«Wir sind ja keine Genies»

Auch nach dem 0:7 in München will Bernhard Heusler keinen Arjen Robben verpflichten. Viel lieber plant der Präsident des FC Basel die Zukunft mit Sinn für die Realität.

Frust für einen Abend – Joo Ho Park (Mitte) nach dem 0:7 in München. FCB-Präsident Bernhard Heusler ist trotzdem stolz auf seine Mannschaft. (Bild: Freshfocus)

Auch nach dem 0:7 in München will Bernhard Heusler keinen Arjen Robben verpflichten. Viel lieber plant der Präsident des FC Basel die Zukunft mit Sinn für die Realität.

Geknickt wirkt Bernhard Heusler einen Tag nach dem 0:7 seines FC Basel in der Champions League bei Bayern München nicht. Denn schon hat der FCB-Präsident neue Ziele im Blick: den Titel-Hattrick und die ­Planung der kommenden Saison.

Bernhard Heusler, gibt es einen Satz, den Sie seit dem 0:7 in München nicht mehr hören können?

Die Leute dürfen mir alles sagen. Sie können sogar denken, wir Basler seien Versager. Solange sie nicht von mir verlangen, dass ich ihre Meinung teile.

Ist das passiert?

Ich habe nach dem Spiel in München ähnlich viele SMS bekommen wie nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel. Nur eines davon war zynisch-schadenfreudig.

Ab welcher Minute konnten Sie in München nicht mehr hinschauen?

(Lacht) Stellen wir die Frage so: Ab wann habe ich nicht mehr daran geglaubt? Nach dem 0:4. Aber wie Valentin Stocker sich in das Spiel kämpft, wie wenn es 0:0 stehen würde, das sehe ich auch beim Stand von 0:5 noch gerne. Am Ende hätte die Uhr aber gerne schneller laufen können.

Können Sie die geschundenen ­Seelen der FCB-Fans aufrichten?

Was ich immer alles muss! Die sollen mich aufrichten (lacht). Ich hatte nach dem Spiel in München Kontakt mit Basler Fans. Dort hatte ich gar nicht das Gefühl, ich müsse Seelen massieren. Ich bin sicher, dass die Stamm-Fans unsere Kampagne richtig einschätzen können. Auch wir im Club wissen ja, woher wir kommen, wer wir sind und wo wir hinwollen. Und unser hohes Ziel ist ganz klar der erste Hattrick der Clubgeschichte in der Schweizer Meisterschaft.

Das Aus in der Champions League ist für Sie kein Rückschlag?

Für die internationale Wahrnehmung des FCB und des Schweizer Fussballs wäre ein Glanzresultat in München ­sicher enorm wichtig gewesen. Für die Zukunft des FCB ist es aber noch wichtiger, Meister zu werden.

Trotzdem: Vor dem Spiel in München ist der FCB für seine unschweizerische Frechheit gelobt worden. Ist dieses 0:7 ein Rückfall in die alte Schweizer Sitte, entscheidende Spiele zu verlieren?

Nein. Die Partie gegen Manchester war auch entscheidend. Dieses Team ist für mich nach dem 0:7 genau so stark oder schwach wie vorher. Wir hatten sicher nicht unseren besten Tag. Das muss auch erlaubt sein. Aber wenn unser Team nicht das Maximum abrufen kann, dann reicht es gegen ­einen der fünf besten Clubs in Europa nicht. Wir haben nie behauptet, wir seien Genies in Basel. Es kann ja nicht sein, dass wir Spieler für vielleicht 500 000 oder eine Million Franken kaufen, in München machen vielleicht zehn Leute denselben Job mit viel mehr Geld – und am Ende haben wir dieselbe Qualität auf dem Rasen.

Und doch gilt diese Ausgabe des FCB für Schweizer Verhältnisse als Ausnahme-Mannschaft.

Ich will ja keine Spassbremse sein. Aber bei gewissen Kommentaren über unser Team musste ich zuletzt etwas staunen. Ja, wir haben eine der stärksten Mannschaften, die der FCB je hatte. Ein toller Charakter, acht eigene Spieler auf dem Rasen zuhause gegen Bayern. Das sind Dinge, die dieses Team auszeichnen und Superlative zulassen. Aber es ist sicher nicht so, dass wir zu gut für die Schweiz wären, weil wir zu den zehn besten Mannschaften in Europa zählen.

Wenn es dieses Team nicht in den Viertelfinal der Champions League schafft, welche andere Schweizer Mannschaft dann?

Im Normalfall keine. Natürlich kann schon mal jemand in den Viertelfinal kommen. Aber dass ein Schweizer Team zu den zehn besten in Europa zählt, dauerhaft? Wunder sind eben nicht von Bestand. Die Clubs, die in ­jenen Sphären zuhause sind, in denen wir uns jetzt bewegt haben, bauen auf einem ganz anderes finanzielles ­Fundament. Ein Club in den Top Zehn Europas kann gar nicht aus unserer Schweizer Liga wachsen. Das hat nichts mit Schweizer Bescheidenheit oder Understatement zu tun. Aber ist es realistisch zu erwarten, dass ein Schweizer Club zu den besten zehn in Europa zählen soll?

Vernünftig wäre das nicht. Anscheinend ist der FCB an eine Grenze gestossen, an der es für Schweizer Clubs nicht weitergeht.

Ja, wir haben uns sicher ganz nahe an diese sogenannte Schallmauer bewegt. Dorthin, wo die Luft ganz dünn ist.

2006 stand der FCB mit eineinhalb Beinen im Halbfinal des Uefa-Cups, schied aus und verlor physisch und psychisch ausgelaugt auch die Liga. Angst, dass das wieder passieren könnte?

