«Wollen immer einen Dialog führen» – Kommandant bestreitet härtere Gangart gegen Linke

Mehr Konfrontation, mehr Kontrollen und Festnahmen – die Basler Polizei scheint härter gegen Demonstrationen und Besetzungen vorzugehen. Stimmt nicht, sagt Kommandant Martin Roth.

Polizeikommandant Martin Roth: «Der Polizist will grundsätzlich den Rechtsbruch verhindern.»

Herr Roth, Sie behaupten von sich, Sie seien basisnah. Was heisst das?

Ich versuche, einen Dialog über alle Hierarchiestufen hinweg zu pflegen. An der Fasnacht war ich während dreier Tage auf einer Zweierpatrouille unterwegs. So spüre ich die Stimmung im Korps, in der Stadt. Ich weiss, wie es unseren Leuten geht, was sie erleben, wie gut unsere Ausrüstung in der Praxis ist. Meine Leute sehen in mir einen Polizisten, nicht nur den Kommandanten.

Dann kennen Sie die Stimmung im Korps genau. Was denken Ihre Polizisten über illegale Kundgebungen, über Hausbesetzungen und die linksautonome Szene?

Es gibt keine speziellen Gefühle. Demonstrationen sind solange kein Problem, wie kein Rechtsbruch stattfindet. Wenn es zu Störungen kommt, muss die Polizei einschreiten. Das fängt an mit Personenkontrollen und endet manchmal mit der Strafverfolgung.

«Auch bei unbewilligten Demos versuchen wir, Kontakt mit den Organisatoren aufzunehmen.»

Noch mal: Wie ist die Stimmung im Korps bei dieser Thematik?

Der Polizist will grundsätzlich den Rechtsbruch verhindern. Ganz wichtig ist dabei, dass wir konsequent sind. Dass jeder Rechtsbruch geahndet wird, solange die Verhältnismässigkeit gewahrt wird. Wir intervenieren in der Regel nicht gleich, wenn es während einer grossen Demo zu einer Sprayerei kommt, sondern setzen je nach Lage auf eine nachträgliche Strafverfolgung aufgrund der Beweissicherung.

Jetzt gibt es die Wahrnehmung in der Szene und bei Beobachtern, dass Sie die Gangart verschärft haben. Der Dialog wurde eingestellt. Dafür hat die Repression zugenommen, und es kommt zu mehr Anhaltungen, Kontrollen, Konfrontation bei Kundgebungen.

Die Praxis hat sich nicht geändert. Auch bei unbewilligten Demos versuchen wir, Kontakt mit den Organisatoren aufzunehmen. Bei der grossen Kurdendemo hatten wir Informationen erhalten, dass es einen Aufruf zu einer illegalen Demo gebe. Auch zum Schutz der Kurdendemo haben wir dann einige Personenkontrollen gemacht. Zehn Leute sind dabei hängen geblieben, weil sie sich der Kontrolle entziehen wollten oder verdächtige Gegenstände dabeihatten.

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Bei der Kurdendemo hat die Polizei interveniert, bevor irgendwas passiert ist.

Wir haben im Umfeld dieser Demo Personenkontrollen durchgeführt. Das ist ein normales Vorgehen.

«Wir reizen unseren Spielraum nie aus.»

Während der Demo sollen Polizisten Demonstranten mit den Worten weggewiesen haben, sie hätten an einer Kurdendemo nichts verloren. Ist es legitim, dass Sie entscheiden, wer demonstrieren darf und wer nicht?

Ich habe keine Hinweise darauf, dass wir Leute einfach so von der Demonstration nach Hause geschickt haben. Wenn wir jemanden identifizieren und eine Kontrolle machen wollen, ist diese Person aufgefordert, der Kontrolle Folge zu leisten. Wir haben kein Politprofiling gemacht, aber wir mussten auch die Demonstration vor Gewalttätern schützen.

Es gibt eine Häufung vorläufiger Festnahmen nach Personenkontrollen. Ist das Teil einer Strategie?

