ganz anders in die Verhandlungen mit einer Firma wie der Allgemeinen Plakatgesellschaft einsteigen. Gemeinsam sind wir stärker – davon würden gerade kleinere Festivals profitieren.

Die Schweiz habe die höchste Festivaldichte Europas, liest man immer wieder. Richtig?

Das stimmt leider nicht. Noch fehlt zwar eine Studie, aber nach unserer Schätzung gibt es rund 300 Kulturfestivals in der Schweiz – das sind weniger als etwa in skandinavischen Ländern wie Schweden oder Finnland, wo die Förderung spezifisch über Festivals läuft.

Es gibt kaum Studien zur Schweizer Festivallandschaft – aber zunehmend Studierende im Bereich Kulturmanagement …

(lacht) Tatsächlich haben wir darum gebeten, dass sich eine Diplomarbeit an der Uni Basel dem Thema Festivals annimmt. Nächste Woche wird die Studie «Neue Perspektiven für die Festivallandschaft Schweiz» präsentiert. Sechs Mitglieder und Nichtmitglieder wurden gefragt, ob es «swissfestivals» brauche. Die Antwort ist verhalten positiv ausgefallen. Aber leider ist diese erste Studie noch nicht so aussagekräftig.

Mit anderen Worten: Sie haben eine Legitimation gesucht.

Ich weiss, es hat diesen Beigeschmack. Aber das war nicht meine Absicht, mich würde eine Studie zur Frage: «Warum denken Festivals, dass sie gefördert werden müssen – und warum fördern zum Beispiel Kantone die Festivals?» brennender interessieren. Ich wünsche mir, dass Studierende weiterforschen und ­aussagekräftige Erkenntnisse gewonnen werden. Dafür müssen wir einheitliche Massstäbe schaffen: Manche Festivals geben Besucherzahlen bekannt, andere verkaufte Tickets. Dazwischen liegt oft eine Dunkelziffer an Gratistickets, was Vergleiche erschwert. Ich bin sehr dafür, dass wir Standards einrichten.

Ein ambitioniertes Unterfangen, ist es doch ein offenes Geheimnis, dass bei vielen Festivals die Gästelisten lang und die Zahlen frisiert sind.

Ich weiss. Aber damit tun wir uns keinen Gefallen. Wenn wir die Glaubwürdigkeit der Festivals erhöhen und eine stärkere Position bei Subventions­verhandlungen einnehmen wollen, sind wir dazu verpflichtet, die Zahlen präzis zu erheben und zu belegen. Da sind manche feste Häuser den Festivals einen Schritt voraus.

www.swissfestivals.org

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 19.10.12

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