Nein. Aber im Gegensatz zu vielen ­Beobachtern habe ich einen grossen Respekt vor dieser Meisterschaft. Und vor dem Weg, der noch vor uns liegt.

Also ist diese Mannschaft nicht verschenkt in dieser Liga?

Überhaupt nicht. Das ist eine komplett falsche Beurteilung. Jetzt rüstet ­Zürich mit einem neuen Trainer auf …

Herr Heusler, der FCZ liegt zwanzig Punkte zurück!

Sie haben gesagt: in dieser Liga, nicht in dieser Saison.

Diese FCB-Mannschaft gibt es aber nur noch diese Saison.

Das stimmt. Aber sehen Sie: Xherdan Shaqiri verlässt uns im Sommer. Doch er kann zu den ganz wenigen Spielern gehören, die dreimal in Serie Schweizer Meister werden. Und seine Enkel werden zum Glück nicht fragen, ob das eine Gurkenliga war. Das ist sie nämlich nicht. (Pause) Sie schmunzeln?

Ich würde dieser Mannschaft eine kompetitivere Liga gönnen.

(Lacht) Ich würde dem Schweizer Fussball eine würdigere Tabelle wünschen. Der Abstand des FCB an der Spitze kann für mich natürlich nicht gross genug sein. Aber das Herz blutet, wenn ich sehe, wie viel Punkte Xamax in der Vorrunde gewonnen hat und jetzt einfach zuunterst in der Tabelle steht. Oder Sion, das ohne den Abzug von 36 Zählern auf Platz zwei wäre. Ohne diese Dinge würde die ganze ­Berichterstattung ganz anders aussehen. Zum Heulen ist, dass im Jahr 2013 der Schweizer Meister direkt in der Champions League wäre, wäre Sion nicht aus der Europa League ausgeschlossen worden …

Zurück zum FCB. Was nehmen Sie mit aus dieser Champions-League-Saison?

Sicher die Emotionen, die Bewunderung für diese Mannschaft und auch den Stolz. Die Leistung in Manchester, auch das finale Spiel zuhause – das sitzt tief. Und auch, dass das Gesamtpaket beim Heimspiel gegen die Bayern gepasst hat. Das Ganze ist so ein labiles Gefüge. Ich habe es gestern gedacht, als alle bedauerten, dass wir die Kampagne mit einem 0:7 beenden. Ja. Aber es hätte doch auch umgekehrt sein können. Wir hätten zuerst auswärts untergehen können. Und dann erklären Sie mal 35 000 Zuschauern, warum das Rückspiel doch noch die Jahrhundertpartie sein soll.

Der letzte Eindruck bleibt eben lange haften.

Aber nein, der letzte Eindruck ist nicht der wichtigste. Bei einem K.o.-Turnier gehen alle ausser dem Gewinner mit einem negativen Erlebnis aus dem Wettbewerb. Für mich zählt der Gesamteindruck. Die Leute durften doch jetzt wochenlang träumen – davor sind sogar einige Träume wahr geworden. Und jetzt ist man aufgewacht. Leider mit einer Ohrfeige – nicht sehr mild. Aber das reale Bild, das dieser FCB abgibt, ist kein schockierendes. Der hat Chancen, das Double zu holen.

Was nimmt der FCB als Club mit – abgesehen von den 30 Millionen?

Dreissig Millionen (lacht)! Es ist der alte Satz: Wir sind an Erfahrungen reicher geworden. Nur kann man sich überlegen, wer von dieser Erfahrung profitiert.

Eben: Wie viel von dieser Erfahrung nimmt der FCB mit in die kommende Saison? Es ist doch davon auszugehen, dass es im Team zu einem Umbruch kommen wird?

Nun, auch der Club, auch der Trainer hat Erfahrung gesammelt. Du lernst eben bei den Grossen und Erfolg­reichen, wie du auftreten musst.

Die Lehre kann aber kaum sein, auch einen Robben zu kaufen?

Ich glaube, das haben gestern sogar jene gesehen, die sagen, wir müssten nun halt auch 20 Millionen in ­einen Spieler investieren. Meinen Sie, wir wären mit einem Robben gestern nicht ausgeschieden? Wir hätten einfach das doppelt so hohe Lohnbudget. Irgendwie war es auch gut, wieder einmal ­einen Sinn für die Realität zu bekommen. Und die liegt wohl irgendwo zwischen dem 1:0 und dem 0:7.

Und der Umbruch im Sommer?

Der wird beträchtlich. Wobei wir auch vorsichtig sein müssen. Es wurde schon oft ein Umbruch herbeigeschrieben. Meist war es eine Art sanfter Umbau. So dürfte es jetzt auch werden. Ich kann jetzt sicher nichts dazu sagen, wie viele Spieler gehen werden. Aber dass ein Abraham seinen Vertrag bislang nicht verlängert hat, ist bekannt. Granit Xhaka hat mal in einem Interview gesagt, er sei im Sommer bereit für einen Wechsel. Aber das hat Xherdan Shaqiri vor zwei Jahren auch mal gesagt und ist noch geblieben.

Wie wichtig sind internationale Erfolge, um neue Profis zu locken?

Extrem wichtig. Die Anziehungskraft auf junge Spieler, die nicht von diesem Kontinent kommen, steigt enorm.

Zum Beispiel auf ägyptische Nationalspieler wie Mohamed Salah.

Ein ägyptischer Nationalspieler würde sich sonst sicher nicht für Basel interessieren, ja.

Kommt er denn zum FCB?

Wir werden sehen.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 16.03.12

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