Ein Bürger, der einfach einer Personenkontrolle unterzogen wird, der muss nie mitkommen. Das hat andere Gründe. Aber wir reizen unseren Spielraum nie aus: Niemand wird aus rein präventiven Gründen während der rechtlich möglichen 24 Stunden in Polizeigewahrsam festgehalten.

Der Vorwurf lautet: Sie verteilen Denkzettel.

Das weise ich zurück. Das findet nicht statt.

«Der Nachrichtendienst stuft die linksautonome Szene als gewalttätig ein. Das ist offensichtlich so.»

Wie schätzen Sie die linksautonome Szene ein? Ist sie radikaler als früher?

Ich verweise auf die Einschätzung des Nachrichtendienstes, der die linksautonome Szene als gewalttätig einstuft. Das ist offensichtlich so. Im Zusammenhang mit einer Anschlagserie rund um den Neubau des Gefängnisses Bässlergut laufen 65 Strafverfahren.

Spüren Sie politischen Druck, härter gegen Linksautonome vorzugehen?

Nein, da gibts keinen Druck. Ich habe wöchentlich mehrfach Austausch mit meinem Vorgesetzten Baschi Dürr. Aber die Polizei führe ich als Kommandant.

Wie eng ist die Zusammenarbeit mit dem Staatsschutz?

Der Staatsschutz ist eine Bundesangelegenheit. Der Austausch ist im engen gesetzlichen Korsett geregelt. Wir sind systemisch getrennt.

«Wir versuchen immer zu deeskalieren, bevor wir durchgreifen.»

Wie definieren Sie die roten Linien bei unbewilligten Demonstrationen? Legen Sie beispielsweise fest, nach wie vielen Sachbeschädigungen eingeschritten wird?

Es gibt eine klare Grenze und das ist der Gesetzesbruch. Dann schreitet die Kantonspolizei ein.

Aber oft wartet die Polizei bei Sachbeschädigungen zu. Wie lange tut sie das?

Grundsätzlich ahnden wir jeden Rechtsbruch, aber die Mittel, die wir einsetzen, sind lagebezogen unterschiedlich. Wir versuchen immer zu deeskalieren, bevor wir durchgreifen.

Der Eindruck von aussen ist genau umgekehrt: Sie greifen schneller ein als früher.

Wir wollen immer einen Dialog führen.

«Die Kantonspolizei entscheidet nicht nach Gesinnung.»

An der Mattenstrasse ereignete sich im Januar eine Ruhestörung, wie sie dutzendfach vorkommt an einem Wochenende. Ihre Polizei fuhr mit zwei Dutzend Beamten ein, sechs Personen wurden festgenommen. Das klingt nicht nach Dialog. 

Wir versuchen immer, alle Bedürfnisse unter einen Hut bringen. Gewisse Menschen wollen es lauter, andere leiser in der Stadt, da gibt es Spannungen. Aber die lassen sich mit Dialog oft lösen.

Wie oft kommt es vor, dass Sie wegen einer Ruhestörung mit zwei Dutzend Beamten ausrücken?

In den meisten Fällen findet ein Dialog statt. Aber ab und an müssen wir eine Veranstaltung auflösen.

«An der Mattenstrasse muss mehr vorgefallen sein als nur eine Ruhestörung.»

Ihr Argument für dieses Vorgehen war: Da halten sich Linksextreme auf.

Da ist irgendetwas schiefgegangen. Da muss mehr vorgefallen sein als nur eine Ruhestörung.

Die Wahrnehmung ist, dass die Polizei unter Ihnen als Kommandant grundsätzlich härter vorgeht, wenn sie es mit Personen zu tun hat, die sie dem linksalternativen Spektrum zuordnet.

Die Kantonspolizei entscheidet nicht nach Gesinnung. Wir wollen alle den Dialog pflegen, die Auseinandersetzung ist für beide Seiten nicht interessant.

https://tageswoche.ch/form/kommentar/ausser-rand-und-band/

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