«Wir müssen zum Frieden zurückkehren»

Vieux Farka Touré, der Sohn von Ali Farka Touré, führt den Wüstenblues fort und kommt mit einer Hommage an seine Heimat Mali ans Jazzfestival Basel. Heute Abend tritt er in der Kaserne auf.



Will Norden und Süden Malis mit seiner Musik wieder einen: Vieux Farka Touré.

Vieux Farka Touré führt den Wüstenblues seines verstorbenen Vaters Ali Farka Touré fort. Jetzt kommt er mit einer Hommage an Mali ans Jazzfestival Basel. Im Interview spricht er über die schwierige Situation

 in seiner Heimat.

Der Vater wollte gar nicht, dass sein Sprössling Vieux in seine Fussstapfen tritt. Wüstenbluesmeister Ali Farka Touré mochte seinen Sohn eher in den Reihen des Militär sehen. Doch als er gegen dessen hartnäckige Ambitionen nichts mehr unternehmen konnte, schickte er ihn gleich zum besten Betreuer überhaupt, den engen Freund und Koraspieler Toumani Diabaté.

Live in Concert
Vieux Farka Touré tritt an der «African Night» des Jazzfestival Basel auf.
Freitag, 2. Mai,
Kaserne Basel, 20 Uhr.

Bei ihm formte Vieux seine Künste als Perkussionist, Gitarrist und Songwriter. Der Aufstieg des Multitalentierten geschah dann rasant: Über das bemerkenswerte Debüt von 2006, wo er seinen afrikanisch geprägten, aber westlich beeinflussten Gitarrenstil namens Koroboro erstmals präsentierte, über die grandiose zweite Scheibe «Fondo», mit der er eine Fusion aus Hardrock, Reggae, Dub und Bluesrock unternahm.

Auf dem Werk «The Secret» suchte er dann in Brooklyn das Teamwork mit internationalen Gitarrenhelden wie John Scofield und Derek Trucks. 2010 sahen ihm beim Kick Off-Konzert in Südafrika zur Fussball-WM eine Milliarde Menschen via TV-Übertragung zu. Und mit dem aktuellen Werk «Mon Pays» hat Vieux Farka Touré nun einen Gang zurückgeschaltet, widmet den Songzyklus seiner unlängst politisch so gebeutelten Heimat Mali. Vor seinem Auftritt am Jazzfestival haben wir ihn befragt.
 


Viexu Farka Touré, in Ihrer Heimat Mali haben sich in den letzten Jahren dramatische Ereignisse abgespielt. Sie stammen aus der Region Niafunke im Norden. Wie haben Sie die Angriffe der Tuareg-Rebellen und danach der Islamisten erlebt? Mussten Sie fliehen?



Ich selbst war zur Zeit der Atacken nicht in Niafunke, aber meine ganze Familie, und die musste nach Bamako flüchten. Alle Künstler im Norden haben während dieser Phase Probleme bekommen. Für einen Künstler, der seinen Beruf nicht ausüben kann, bedeutet das das Ende. Die Situtation war aber nicht nur für die Künstler bedrohlich, auch für die ganz normale Bevölkerung. In Niafunke wurden Felder verwüstet, Schulen niedergebrannt.



In Ihrem Song «Yer Gando» singen sie davon, dass man die Zwietracht überwinden muss. Als Ergebnis der Aufstände gibt es nun ein starkes Misstrauen zwischen Tuareg und den Songhai, denen auch sie angehören. Wie soll das wieder ins Lot kommen?

Ich habe viele Freunde unter den Tuareg, wir rufen uns an, essen zusammen, gehen auf Tour. Manche der Tuareg wurden gezwungen, sich diesem Aufstand anzuschliessen, gegen ihren Willen. Denn die sogenannten Rebellen waren Leute, die nicht einmal aus Mali stammen, sie waren besser bewaffnet, besser trainiert. Es geht hier nicht um das Misstrauen einiger Volksgruppen gegeneinander, es geht um die Leute, die die Waffen gegen uns, ihre Brüder, erhoben haben, um die, die nicht auf der Seite eines geeinten Mali stehen.



Ihre Alben waren stets von einem elektrifizierten Sound geprägt, «Mon Pays» ist sehr nachdenklich und ruhig.

Angesichts der Ereignisse konnte ich nicht einfach ein weiteres Rock’n’Roll-Album machen, sondern wollte die Aufmerksamkeit der Leute erregen, mit einem Album, das der Kultur Malis entspricht, mit einer Zukunftsvision des Landes.



Woraus besteht diese Vision?

Aus der Zusammenführung verschiedener Traditionen. Es gibt Stücke, die aus der Songhai-Überlieferung kommen, aber genauso Stücke, die der Musik der Tuareg ähneln, man kann da ganz ähnliche Stränge finden. Es gibt auch Mandingue- und Bambara-Songs aus dem Süden, es sollte ja etwas sein, das ganz Mali repräsentiert. Die Leute sollen überall wissen: Ganz gleich, ob es sich um Araber, Tuareg, Songhai, Peul oder Bambara handelt, all diese Farben machen Mali aus.


Sie interpretieren mit «Safare» auch ein Stück Ihres Vaters. Reicht sein Einfluss auch über seinen Tod hinaus?

Selbstverständlich, das ist unumgänglich. In allem was ich tue, liegt die Quelle in der Musik meines Vaters. Es ist unmöglich, dass ich diese Tradition vergesse. Der Kontext, in dem ich das Stück «Safare» singe, ist der, dass man immer noch ein Medikament haben muss, um die gegenwärtigen Probleme zu lösen. Dieses Medikament ist der Frieden, wir müssen zum Frieden zurückkehren und das Leben ruhig weiterführen, wie es zuvor auch in Mali war. Der alte Bösewicht, von dem im Song die Rede ist, der steht für die Kräfte, die den Krieg finanziert haben.



Ihr Vater hat mit dem international bekannten Kora-Spieler Toumani Diabaté gearbeitet. Sie spielen nun mit seinem Sohn Sidiki…

Wir führen auf unsere Weise fort, was die Väter getan haben. Und was hier ganz wichtig ist: Sidiki ist ein Griot, aber er kommt aus dem Kulturraum der Mandingue, einer südlichen Kultur Malis, ich dagegen komme aus dem Norden. Wir zeigen damit auch: Der Süden und der Norden gehören zusammen.



Wie geht es nun weiter in Mali? Sehen Sie die Chance auf dauerhafte Stabilität?

Man muss wissen, dass der Norden sehr gross ist. Ich glaube nicht, dass die neue Regierung über Mittel verfügt, um dieser Herausforderung zu begegnen. Mit aller Aufrichtigkeit muss ich sagen, ich weiss nicht, wie es in ein paar Jahren aussehen wird. Ich weiss nur, dass die Regierung den Norden nicht mehr vernachlässigen darf wie zuvor, denn durch dieses Machtvakuum konnte der Aufstand erst beginnen. Ausserdem ist der Wiederaufbau wichtig. Ich selbst will mit einer Association helfen, dass die Leute ihr Leben wieder beginnen können, ein Programm, das schon zu operieren begonnen hat.


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